Viel dazu zu schreiben, wäre kaum ein Problem, aber Metatron hat eine kleine Serie dazu gestartet, bisher zwei Folgen. Ich bin nicht in allem seiner Meinung, aber die Quellen dazu sind auch gar nicht ausreichend, um alles zu entscheiden. Hier der Link zu seinem Kanal:
https://www.youtube.com/channel/UCIjGKyrdT4Gja0VLO40RlOw/videosNur eine Bemerkung zum Latein: In Vielem klang das klassische Latein eher wie Deutsch. Eine Ausnahme sind z.B. die Plosive, die unbehaucht waren -ja, im Westfälischen gibt es das- und der Glottisschlag vor Vokal am Wortanfang dürfte auch gefehlt haben. Eine "italienische" oder "deutsche" Aussprache wäre von einem Römer sicher als "barbarisch" eingeordnet worden. Solange sie sich bemühen, das klassische Latein nachzuahmen, und sich nicht für irgendeine nationale Schulaussprache entscheiden wie in 'Gladiator' finde ich es jedenfalls toll. Schwer ist auch die Betonung. Hier ist der Trailer besonders grottig, es ist aber auch schwierig. 'Roma' wird z.B. immer auf der ersten Silbe betont, wie alle anderen zweisilbigen Wörter auch. Und die Silbenlängen sollten auch dann gesprochen werden, wenn die Silbe im Lateinunterricht nur 'positionslang' ist. Selbst ausgebildeten Schauspielern würde die klassische Lateinaussprache ohne Training sauer aufstoßen.
Hier haben wir also schon mal einen Punkt, an dem eine wirklich historische Darstellung kaum zu erreichen ist. Dennoch wird ein gewisser Anspruch sichtbar, wodurch sich die Serie offensichtlich von anderen unterscheiden will. Daher ist es nur selbstverständlich, zu schauen, in wie weit sie es geschafft haben.
Auf der anderen Seite sind dann Serien und Filme, die so krass daneben liegen, dass der Informierte sie sich nicht anschauen kann, ohne immer wieder aus der Handlung gerissen zu werden. Das ist dann kein Genuss und hat auch nichts von Unterhaltung. Da zieht dann ganz einfach das Argument nicht, dass es nur um Unterhaltung geht, weil diese eben durch die Fehler verhindert wird. Und die Berufung auf Nichtbildung ist natürlich auch kein gültiges Argument. Früher haben Autore und Regisseure noch die entscheidende Literatur gelesen, wenn sie ein 'historisches' Projekt starteten und die wichtigste Aufgabe der herangezogenen Experten war es, diese Literatur nennen oder sogar beschaffen zu können. Denn in der Regel braucht es gar nicht soviel Lesestoff, um etwas annehmbares zu schaffen. Heute scheint das eine Ausnahme zu sein und die Namen der Experten dienen dem Marketing.
Zu Arminius und der Varusschlacht gibt es da vor allem anderen Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald - Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008, mittlerweile gibt es überarbeitete Neuauflagen. Das Buch ist gut und noch verständlich geschrieben, aber ebenso für Studenten ideal, die sich ins Thema einarbeiten wollen. Das Buch nimmt bei den zum Zeitpunkt des Erscheinens aktuellen Streitpunkten meist einen neutralen Standpunkt ein, obwohl der Autor dazu an anderem Ort durchaus seine Meinung zu sagen wusste. Doch Wolters wollte eben eine "transparente Orientierung über den aktuellen Stand unseres Wissens" geben. Ohne das Kapitel zum Nachleben sind es 173 Seiten, mit 210. Und bei Reclam ist ein Heftchen mit den Quellen zur Schlacht erschienen (Varus, Varus! Antike Texte zur Schlacht im Teutoburger Wald.)
Wer die beiden Titel gelesen hat, kann gar nicht mehr vollkommen daneben liegen, wenn er nicht beschließt, sie zu ignorieren.
Was die Ausstattung anbelangt gibt es ja mittlerweile tolle Wargaming-Literatur, deren Exemplare ja auch nicht gerade dick sind und bezüglich des Lateins braucht man sowieso einen Lateiner. Da wäre mal interessant, wer die Texte geschrieben und die Schauspieler angelernt hat.
Und dann kommt die Notwendigkeit einer Story. Dass Arminius als Geisel nach Rom ging, hat sich der Historiker Ernst Hohl schlicht und einfach ausgedacht, noch dazu als (unzulässige) Hilfshypothese, um seine Theorie zur Biographie des Arminius zu retten. Ein Historiker, der das übernimmt macht sich angreifbar. Für einen historischen Film bleibt es aber eine mögliche Story. Schließlich sind die Quellenstellen bei Tacitus und Velleius über das Leben des Arminius vor der Schlacht so kurz und dunkel, dass ein Roman- oder Drehbuchautor nicht daran vorbeikommt, sich etwas auszudenken. Velleius Paterculus etwa bezeichnet Arminius als "ständigen Begleiter unseres früheren Felddienstes". Es ist durchaus umstritten, ob Velleius damit seine eigene Karriere, wie die angeführte Übersetzung nahelegt, oder allgemeiner den Dienst für Rom meinte. Hohl machte daraus, dass Arminius wie Velleius eine ritterliche Militärlaufbahn einschlug (wie es sie unter Augustus so entwickelt noch gar nicht gab), weshalb es nötig ist, zu erklären, warum Arminius schon zu Beginn der Karriere römischer Ritter ist, während sein Bruder nur einfacher Bürger war (Noch so eine, allerdings besser begründete Vermutung). Also musste er nach Rom gekommen und bei Hofe aufgefallen sein, damit die Theorie bestehen bleiben kann. Nicht gerade historisch also. Aber vollkommen legitim, um eine Story zu Arminius Vorleben zu erhalten.
Es geht eben immer um das Spannungsfeld zwischen Historie und Fantasie, wenn es um 'historische' Romane und Filme geht. Irgendwo muss man von der Historie abweichen. Bei den besten Werken geschieht das bewusst; denken wir nur an den Film 'Lawrence von Arabien'. Felix Dahn und auch Victor von Scheffel haben gleich zu Beginn ihrer berühmten historischen Romane die Vorstellung karikiert, dass sie alles schildern können, "wie es wirklich gewesen ist".
Wenn natürlich ein Film oder eine Serie als Fantasy mit gewissen historischen Anklängen beworben wird, dann ist das etwas völlig anderes. Aber wenn ich mir etwas ansehe, dass mit dem Adjektiv "historisch" beworben wird, dann habe ich die berechtigte Erwartung keinen vollkommenen Quatsch zu sehen. Wobei die Geschmäcker, wo der vollkommene Quatsch beginnt, natürlich auch wieder verschieden sein dürften.