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1812 - Napoleons Russlandfeldzug

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Scarface:
Ich empfehle wirklich, das Buch selbst zu lesen. Der Feldzug war eben nicht minutiös vorbereitet, jedenfalls nicht umfassend. Einzelne Elemente mögen perfekt geplant gewesen sein, andere Aspekte wurden völlig außer Acht gelassen. Ganz im Gegensatz zu früheren napoleonischen Feldzügen, so der Autor. Besonders als die Tiefe des russischen Raums durchquert werden musste, gab es große Versorgungs-Probleme. Die französische Artillerie war der russischen deutlich unterlegen. Außerdem, so der Autor, war eine der militärisch-strategisch gravierendsten Folgen der Verlust eines großen Teils der Kavallerie, durch Feindeinwirkung und den Winter. Dieser Verlust an Militär-Pferden konnte bis 1815 nicht mehr ausgeglichen werden. Arroganz (besonders seitens der Franzosen gegenüber den geografischen Rahmenbedingungen) und Unfähigkeit (russischer Generalstab) kennzeichneten den Verlauf.

Tabris:

--- Zitat von: \'Scarface\',\'index.php?page=Thread&postID=117146#post117146 ---Außerdem, so der Autor, war eine der militärisch-strategisch gravierendsten Folgen der Verlust eines großen Teils der Kavallerie, durch Feindeinwirkung und den Winter. Dieser Verlust an Militär-Pferden konnte bis 1815 nicht mehr ausgeglichen werden. ...
--- Ende Zitat ---
Ein wichtiger Punkt der ,verständlicherweise, vor dem Hintergrund an Menschenlebenverlusten verschwindet aber genau daher ein eingeschränkte Verständnis in den ganzen Feldzug und die Folge daraus verwehrt.

Ich wollte jetzt das Werk auch nicht schlecht machen (auch schwer ohne es gelesen zu haben ;)) aber doch den Leser zu senibilisieren und dazu zu animieren sich erst eine Meinung zu bilden wenn er verschiedenste Perspektive verinnerlicht hat ;)

Davout:
@Scarface,
wie konkret hättest du es denn gerne? Soll ich sämtliche Beispiele einzeln nennen? Da wir gerade beim Thema Kavallerie sind. Da wirft Zamoyski die Begriffe für die Verbände dermaßen durcheinander, dass der uneingeweihte Leser völlig verwirrt wird. Sein Vorschlag, wie man es mit der Kavalleriereserve Murats besser hätte machen können offenbart ein gehöriges Maß an Unkenntnis der Thematik. Er meint nämlich, man hätte doch diese Verbände besser in Brigaden und Divisionen einteilen und auf die Infanteriekorps verteilen sollen, um sie besser versorgen zu können. Nun, logischerweise war die Kavalleriereserve natürlich in Korps, Divisionen und Brigaden eingeteilt, wobei dem Autor der Unterschied zwischen diesen Strukturen nicht so ganz klar zu sein scheint, andererseits besaßen die Infanteriekorps selbst bereits eigene Kavallerieverbände bis zu Divisionsstärke. Dieser Ausflug in den Bereich der militärischen Strukturen wirkt schon reichlich dilletantisch.
Die französische Kavallerie hatte grundsätzliche Probleme, auch unabhängig von den Pferdeverlusten in Russland. Bis dahin war sie nur in der Lage gewesen genügend Pferdeersatz zu bekommen, weil sie ständig neue erbeuten konnte. So wurden die norddeutschen Gebiete mit ihrer reichen Pferdezucht vereinnahmt, Polen war auch hilfreich, 1805 und 1806 wurden große Mengen Pferde der geschlagenen österreichischen, preußischen und sächsischen Armeen eingegliedert. Gerade die Dragonerregimenter bis hin zur Garde hätten sonst kaum noch beritten gemacht werden können. Zwischen 1809 und 1812 konnte die Kürassierwaffe in Deutschland saniert und ausgebaut werden. 1813 war die französische Kavallerie dann nicht nur mit den horrenden Verluste in Russland konfrontiert, sondern sie hatte auch ihre üblichen Ersatzquellen weitgehend verloren.
Einige ihrer Probleme waren außerdem hausgemacht. Die Ausbildung und die Pferdepflege waren häufig unter aller Sau. Kein Problem, wenn man sich ausgebildte Militärpferde nach Belieben erbeuten kann, nur wenn das nicht mehr der Fall ist, dann bricht das System zusammen. Die Leistungsfähigkeit der französichen Kavallerie war wohl generell recht mäßig. Schneller als im Trab bewegte sie sich selten, einerseits weil die Pferde zu wenig gepflegt waren, andererseits wegen der mangelnden Ausbildung, weil sonst die Verbände auseinanderbrachen. Das führte dann zur Zusammenfassung immer größerer Verbände, die dennoch nicht die gewünschte Wirkung entfalten konnten.

Die Effektivstärke wird in der Forschung keineswegs pauschal mit der Sollstärke verglichen, weil das im Bezug auf einzelne Schlachten völlig sinnfrei ist. Für Borodino gibt es durchaus auch Zahlen der Iststärke vor und nach der Schlacht. Warum hat Zamoyski die nicht benutzt und behauptet fälschlicherweise, die 30. Linie hätte am Morgen vor der Schlacht volle Stärke gehabt? Das liest sich dann eher wie die übliche journalistische Herangehensweise.

Die französische Kavallerie und Artillerie verlor ihre Pferde hauptsächlich weder durch den Winter noch durch Feindeinwirkungen. Der Hauptgrund war die unzureichende Versorgung bereits auf dem Vormarsch, die übrigens ähnlich für die Menschen von Napoleons Hauptmacht galt. Als beim Rückzug nochmals viele Pferde wegen für den Winter ungeeigneten Beschlags umkamen, waren die meisten Tiere sowieso schon verendet.

Die Erkrankungen Napoleons kann man auch überbewerten. Mit zunehmendem Alter dürfte sich sein Zustand nicht gebessert haben, dennoch war er in der Lage auch nach 1812 noch brilliante Aktionen durchzuführen.

Wenn ich ein Werk zum Russlandfeldzug wirklich empfehlen kann dann ist es Jörg Titzes \"1812- Die Sachsen in Rußland\", wo aufgrund von Aktenmaterial und Memoiren die spezifischen Bedingungen dieses Feldzuges herausgearbeitet worden sind. Das ist wesentlich erhellender als so manche Kaffeesatzleserei ohne Sachkenntnis.

Grüße

Davout

Werit:
Mir gefällt das Buch, sehr gut zu lesen. Genau richtig für den Urlaub^^

GeDa:
Also ich bin mitlerweile dabei \"Russland gegen Napoleon\" zu lesen, wobei ich vorher das von Zamoyski durch hatte.
Gefallen haben mir alle beide. Das 2. schildert die Sache eben eher Pro-Russisch.

Aber alle mal noch besser als Chandler ;).

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