In der Sache gebe ich Angrist 100% recht. Eines würde ich aber gerne noch ansprechen:
In die Flanke einer Einheit kam man nicht nur wenn man irgendwie gedeckt war, sondern bei Kavallerie einfach aufgrund der Schnelligkeit der Einheit. Da nützte es wenig, wenn da ein paar Leute plötzlich riefen \"hey, da kommen welche von der Seite!\" Da konnte es schon zu spät sein.
Ich bin nicht überzeugt davon, dass die Schnelligkeit der Reiterei beim Ansturm der alleinige Grund ist, warum Flankenangriffe funktionieren. Ich denke, das wolltest du auch nicht damit sagen, aber es hat mich zum Nachdenken gebracht.
Als friedlicher Mensch von heute der fröhlich Zinnfiguren auf dem Tabgletop herumschiebt kann man sicherlich nicht alles nachvollziehen, was in Realität auf Schlachtfeldern passiert ist, aber ich werfe hier einfach mal ein paar Thesen in den Raum. Ich will hier niemanden wiederlegen o.Ä., ich sinniere nur so vor mich hin und versuche mir ein klares Bild zu machen das stimmen mag oder auch nicht.
Warum funktioniert der Flankenangriff überhaupt? Ist die Schnelligkeit ist für den Flankenangriff an sich entscheidend?
Natürlich ist Schnelligkeit wichtig, um in die Position für einen Flankenangriff zu kommen, aber ob der Angriff nun schneller oder langsamer durchgeführt wird halte ich für relativ unbedeutend. Ich denke, man wird mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass bei dem Großteil aller historischen Flankenangriffe das Ziel bereits nach vorne gebunden war. Gebunden bedeutet hier nicht zwangsweise ein Handgemenge. In den Fällen, in denen das nicht so war müssen mehrere Faktoren das möglich gemacht haben. Eine feindliche EInheit vor der eigenen Front, die in irgendeiner Art und Weise gefährlich werden kann, sei es durch Beschuß oder Vorrücken auf Sturmreichweite sollte mehr als genügen um durch Todesgefahr beunruhigte Menschenmassen in ihrer Aufmerksamkeit zu fesseln. Dies wird verstärkt durch die männliche Stressreaktion, die man Tunnelblick nennt. Fühlt der Mensch sich bedroht, dann schaltet er instinktiv auf Jagdmodus um und das bedeutet höchste Konzentration auf eine einzige Sache.(Das Wild) Die Körperchemie dreht richtig auf und das Mittelhirn schaltet sich vor das Großhirn. (Ein eindeutiger Hinweis ist der Verlust jeglichen Zeitgefühls, der sich so häufig in Erlebnisberichten von Veteranen wiederfinden lässt.) Es verhindert, dass komplexere Gedankenkonstruktionen, wie Abwägen, Zögern, Zukunftserwartungen etc zwischen Reiz und Reaktion treten. Jetzt tritt ein weiterer Effekt hinzu. Herdenbewegungen. Jeder, der einmal einen Schwarm Vögel hat auffliegen sehen wird verstehen, was da genau passiert. DIe individuellen Tiere sehen den Grund der Reaktion nicht und haben ihn evtl. nicht einmal bemerkt. Sie reagieren schlichtweg wie das nächste Tier und koordinieren ihre Bewegungen an diesem. Andernfalls würde es in jeder Fußgängerzone, bei jeder Demonstration und im Straßenverkehr ununterbrochen zu Massenkarambolagen kommen. Nun werfen wir ein Blick auf die Umgebung. Lärm, Staub, Vordermänner, die die Sicht versperren, unebener Untergrund, der beachtet werden muss (nur wenige Schlachten finden auf gepflasterten Plätzen statt), um nicht zu stolpern und niedergetrampelt zu werden und schließlich das Gelände mit Bodenwellen, Bäumen, Hecken, Mauern etc pp, die ebenfalls die Sicht einschränken. Man sieht also, dass es ein immenser Konzentrationsaufwand ist als Gruppe einfach nur herumzustehen oder sich gar von A nach B zu bewegen und das am Besten noch in etwas, das zumindest ansatzweise eine Formation darstellt. Selbst an Rand einer solchen Menschenmasse ist es sicher nicht leicht auch noch Zeit dafür zu finden nach Feinden außerhalb des normalen SIchtbereiches Ausschau zu halten. Schwer aber nicht unmöglich. Wurde der Feind in der Flanke dann einmal vom einzelnen Soldaten am rand der Einheit bemerkt, dann hat er das Problem, diese Information mit seinen Kameraden zu teilen. Diejenigen in seiner unmittelbaren Umgebung wird er darauf aufmerksam machen können, doch diejenigen, die tiefer in der Formation sind sind schwer zu erreichen. Angesichts der Lärmkulisse werden wahrscheinlich oft nur phyische Mittel geholfen haben. Während sich die Nachricht also Mann für Mann in der Einheit verbreitet und sich ein Teil auf den kommenden Angriff vorbereitet geht der Rest derweil seiner üblichen Tätigkeit nach und marschiert der Standarte/dem Offizier immer noch hinterher. Dies bringt die Formation naturgemäß weiter in Unordnung. Bis dann schließlich der Entscheidungsträger davon hört kann schon einige Zeit vergangen sein und dann sieht er sich dem Problem gegenüber neue Befehle zu erteilen, diese weiterzugeben und schließlich auch noch für die Ordnung zu sorgen, die nötig ist, um diese Befehle auszuführen, wie beispielsweise stehenzubeleiben und sich um 90° zu drehen, zu schwenken, ein Karree zu bilden etc. Derweil bleibt der Feind, der in seiner Front operiert, natürlich auch nicht untätig. Wenn möglich, dann sollte noch der nächst höhere Entscheidungsträger von der Änderung der SItuation und dem ungeplanten Abweichen von den gegebenen Befehle erfahren. Summa summarum: Ganz abgesehen vom psychologischen Druck sind ganz einfache, praktische Gründe gegeben, die einen Flankenangriff erfolgreich werden lassen. Diese Gründe multiplizieren sich bei großen und engen Formationen und steigen exponential, wenn sich die fragliche Einheit in Bewegung befindet. Ob eine einmal entdeckte gegnerische Einheit nun innerhalb weniger Sekunden zum Sturmangriff mit Lanzen antritt oder eine Infanterieformation langsam und in höchster Ordnung auf eine andere ungeordnete, verwirrte und außeinandergezogene Infanterieformation trifft ist vielleicht nicht so entscheidend, wie man manchmal annimmt.
Warum dann Kavallerie?
Ich gehe hier sowohl auf die taktische Ebene wie die Strategische ein, ich hoffe das wird nicht zu verwirrend. Abgesehen von den obigen Gründen wird oft vergessen, dass Kavallerie nicht nur schneller ist als Infanterie, sondern einen weiteren immensen Vorteil Besitzt. Bessere Übersicht. Ein Teil der Konzentration (keine Karambolagen zu verursachen, nicht zu stolpern etc) wird vom Reittier übernommen und dazu kommt, dass man als Reiter eine erhöhte Position hat und dass Kavallerie oft auch in einer lockereren Formation marschiert als Infanterie, was wiederrum die Sichtverhältnisse des Einzelnen verbessert und die Reaktionszeit der gesamten Einheit auf sich verändernde Umstände verbessert. Und schlußendlich sollte man bedenken, was Clausewitz über die strategische Bedeutung der Waffengattungen und der Flankenangriffe sagt. Flankenangriffe machen einen Sieg nicht sicherer. Kräfte die gegen die Seiten wirken können nicht gegen die Front wirken. geht es nicht um Einzelne oder kleine Massen, dann könnte ja der Umfasste die Kräfte der inneren Linien nutzen. Weiterhin: Kavallerie erhöht das Vernichtungsprinzip nicht im gleichen Maße, wie es eine entsprechende Menge an Infanterie getan hätte. Angefangen mit einfachen Speeren bis hin zu Flintenkarrees gab es stets ein Mittel Kavallerie effektiv zu bekämpfen, die nur seltenst so zahlreich wie Infanterie sein kann. Jedoch, sie hat bedeutende Synergieeffekte mit der Flankenwirkung. Denn ist ein Feind schließlich geschlagen und flieht, so erhöht sowohl die Umfassung, wie auch zahlreiche Kavallerie die Wirkung des Sieges. Die meisten Männer verliert eine geschlagene Armee nicht während der Schlacht, wo sie unter normalen Umständen so gut ausgeteilt hat wie der Gegner, sondern auf der Flucht. Und bis zur Moderne ist die effektivste Waffengattung, um einen Feind zu verfolgen nunmal die Kavallerie.