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NS CI: Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten 1920-1945

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Tankred:
http://www.amazon.de/NSCI-visuelle-Erscheinungsbild-Nationalsozialisten-1920-1945/dp/3874397688/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1299250205&sr=8-1

Als Designer möchte ich Euch mal eine Leseempfehlung aussprechen über das Werk von Andreas Koop zum visuellen Erscheinungsbild der NSDAP. Erschienen ist es im Herman Schmidt Verlag Mainz, einem renommierten auf Design und Typo spezialisierten Verlag. Derzeit ist das Werk wohl nicht mehr verfügbar. Das Buch hebt sich zunächst einmal schon ganz visuell von den üblichen Wichsvorlagen für das dritte Reich ab, indem die Abbildungen eher klein und dezent gehalten sind, bis auf die Kapitelillustrationen, um eher in der Form eines reinen Corporate Design Manuals die Aspekte und Zusammenhänge der Corporate Communication zu beleuchten.
Der Autor untersucht Farben, Typografie, Symbole, Plakate, Bücher und Kalender, Uniformen, Architektur, Radio und Fernsehen und beleuchtet angenehm sachlich, welche Mittel bewusst oder unbewusst, gesteuert oder entwickelt wurden.

Als Designer haben mich insbesondere das sehr gelungene Kapitel über die Gebrochenen Schriftarten und deren Verbot durch Hitler überzeugt, oder aber auch wie Koop die Wirkungsweise von Uniformen beschreibt. Die geschichtlichen Erläuterungen sind dabei sachlich knapp gehalten und dennoch findet man genügend Anhaltspunkte, um die einzelnen Aspekte einordnen zu können. Nebenbei lernt man sehr viel z.B. darüber, dass das CD gar kein generalstabsmäßig geplantes Ding war, sondern dass es immer wieder Auswüchse, Fehlentwicklungen und Änderungen gab. Oder man lernt, dass Leute gefragt wurden, die sich mit der jeweiligen Profession einfach nur gut auskannten. Mir war zum Beispiel nicht bekannt, dass Hugo Boss die SS Uniform entwickelte.

Sehr interessant finde ich auch die Passagen, an denen der Autor beschreibt wie die damaligen Entwicklungen im Corporate Design Auswirkungen bis auf den heutigen Tag haben. Zum Beispiel entwickelten Designer für ein Militärmagazin eine Titelseite, in der das Logo des Magazins vom Fotomotiv verdeckt wird. Dieser kleine Gimmik kann heute an jedem Zeitungskiosk beobachtet werden.

Warum sollte man so einen Schinken lesen? Berufsbedingt interessiere ich mich sehr für die Manipulationsmethoden die man mit den klassischen Designmethoden erreichen kann. Die visuelle Kraft die filmschaffende, Autoren, Künstler und leider auch Neon. immer noch beschäftigt ist es meines Erachtens wert analysiert zu werden, schon um sich gegen moderne Manipulationsmethoden besser wehren zu können, sofern man das will.

Das Buch ist kein Nachschlagewerk im Stile einer Motorbuchverlag Publikation und die Texte sind sicherlich nicht umfangreich genug um Geschichtswissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Die Designgeschichte ist eine sehr junge Wissenschaft und formiert sich erst gerade. Was in diesem Zusammenhang also wissenschaftlich ist und was nicht ist wohl noch nicht so ganz klar. Aus meiner beruflichen Sicht ist die Betrachtung durchaus eine wissenschaftliche Abhandlung.

Die Umschlaggestaltung greift übrigens die Elemente der Armbinde und des typogafischen Paradigmenwechsels auf und ist mit Fingerspitzengefühl fürs Thema gestaltet.

sharku:
vielen dank für den tipp, werde mir das wohl zulegen müssen! schon sehr interessant !

Antipater:
Frank, ein toller Tipp, vielen Dank dafür!
Gerade habe ich ein Seminar hinter mir, bei dem die Studis sich mit medialen Inszenierungen in der Frühen Neuzeit auseinandergesetzt haben. Das ist ähnlich gelagert und tatsächlich ziemliches \"cutting edge\" auch der historischen Forschung. :thumbup:

Vielleicht als Ergänzung zum Thema: Wer sich parallel auch für die Prägungen von Sprache im Dritten Reich interessiert, dem sei Victor Klemperers LTI unbedingt empfohlen.

xothian:
danke fuer den tip!
ich kann mich gleich revanchieren ... eben gerade ist die 2te auflage von Der Kult um die toten Helden von Sabine Behrenbeck wieder guenstig erschienen
broschiert ist das sicherlich eine schwere lektuere mit 700 seiten aber das HC wird teuer gehandelt

nach deiner beschreibung der NS CI zu schliessen, koennte dich dieses buch auch interessieren ... meines wissens das erste werk welches in diese richtung ging ... basierend auf einer doktorarbeit (oops .. das schlimme wort ;)
inhaltlich konzentriert es sich auf den zentralen aspekt der heldenverehrung in bildlich/textueler/ritueller ausgestaltung
sehr gut recherchiert wird (etwas weniger moderner CI-Begriff als) allgemein psychologisch argumentiert, der entstehende pathos aus ritualen und design ganz grossartig seziert
kult braucht ausgestaltung, muss kommuniziert werden und in der inszenierung gipfeln

LINK
vielleicht findest du es im hugendubel/pustet etc und kannst es dir mal durchblaettern

cheers chris
ps: jaja die sache mit der schwabacher ... kann der bohrmann sagen was er will, wenn der duerer sie verwendet hat soll er mir mit seiner antiqua gestohlen bleiben ;)

Tankred:
antipater, freut mich sehr, dass das Werk vielleicht sogar seinen Weg über Dich in eine Seminarbeit finden könnte. LTI wird an mehreren Stellen in NSCI behandelt, insbesondere im Kapitel über Abkürzungen. LTI steht auf meiner To Do Liste und ist ganz logisch die Anschlusslektüre für mich.

Ob ich allerdings xothians Tipp mit dem 700 Seiten Heldenverehrungsschinken annehme, muss ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen. Aber vielen Dank für diesen Tipp, interessiert mich ebenfalls.

Übrigens, wenn Du auch ein Freund gebrochener Schriften bist wäre Fraktur mon Amour auch noch ein Lesetipp für Dich.
Fraktu Mon Amour

Übrigens zum Thema Heldenkult sei noch gesagt, dass die Blutfahne als zentrales Corporate Design Element desöfteren erwähnt wird. Es würde mich nicht wundern, wenn der Kult um die toten Helden in der Literaturliste von NSCI vorkommt.

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