An der Lippe sind natürlich alle Legionen des Germanischen Heeres mal hergekommen. Funde gibt es meines Wissens in Lippstadt nur das Übliche: Münzen und evt. mal Handelswaren und ein Ausrüstungsgegenstand. Genaugenommen ist dort sogar weniger als anderswo bekannt, da die älteren Funde wohl häufig nach Lippe oder Brandenburg gingen. Aber irgendwo im Umkreis von Lippstadt muss es zumindest Marschlager gegeben haben. Spuren müssen nicht mehr vorhanden sein, die Lippe kann ihr Bett verlegt und sie zerstört haben, wie einen Teil des Lagers Anreppen. Heute ist die Lippe aufgrund der Maßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts ein friedliches Flüsschen. Vor Begradigungen, Anlage verschiedener Kanäle, insbesondere des Boker Kanals und der verminderten Wasserführung durch Entnahmen aus den Zuflüssen, führte sie deutlich mehr Wasser und Altarme zeigen noch heute den früher nicht so geraden Lauf. Noch in napoleonischer Zeit galt die Lippe als schwer zu überqueren und von dem Zusammenfluss bei Neuhaus an waren die Brücken, die bei den Furten entstanden waren, wichtige Punkte.
Jedenfalls war die Lippstädter Lippefurt sicher auf der strategischen Karte. Doch wie beim Lager Anreppen, dass ca. 2 km oberhalb der Furt bei Ringboke liegt und einige andere Beispiele zeigen, heißt das nicht, dass unmittelbar dort eine römische Anlage stand. (Anreppen liegt an der Stelle bis zu der die Lippe außer im September schiffbar war. Und noch im 19. Jh. gab es etwa einen Kilometer unterhalb einen kleinen Hafen. Durch den niedrigeren Wasserstand sind dort heute Stromschnellen.)
Auf der anderen Seite sind nicht alle Lippelager lokalisiert. Und hier wird es für den Raum Lippstadt interessant. Aber zunächst die Lager, die noch nicht oder noch nicht sicher lokalisiert sind.
1. Das erste Standlager in Germanien hat Drusus angelegt. An der Lippe bei der Mündung eines \"Elison\" genannten Gewässers. Das 19. Jh. suchte es am Oberlauf der Lippe Neuhaus, Paderborn (Die Pader wurde zeitweise auch als Lippe bezeichnet.), Elsen, Boke, Lippstadt und eigentlich so ziemlich jeder für ein Lager geeigneter Ort wurde schon genannt. Heute gilt das Lager Oberaden als dies Lager. Man hat sogar die Dendrochronologie der Zeit an dieser Vermutung kalibriert und in der Tat ist es fast zu 100% sicher, dass Oberaden damals angelegt wurde. Ein Restzweifel bleibt bei der Verbindung von archäologischen Funden mit den Schriftquellen ja fast immer. Es muss aber nicht zwingend mit dem Lager an der Mündung des Elison identisch sein. Es gibt Gründe, ein kleineres Lager zur Sicherung weiter oberhalb an der Lippe anzunehmen. Der Name Elison hilft nicht weiter. Mögliche davon abgeleitete Ortsnamen gibt es entlang der Lippe mehrfach, was auch die Suche nach dem Lager Aliso nicht einfacher macht. Dazu gehört z.B. der alte Ortsname des Weilers beim Lager Oberaden. Dass das Lager \'am Elison\' ein Versorgungslager zusätzlich zum großen Lager bei Oberaden gewesen ist, ist heute Mindermeinung, zumal es als unzulässige Hilfshypothese aufkam, aber auch nicht wirklich sauber zu widerlegen, da die Quellen einfach lückenhaft sind.
2. Der einzige überlieferte Lagername ist \'Aliso\'. Hier ist schon strittig, ob es mit dem Lager am \'Elison\' identisch ist. Das Problem ist, dass das Lager zur Zeit der Varusschlacht besetzt war, während Oberaden aufgegeben und seine Funktion von dem neuangelegten Lager Haltern übernommen wurde. Hier wird von vielen die Möglichkeit geleugnet, dass auch der Name übernommen wurde. Aliso überstand die Varusschlacht und wurde erst im folgenden Winter bei einem Ausbruch der Besatzung aufgegeben. Doch Germanicus hat das Lager wieder genutzt. Es ist nicht klar, ob das alte Lager, oder ein neues gemeint ist. Es ist nicht mal klar, wie lange das Lager ohne Römische Besatzung blieb. Theoretisch, wenn auch unwahrscheinlich, kann es schon im Winter 9/10 n.Chr. gleich wieder besetzt worden sein. Nun haben wir noch kein Lager der Germanicus-Zeit, wenn wir von einem archäologisch unterscheidbaren Germanicus-Horizont ausgehen. Es gibt aber auch Zweifel daran, dass so ein Germanicus-Horizont überhaupt unterscheidbar sind. Tiberius hatte schon früher kontrolliert, was die Soldaten mit über den Rhein nahmen. Wenn dort Münzen zurückbleiben mussten und sein Neffe Germanicus das genauso machte, fehlte schon mal das wichtigste Datierungsmittel. Daher gibt es auch Erklärungsversuche, die für Haltern und das eigentlich schon von Varus aufgegebene Anreppen Germanicusphasen annehmen. Diese sind allerdings in der Minderheit. Damit kann man sagen, dass Aliso noch nicht gefunden ist. Auch in Lippstadt kann man suchen, und vielleicht gräbst Du bei den nächsten Gartenarbeiten etwas tiefer oder legst ein Loch im Hobbykeller an, um das zu klären. Da kommt ja nicht nur die Südseite bei Lippstadt, sondern die ganze Umgebung der Lippe in Betracht.
3. Wie schon gesagt, war Aliso zur Zeit der Germanicus-Feldzüge besetzt. Tacitus erwähnt zusätzlich zu Aliso noch ein \"Lager an der Lippe\". Hier wird -von beiden Seiten ohne wirklich entscheidende Gründe- gestritten, ob es mit Aliso identisch ist oder nicht. Das \"Lager an der Lippe\" wäre wohl oberhalb Alisos zu suchen, und diese Frage ist vielleicht der Urheber des Gedankens, dass Haltern und Anreppen einen Germanicus-Horizont haben müssten. Daher fand es wohl auch kaum Resonanz, obwohl es 2009 einige Male nachdrücklich vertreten wurde, denn der Verdacht, das da zunächst der Gedanke an eine elegante Lösung war erzeugt immer Misstrauen bei neuen Annahmen. Jedenfalls kann auch das \'Lager an der Lippe\' bei Lippstadt gesucht werden.
4. Wir haben bisher fast nur große Lager gefunden. Aber es kann natürlich auch kleinere Befestigungen und Anlagen zur Verbesserung der Infrastruktur gegeben haben. Das sind neben Straßenstationen an der Lippe insbesondere Häfen. Wir wissen z.B. nicht, wo das im Sauerland gewonnene Blei verschifft wurde. Im Mittelalter führten sogenannte \'Eisenwege\' zu den Lippequerungen. Insbesondere Lippstadt profitierte davon. Hier kann also auch einfach eine Schiffslände gelegen haben. (Eisen haben die Römer nach heutigem Kenntnisstand in erreichbarer Nähe der Lippe nicht abgebaut, aber die Lagerstätten sind nicht so weit voneinander entfernt.)
Beweisbar ist das alles nicht weiter. Doch mag es Anregung für Szenarien geben. Und eine Schiffslände wie beim Uferkastell Beckinghausen ist ein dankbares Modellbauprojekt, wenn man an die Pläne für Flusschiffe kommt. (Die entsprechenden Veröffentlichungen des Zentralmuseums waren vergriffen, als ich das letzte mal nachschaute, aber das mag ein vorübergehender Zustand gewesen sein. Bücher über Schiffe haben ja immer Interessenten.)
Zur XVII., XVIII. und XIX. Legion ist wenig bekannt. Was Symbolik, Feldzeichen (abgesehen natürlich davon, dass auch sie Adler hatten) und Schildbemalung angeht nichts. Man hat nicht mal eine Vermutung, woher die Legionen stammen. Legionen dieser Nummern hatten sowohl Caesar, Pompeius, Marc Anton als auch Augustus im Bürgerkrieg. Ob Augustus bei der Reduzierung der Legionen diese neu aufgestellt, seine alten beibehalten oder sie aus Teilen verschiedener Legionen zusammengesetzt hat, ist nicht bekannt. Zunächst standen sie in verschiedenen Teilen Galliens, bevor sie an den Rhein verlegt wurden. Auch die Garnison kennt man nicht. Köln, Vetera und alle Lager an der Lippe kommen in Betracht. Nachteil für den Wargamer: Bei den Germanicus-Feldzügen zu denen uns Tacitus brauchbare Schlachtbeschreibungen liefert, waren sie schon untergegangen. Aber in dem Maßstab und da sowieso keine Symbolik dieser Legionen überliefert ist, kann ich ja mal nach den Germanicus-Legionen schauen. Nur wird dies in dem Maßstab wenig bringen, Du wirst ja keine erkennbare Schildbemalung und Feldzeichen in 6mm planen?
Wenn ich die Legionen des germanischen Heeres und ihre Beteiligungen an den Feldzügen heraussuchen soll, kann ich das gerne tun. Das steht sowieso auf meiner Liste. (Die formale Teilung in ein obergermanisches und ein niedergermanisches Heer fand erst später mit Errichtung der Provinzen statt, auch wenn schon damals rein praktisch 2 Heere in Germanien geführt wurden. Die einem Statthalter unterstellten Truppen wurden nämlich als ein Heer betrachtet und kleinere Abordnungen aller Legionen befanden sich immer beim Statthalter. Daher regt es auch kaum einen Archäologen und Historiker auf, wenn Ausrüstungsgegenstände von Legionen, deren Masse nicht bei Varus war, in Kalkriese gefunden werden. Es gab ganz einfach auch Legionäre z.B. der I. Legion im Varusherr. Zum Teil als Melder, Schreiber, Verwaltungsfachleute, aber auch als eine Art Ehrengarde und sowieso mit der ganzen feldmäßigen Ausrüstung eines Legionärs.)
Vor einiger Zeit sind einige der Schlachtbeschreibungen des Tacitus als Wargaming-Szenarien herausgebracht worden. Die Angaben müssten im Literaturbereich der Tiny Soldiers zu finden sein. Wenn Du die Zentrurien als Kohorten führst, hättest Du ja schon 3 Legionen.