Der zweite Prager Fenstersturz (Tschechien/Frankreich, 2018, Regie: Zdenek Jirasky)
Wenngleich eine Produktion von Arte und CT äußerlich ganz deutlich keine typische Arte-Doku - zum Glück!
Die Dokumentation behandelt die Zeit vom Mai 1618 bis zur Hinrichtung der böhmischen Anführer 1621. Erstaunlicherweise wird nicht näher auf den Majestätsbrief und den innerhabsburgischen Konflikt eingegangen, welcher diesen befördert hatte. Auch die politischen Strippenzieher in Wien v.a. Khlesel bleiben unerwähnt, der im \"Wallenstein\"-Mehrteiler der 1970er eine wichtige Figur war. Ausnahmsweise wird Wallenstein garnicht erwähnt. Stattdessen stehen Graf Thurn, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz und Kaiser Ferdinand II. im Fokus.
Es gibt zahlreiche Spielszenen, aber diese auf einem erstaunlich hohen Niveau. Die Frisuren, Drehorte und Kostüme sehen exquisit aus, ich würde sagen, sogar besser als beim Wallenstein-4-Teiler von 1979, der bis jetzt Maß aller Dinge blieb. Fantastisch sind Details wie die Spiele, korrekte Tonpfeifen, Kutschen etc., die vorkommen.
Es kommen Historiker verschiedener Länder zu Wort, bei militärischen Aspekten der Militärhistoriker Peter H. Wilson, dessen Werk zu dem Krieg scheinbar mittlerweile Standardliteratur geworden ist. Die Kommentare analysieren auch recht scharf und deutlich die Fehler der verschiedenen Seiten. Vielleicht da die Doku eine tschechische ist, findet auch der Werdegang der Allianz zwischen Maximilian von Bayern und Ferdinand II. keine nähere Erwähnung.
Gezeigt werden auch zahlreiche zeitgenössische, sehr selten historistische Darstellungen der wesentlichen Ereignisse und Protagonisten, so dass man auch gut erkennen konnte wie akribisch die Frisuren bspw. den Charakteren nachempfunden wurden.
Trotz des vielen, was nicht vorkommt, wurde in die 85 min. schon eine Menge wissenswertes gepackt. Ja, der Schwerpunkt hier in der Doku auf die Fehler des reformierten Kurfürsten von der Pfalz in Böhmen, die zu einer Entfremdung seiner Untertanen mit dem König führten, sind sogar erfrischend.
Selbst die Schauspieler fand ich bemerkenswert gut.
Unbedingt m.E. sehenswert.
Derzeit noch in Arte-Mediathek zu sehen.