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Der ferne Spiegel – das dramatische 14. Jahrhundert
Tankred:
Danke Antipater, ich hatte gehofft, dass Du das Werk einordnest und ein paar Hinweise geben kannst. Sehr interessant finde ich auch die Aspekte in der Entwicklung der soziologischen Sichtweisen, die Du erwähnt hast. Beim Lesen habe ich mich durchaus an einigen Stellen gefragt, ob man das so heute noch machen würde. Was mich wundert ist, dass Du schreibst, dass man heute quellenkritischer ist. Tuchman kam mir da durchaus gewissenhaft vor, da sie auch hie und da insbesondere in den Fußnoten die Quellen erläuterte. Ist das quantitativ heute mehr oder auch qualitativ oder vermutlich beides?
Koppi (thrifles):
Quasi in der gleichen Zeit entstanden und auch sehr geeignet einem die Lebensumstände des Mittelalters näher zu bringen, ist das Werk von Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter.
Hatte die beiden Bücher Mitte der 80er fast parallel gelesen, und kann Dir dieses Buch auch empfehlen, wenn Du stärker in die \"\"Sichtweise von unten\" einsteigen willst. Die Tuchmann liest sich allerdings leichter. Logisch: Pulitzer Preisträgerin versus deutscher Mediävist.
Antipater:
--- Zitat von: \'Tankred\',index.php?page=Thread&postID=89890#post89890 ---Danke Antipater, ich hatte gehofft, dass Du das Werk einordnest und ein paar Hinweise geben kannst. Sehr interessant finde ich auch die Aspekte in der Entwicklung der soziologischen Sichtweisen, die Du erwähnt hast. Beim Lesen habe ich mich durchaus an einigen Stellen gefragt, ob man das so heute noch machen würde. Was mich wundert ist, dass Du schreibst, dass man heute quellenkritischer ist. Tuchman kam mir da durchaus gewissenhaft vor, da sie auch hie und da insbesondere in den Fußnoten die Quellen erläuterte. Ist das quantitativ heute mehr oder auch qualitativ oder vermutlich beides?
--- Ende Zitat ---
Quellenkritisch heißt, dass man Quellen nicht rein inhaltlich interpretiert, sondern sich auch mit ihrer Struktur und ihren Bedingungen auseinandersetzt. Also etwa: Wer schrieb an wen gerichtet unter welchen Umständen was für eine Art Text - und warum?
Zu Tuchmans Zeit (oder eigentlich wird das heute auch noch immer wieder gemacht) hat man Quellen vor allem positivistisch gelesen. D.h. mit der Grundannahme, dass alles irgendwie \"wahr\" ist oder sich zumindest in ein Verhältnis zwischen \"wahr\" und \"falsch\" einordnen lässt.
So entstand dann z.B. das Bild von den Rittern, die ihre eigene \"wahre\" Wirklichkeit mit \"falschen\" ritterlichen Idealen zu bemänteln versuchten. Damit verkauft man die Menschen früher eigentlich für dumm: Weil man unterstellt, dass sie solche \"Lügen\" noch nicht durchschauen konnten oder wollten. Das sind Urteile aus Selbstüberschätzung. Und besser sollte man deshalb danach fragen, warum das scheinbar Falsche für wahr gehalten werden konnte. Die entsprechenden Strategien erschließen sich am besten durch, wiederum, Quellenkritik - die, wie gesagt, auch keine neue Erfindung ist.
Wellington:
Ich finde das Buch auch sehr gut, aber Antipaters Erläuterungen sind schon ne interessante Hintergrundinfo, vielen Dank!
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