Delbrück lag zwar gerade bei den Schlachtenbeschreibungen oft daneben, aber dass über viele Schlachten aufgrund der Art und Weise der Geschichtsschreibung eigentlich nichts gesagt werden kann, ist heute noch gültig.
Seine Analyse über die Truppenstärke und -Zusammensetzung der antiken Heere bei Marathon, Issos und Gaugamela finde ich als die Höhepunkte seiner Werke, v.a. wie er die Fantasiezahlen auseinander nimmt. Mit einfach ne 0 wegstreichen ist es eben nicht getan, wenn man an wahrscheinliche Größen von Heeren gehen will. Da zeigt er sich als Praktiker. Wieviele Krieger waren überhaupt logistisch zu versorgen in der Antike? Wie sah die Kriegsführung aus? Setzte man damals überhaupt jemals auf solche Massenheere, die uns noch immer Autoren heute über die Antike vorgaukeln wollen?
Was meistenteils eh nur Spekulation ist, lässt sich ja auch schwerlich widerlegen, außer Delbrück wurden handwerkliche Fehler oder Ignorierung/Unkenntnis bestimmter Quellen nachgewiesen.
Bei den Germanen und im Mittelalter scheint er mir weniger zuverlässig.
Delbrück hatte natürlich das Pech, dass die möglichen Orte vieler antiker Schlachtfelder erst nach dem Erscheinen seines Werks in Augenschein genommen und publiziert wurden. Und das meist ausgerechnet von seinen Widersachern.
Im Mittelalter hatte er ein größeres Problem mit den Quellen als er dachte. Man denke nur an das von mir wirklich jedem, der so etwas rekonstruieren will, sehr ans Herz gelegte Werk von Georges Duby: Der Sonntag von Bouvines 27. Juli 1214, Berlin 1988. (Die Übersetzung ist zwar preisgekrönt, aber das Original erschien 1973 in Paris.) (Und das Problem des damals noch nicht genügend untersuchten Mittellateins kam für ihn natürlich schon beim Verständnis des Gemeinten hinzu.)
Bei den Germanen war es natürlich auch das Problem des Forschungsstandes. Aber die vorgenommenen Abschätzungen wiesen doch auch den Weg, selbst wenn sie auf falschen Voraussetzungen für die Zahlen beruhten. Sein größter Fehler war von Wirtschaftsformen des 19. Jahrhunderts auszugehen. Was er als Viehbestand eines ganzen Dorfes bezeichnete, stand in den Ställen so mancher ausgegrabener Wohnstallhäuser schon einzeln, weil damals hierzulande eben die Viehwirtschaft gegenüber dem Ackerbau im Vordergrund stand. Das änderte sich erst im 11. und 12. Jahrhundert, was dann die Hungersnöte während der Kleinen Eiszeit verschärfte, wodurch dann wieder der Handel eine Belebung erfuhr...
Ich bezog mich aber eher auf seine Analyse der Schlachtberichte der erzählenden Quellen, die oft genug zum Schluss kam, dass ihnen nur scheinbar Informationen zu entnehmen ist. Denken wir modern an die Schilderung der Varusschlacht durch Cassius Dio, der Eindrücke schildert, die zu jeder Schlacht passen und Topoi sowie Vorurteile zu Germanien in die Schilderung einbaut. Daraus sind schon weitgehende Schlüsse gezogen worden, die aber der Grundlage entbehren, weil sie auf den Bestandteilen seiner Schilderung beruhen, die er für Ausschmückungen benutzte. Den durchschnittlichen Wargamer mag so etwas dann auch verwirren, da der grobe Ablauf, den Dio schildert, ja als zuverlässig gilt. So etwas hemmt dann natürlich die Beschäftigung mit solchen Themen noch weiter.