Ich habe nun auch begonnen Euer Werk Nr.4 zu hören und habe gerade den Teil über Ritterlichkeit im Luftkampf WK 1 hinter mich gebracht.
Zu dem Abschnitt muß und will ich Euch natürlich zu gestehen das keiner von uns eine fundierte historische Bildung vorweisen kann und auch Euer Hinweiß auf dem Stammtischcharakter habe ich wahrgenommen, trotzdem muß, bzw. möchte, ich hier doch die etwas grobe Kelle anmahnen mit der hier gearbeitet wurde. Es geht mir nicht mal um direkte Falschaussagen, sondern um den Maßstab den man hier, meiner Meinung nach, völlig aus den Augen verloren hat, da wir über einen Zeitraum von vier Jahren mit rasanter Entwicklung in einem, bis dato, völlig unbekannten Bereich sprechen. Außerdem fehlte, ..mir, eine Definition was genau mit \"Ritterlichkeit\" gemeint war und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren das jeder eine eigene Auffassung dazu hatte.
Der Wikipediaeintrag zu \"Fliegerass\" schreibt dazu folgendes:
Seit der Entstehung der Jagdflugzeuge und nach der Einführung starr nach vorne gerichteter Bordbewaffnung stehen deren Piloten im Blickfeld der Propaganda. Teilweise wurde die Tradition der romantischen Heldenverklärung des Mittelalters auf die „Ritter der Lüfte“ übertragen. Tatsächlich wurden die ersten militärischen Kampffliegereinheiten aus Kavallerieeinheiten gebildet und übernahmen deren Verbandsbezeichnungen wie Rotte, Staffel und Geschwader. Die Übernahme ritterlicher Tugenden in eine Zeit des industrialisierten Krieges entsprach offenbar dem Bedürfnis, der Entmenschlichung des Krieges entgegenzuwirken. Nicht selten wurden Luftkämpfe als fairer Zweikampf dargestellt, bei dem der zur Gegenwehr unfähige Gegner pardoniert wurde.
Solche Darstellungen, wie zum Beispiel der von Ernst Udet beschriebene Luftkampf gegen Georges Guynemer 1917, hielten zwar der historischen Prüfung nicht stand, wurden aber von der Presse und der Filmindustrie der Zwischenkriegszeit aufgenommen.Die \"Ritterlichkeit\" fußt hier also nicht nur auf dem Verhalten des/der Piloten sondern auch auf dem Aufbau, Herkunft und den Traditionen der Einheiten. Daß das außerdem reinstes Propagandagold ist, ist natürlich auch jedem klar. Die Herkunft der Piloten, zumindest zu Beginn des Krieges, spielt hier genauso eine Rolle, wie Tankred das schon angedeutet hat und auch die Unterscheidung zwischen den Fußlatschern und anderen Herren \"hoch zu Roß\", die es seit dem Ritter gab.
Völlig richtig ist natürlich das sich niemand aus dem Luftkampf zurückgehalten hat wenn es eine 2-4 Situation, oder ähnliches gab, wobei ich auch hier mir nicht sicher bin wer genau festgelegt hat das dieser Punkt in der Definition \"Ritterlichkeit\" festgehalten ist, da ,meines Erachtens, die Gegner nicht besiegt sind oder um Pardon gebeten haben. Tankreds Beispiel einem besiegten Gegner dagegen die Notlandung zu verweigern und damit unnötig kein Pardon zu geben, ist im meinem Katalog dagegen definitiv unritterlich, wobei unritterlich eigentlich falsch ist, es ist unmenschlich. Es ist eben ein Unterschied, laut meiner Bundeswehrrechtsbelehrung auch (völker?)rechtlich, ob man einen bewaffneten Kombatanten im Kampf erschießt oder einen unbewaffneten Gegner, der sich ergeben hat, hinrichtet. Auch z.B. zum Thema Ritterlichkeit werden immer wieder aufgeführt das über französischen Gebiet gefallene deutsche Piloten mit militärischen Ehren beigesetzt wurden und/oder persönliche Gegenstände nach Deutschland geschickt wurden. (auch hier sollte man die persönliche Definitionen von \"Ritterlichkeit\" nicht überbewerten, sondern den Versuch sich nach einem ungeschrieben Ehrenkodex zu verhalten wahrnehmen)
Zum Thema Propaganda darf man auch nicht vergessen das nicht nur wir die Medien sondern auch die Medien uns formen, junge Jagdflieger die einem, in der Propaganda als aüßerst ritterlich dargestellen, von Richthofen nacheifern, dürften diese Ideale zumindest auch im Kopf gehabt haben wenn sie selber geflogen sind. Wie lange sei daheingestellt und hier kommen wir aber auch zum Thema des Zeitrahmens: Die Zusammensetzung der Geschwader und die Persönlichkeiten der Piltoen verändern sich natürlich innerhalb vier Jahre Krieg durch Ausfälle und Neubesetzungen aus Personen die sich nicht mit diesem Ideal identifizieren oder Personen die desillusioniert das Ideal wieder aufgeben, bzw. durch steigenden Druck durch den ggf. negativen Kriegsverlauf, Verluste von Freunden oder psychischer Probleme (ebenfalls gutes Stichwort von Tankred: der Alkoholkonsum der Piloten) für nicht mehr haltbar erachtet.
Aber auch der Gesamtverlauf ist hier nicht so einfach: Ein Boelcke war (wohl) ein völlig anderer Charakter als ein Lothar von Richthofen
Angebliche Anektode:
Überliefert ist aus dieser Zeit eine Geschichte vom 28. August 1915. Boelcke rettete einem französischen Jungen, der in einen Kanal gefallen war, das Leben. Er sprang in den Kanal und holte den Jungen aus dem Wasser. Dafür erhielt er die Rettungsmedaille am Band (Preußen), die er später stolz neben seinen anderen Auszeichnungen getragen hat.und es gab auch Berichte von einem namentlichen deutschen Jagdflieger der getroffene feindlliche Piloten bis zum Boden verfolgt hat um die Zerstörung sicherzustellen und damit die Zustimmung wie Ablehnung anderer Piloten geerntet hat (hier fehlt mir leider die Quelle und der Name, aber ich versuche sie nachzreichen)
Boelcke war Teil der Zeit als die Feldfliegerei sich zur Jagdfliegerei entwickelte, ein Zusammentreffen zwischen ihm und z.B. Guynemer in 1917 wird aus allen möglichen Faktoren (keine Unterbrechergetriebe, noch kein Luftkampfauftrag usw usf.) anders abgelaufen sein als ein Treffen zweier Staffeln kriegsmüder und verbitterter Piloten in 1918.
Eine Allgemeinaussage das der WK 1 Luftkampf ritterlich gewesen ist, ist, meines Erachtungs genauso falsch wie die die gegenteilige Aussage das besagte Ritterlichkeit reine Propaganda war. Es ist, wieder meines Erachtens, unabstreitbar daß das Thema \"Ritter\", aus verschiedenen Gründen entstand und verwendet wurde Sehr gutes Stichwort im Podcast dazu: Das Tragen von \"Wappen\" auf den Maschinen um sich zu identifizieren, wobei das eine sehr deutsche Sache war, die Allierten haben das, nach meinem Wissen, nur sehr begrenzt gemacht. Dieses große Thema rein auf den persönlich definierten Anspruch ritterlichen Verhaltens zu reduzieren und dann auch von allen Beteiligten zu erwarten halte ich für .. sehr ungenau.
Nachtrag am Rande: Die Aussage oder Andeutung das alle Mitglieder von Richtohofens Jagdgeschwaders fragwürdige Charaktere gewesen seien weil der der Nachfolger von Richtohofens Nachfolger ein Herr war, der dreißg(!) Jahre später mal Reichswald- und Jägermeister werden sollte, halte ich für fragwürdig.
Langer Monolog, wie lautet nun das Fazit: Auch wenn ich persönlich kein Fan der Ausscheifungen in die moralischen Diskussionen bin, so scheinen sie ja anzukommen und sollten ruhig auch weiter Teil des Programms sein, ich würde mir aber persönlich eine etwas weniger grobe Kelle hier und da wünschen.
Nichtsdestotrotz: Cheers für die neue Episode
