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Warum Sturmgewehre nicht früher?

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SisterMaryNapalm:
Moin,

Der Grund für die späte Entwicklung ist meiner Meinung nach zum Teil auch  in der recht unterschiedlichen Doktrin, bzw. dem Aufgabenspektrum der verschiedenen Waffensysteme (hier namentlich den Gewehren und den Maschinenpistolen) zu suchen.

Ich poste einmal kurz eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Typen, die ich mal für einen Text über den 2. Weltkrieg gemacht habe. Dort finden sich die Erklärungen,wie ich sie verstanden habe. Ich hoffe, ich schieße damit nicht zu weit am Thema vorbei.

Gewehre: Ursprünglich als Begriff für Waffen jeder Art, wurde das „Gewehr“ bald Begriff für lange Feuerwaffen, die aus den Handrohren des 1300 Jahrhunderts hervorgingen.
Zuerst noch als Vorderlader konzipiert, wurden die Gewehre im Laufe der Jahrhunderte immer mehr zu Rückladern, bis dann im Jahre 1860 das erste mit „modernen“ Patronen aufmunitionierte Gewehr eingesetzt wurde. Unterschiedliche Arten von Gewehren (zum Beispiel das schwere Infanteriegewehr oder der leichtere Karabiner) wurden zu Vertretern einer langen Reihe von Fernkampffeuerwaffen, deren Einsatz auf den frühen Schlachtfeldern des zwanzigsten Jahrhunderts seinen Höhepunkt fand.

Maschinenpistole: Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde deutlich, dass die Karabiner und Infanteriegewehre in den Grabenkämpfen an der West- und Ostfront eine viel zu geringe Leistung zeigten, als dass man sie in den oft sekundenschnellen Kämpfen hätte effektiv einsetzen können.
Die Konsequenz daraus war die Weiterentwicklung der Selbstladepistolen, mit denen die Soldaten in den engen Schützengräben besser hantieren und feuern konnten. Die Maschinenpistole wurde geboren. Bereits um 1914 besaßen die italienischen Streitkräfte solch eine Waffe, die jedoch viel zu schwer zu handhaben war und recht schnell ausgemustert wurde.
Erst zum Ende des Ersten Weltkriegs entwickelten die Deutschen die erste wirklich einsatzfähige Maschinenpistole MP18. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Maschinenpistolen zu Standardwaffen in allen Streitkräften.

Sturmgewehre: Im Laufe des Zweiten Weltkriegs stellte sich heraus, dass die manuell zu repetierenden Gewehre zu kleine Magazine und zu lange Ladezeiten benötigten, um sich bei feindlichen Sturmangriffen behaupten zu können und die Maschinenpistole zu wenig Durchschlagskraft besaß, um auf große Entfernungen effektiv zu wirken.
Aufgrund dieser Tatsache entwickelten deutsche Ingenieure die ersten Maschinenkarabiner, mit denen Reichweite und Feuerkraft des Karabiners und die Magazinzuladung sowie die Geschwindigkeit der Maschinenpistole verbunden wurden. Die erste dieser Waffen wurde das Sturmgewehr 44, das den Namen der Waffengattung prägte.

Das wohl bekannteste Sturmgewehr des Zweiten Weltkriegs resultierte eigentlich aus der Forderung des Heereswaffenamtes nach einer neuen Infanteriewaffe, deren Bewaffnung aus 7,92 mm-Munition mit reduzierter Leistung bestehen sollte, da die in den Infanteriegewehren verwendete Munition des Kalibers  7,92 x 57 mm mit der Zeit als zu groß und zu schwer für normale Infanteriegewehre angesehen wurde.
So entwickelten die Firmen Haenel und Walther unabhängig Modelle für den neuen Maschinenkarabiner (MKb) 42, der zu Teilen die Karabiner, Maschinenpistolen, Maschinen- und Selbstladegewehre in den Reihen der Wehrmacht ablösen sollte und dabei mit der Mittelpatrone 7,92 x 33 mm (Pistolenpatrone) in Sachen Leistung zwischen den Pistolen und Gewehren liegen sollte.
Haenels Variante, obwohl schwerer und unpräziser als das Modell von Walther, bot eine höhere Zuverlässigkeit und wurde aus diesem Grund schließlich, und nach einigen Verbesserungen, zur Serienproduktion durch das Heereswaffenamt freigegeben.
Obwohl Hitler den Einsatz des neuen MKb ablehnte, wurde im Jahr 1943 die erste große Truppenerprobung der neuen Waffe an der Ostfront durchgeführt.
Aufgrund der positiven Rückmeldungen der Frontsoldaten gelang es schließlich doch, den Führer umzustimmen und der Maschinenkarabiner wurde nun offiziell produziert.
Im Jahr 1944 erfolgte dann, vermutlich auf Initiative des Propagandaministeriums, die Umbenennung des MKb in Sturmgewehr 44.
Obwohl bis zum Kriegsende nur 424.000 Sturmgewehre produziert wurden, erlangte die Waffe schnell Berühmtheit, vor allem, weil sie die bis dorthin wohl beste und effektivste Waffe darstellte.
Man konnte mit ihr auf bis zu 400 Meter mit Einzelfeuer kämpfen und danach über einen Kippschal-ter auf Dauerfeuer umschalten.
Mit einer Kadenz von gut 500 Schuss pro Minute und einem Gewicht von 4,62 Kilogramm kann man das Sturmgewehr 44 so als Urmutter der modernen Sturmgewehre bezeichnen, auch wenn es mit keinem heutigen Gewehr verwandt ist (auch nicht der AK 47).

Hoffe, damit gebe ich keine neuen Rätsel auf ;-D

Knochensack

Black Guardian:
Ich glaube die meisten und wichtigsten Gründe wurden schon benannt.

Die Tatsache, dass die Einführung trotz vorhandener technischer Grundlagen erst zu Ende des zweiten Weltkrieg erfolgte, lässt sich vermutlich hauptsächlich auf die vorherrschenden Militärdoktrinen und deren evolutionäre Weiterentwicklung zurückführen. Wie Knochensack schon so schön beschrieben hat, waren Gewehre \"schon immer\" die Standardfeuerwaffe der Infanterie. Ihre Form und Funktion entwickelte sich ständig weiter, aber hätten die Generäle im frühen 20. Jahrhundert den Vorschlag gehört, ein automatisches Infanteriegewehr zu bauen, hätten die meisten wohl eher gefragt, wozu das gut sein soll - dafür gab es schließlich schon das MG und der Infanterist ist sowieso nicht dazu da, um automatisches oder schnelles Feuer zu geben. Der Munitionsverbrauch als potentielles Gegenargument der Generalität wurde ja ebenfalls schon erwähnt.

Eine solche Waffe gegen das vorherrschende Standardmodell durchzusetzen, ist also mit Schwierigkeiten verbunden, weil die etablierte Technik ersteinmal als mangelhaft / verbesserungsbedürftig erkannt werden muss. Dazu braucht man ausreichend Erfahrung in der Praxis und die kam eben erst während der beiden Weltkriege. Im ersten Weltkrieg wurde die Maschinenpistole als Waffe für den Grabenkampf entwickelt - in den engen und verwinkelten Gängen auch die bessere Option, da es auf sehr kurze Distanz keinen großen Unterschied in der Performance von MP und Sturmgewehr gibt bzw. die MP sogar besser abschneidet (nicht umsonst werden MPs auch heute noch bevorzugt für CQB eingesetzt, vor allem weil das Problem der Überpenetration nicht besteht). Problem erkannt, Problem gebannt. Zumindest für die Gräben des ersten Weltkriegs. Danach gab es erstmal keine weiteren großen Kriegserfahrungen, auch daher keine Weiterentwicklung des Gewehres.

Vor allem im zweiten Weltkrieg zeigte sich dann durch die dynamischeren Frontverläufe, dass Maschinenpistolen bei Gefechten in weniger befestigtem Gebiet und auf größere Entfernungen als in den engen Gräben eben nicht mehr optimal einsetzbar sind, während Standardgewehre für größere Distanzen konzipiert waren, die in der Praxis tatsächlich nur selten erreicht wurden. Erst durch die Kampferfahrungen des zweiten Weltkrieges gab es also überhaupt Grund, an der Sinnhaftigkeit des Infanteriegewehres als Standardwaffe in ausreichendem Maße zu zweifeln, dass eine Weiterentwicklung überhaupt erst in Erwägung gezogen wurde. Und nachdem dies erkannt worden war, ging es dann ja auch relativ schnell ;-)

Also etabliertes System & Militärdoktrin + Mangel an beweiskräftiger Information (Kampferfahrung).

Mandulis:
Danke für die vielen ausführlichen Antworten. Und schon hat man wieder was gelernt. :)

Sebastian77:
Guten Abend,

die Waffen wurden ja verbessert, das MG 34 mit 2-Bein und 50 Schuss Magazin war ja schon ein Entwicklungssprung. Dazu wurden die Gewehre 98 durch die kürzeren K 98 ersetzt. Die 9mm MPs kamen in großen Stückzahlen. Für nur 9 Jahre (von 36 bis 45) war das sehr viel. Dazu die wechselnden Anforderungen in Europa, Afrika und der Ostfront. Vergesst nicht, auch Grossdeutschland war ein kleines Land mit begrenzten Mitteln, es ging ja an ständiger Überforderung zu Grunde.

M. f. G. Sebastian77

Decebalus:
Ich weiß ja nicht, wie das damals in Kriegszeiten mit dem StG44 war, aber wir bekamen bei der Ausbildung am G3 ununterbrochen zu hören, dass wir Einzelfeuer einsetzen sollten.

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