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Autor Thema: Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint  (Gelesen 2053 mal)

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Decebalus

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Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint
« am: 07. Dezember 2013 - 17:32:38 »

Mir ist letztens wieder klar geworden, dass es zwei Extreme gibt, wie Wargaming-Regeln das Verhältnis zwischen Verlusten/Schaden und Kampfkraft regeln. (Ich ignoriere mal, 1. ob Schaden als Tote oder nur als sinkende Moral begriffen wird und 2. wie sie es \"notieren\", ob mit Markern oder mit der Entfernung von Figuren.) Slebstverständlich sind das die Idealtypen, viele Regeln bewegen sich irgendwo dazwischen.

Attrition: Regeln mit diesem Prinzip lassen die Kampflkraft der Einheit mehr oder minder gleichmäßig mit dem zugefügten Schaden sinken. Ab einem bestimmten Punkt ist die Einheit dann flüchtend oder zerstört.
Breakpoint: Regeln mit diesem Prinzip ignorieren die Wirkung von Schaden bis zu einem bestimmten Punkt. An diesem Punkt bricht die Einheit und flüchtet oder ist zerstört. Dieser Punkt ist entweder genau definiert oder wird zufällig (durch einen Breaktest) bestimmt.

Beispiele:
Attrition:
Grande Armeé: Einheiten haben einen Kampfwert in Würfeln wie ihre Stärkepunkte. Treffer reduzieren diese Stärkepunkte. Bei 0 ist die Einheit gebrochen. Stärkepunkte können wieder mit einem Rally gesammelt werden.
To the last Gaiter Button: Einheiten haben zwar eine feste Würfelzahl, treffen aber auf einen Wurf kleiner/gleich ihre Stärke. D.h. mit jedem Treffer, den eine Einheit bekommt, trifft sie selbst auch schlechter.
Quatre Bras: Feuer- und Kampfkraft ergeben sich aus der Größe der Einheit minus ihrer Treffer. In die absinkende Kampfkraft ist \"Ungeordnet\" als wieder zu ersetzende Stufe eingebaut.

Break Point:
Command & Colors Ancients: Einheiten haben eine Größe in Blöcken (normal 2-4). Ihre Kampfkraft ignoriert Verluste bis sie vernichtet, also die Größe auf 0 gefallen ist. (Interessanterweise hat das System allerdings einen versteckten Attrition-Effekt. Da nämlich vernichtete Einheiten zu Siegpunkten werden, zieht man auf 1 gefallene Einheiten normalerweise aus dem Kampf, um dem Gegner keinen billigen Siegpunkt zu schenken.)
Volley & Bayonet: Einheiten agieren gleich, bis sie ihre \"Lebenspunkte\" auf 0 fallen.

Interessante Sonderfälle:
Warhammer Fantasy/Ancients: Die Warhammer-Systeme haben eigentlich beides, also Attrition und Break Point getrennt. Verluste führen zum Entfernen von Figuren, damit kann man oft schlechter kämpfen (oft aber auch nicht, da ein Speerträger-Block 5 breit mit 10 Mann genauso gut kämpft wie mit 15). Der Break Point wird zufällig durch einen verwürfelten Leadership-Test erreicht. Jedoch sind beide Teile durch den Rank-Bonus verbunden. Einheiten mit mehr Verlusten haben weniger Rank-Bonus, müssen daher öfter testen.
DBA: Die einzelne Einheit in DBA aus einer Base hat scheinbar ein reines Break Point-System. Sie wird in einem extrem verlorenen Kampf vernichtet oder ist frisch wie am jüngsten Tag. Tatsächlich jedoch muss man DBA in seinen \"Kampfgruppen\" begreifen. Verlieren bedeutet, dass die Gruppen durcheinander geraten. Damit geht für zukünftige Kämpfe Kampfkraft verloren (Overlap des Gegners, Lücken, die zum Flanken führen etc.), was wiederum zur Vernichtung von Einheiten führt.
Black Powder: Die Gegenüberstellung zeigt m.E., was an Black Powder so vermurkst ist. Erstens ist der Attrition-Effekt durch Disorder/Shaken relativ gering, zweitens kommt Shaken auch erst sehr spät. Dann ist das Sinken des Kampfwertes (man trifft auf einen erschwerten Würfelwurf) ganz unglücklich mit dem Zufügen von Disorder verbunden (was auf eine gewürfelte 6 passiert, also von angeschlagenen Einheiten genauso gut wie von frischen.) Im Ergebnis entscheidet der zufällige Breaktest alles.

Würde gerne mal Eure Meinung hören, insbesondere :
- Überzeugt Euch meine Gegenüberstellung der zwei \"Idealtypen\", oder habe ich was übersehen?
- Was simuliert historischen Kampf am besten?
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vodnik

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Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint
« Antwort #1 am: 07. Dezember 2013 - 18:47:11 »

... dei DBA ist es nicht ganz o einfach wie es auf den blossen Blick aussiegt. Ein quick kill sagen wir \'mal; von Rittern gegenüber den Fusstruppen nimmt quas die maximase Attrition vorweg. Von Fusstruppen werden Plänkler fast immer zurückgedrängt oder in die Flucht getrieben, können aber nur von bestimmten Truppentypen auch umgebracht werden. Das komplexere DBMM unterscheidet sogar zwischen Hin- oder Rückrunde. Ganz weggelassen wird bei DBX Plänklerfeuer + Auswirkung auf die gegnerische Moral...

...völlig anders sind da Armati, IDG von Chris Peers oder das französische ADG, da schiesst auch so bewaffnete Reiterei, ganz abgesehen von, Wurfspeerkämpfern auf sehr kurze Distanz. Be solchen Systemen geht es ohne Attrition gas nicht...

...bei Schusswaffen spätestens, wird auch die Munition ein Faktor... bei Armati kommt noch ein weiterer Faktor dazu: entbehrliche Truppen oder Kanonenfutter... das obwohl Armati vorwiegend ohne Schusswaffen auskommt. Das Fussvolk kann eh verrecken, abe rgetötete Adlige brngen auch einen entscheidenden Moralverlust...
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...DBX-Regeln zum \'Runterladen: DBA2:2 + so... noch mehr: R19 fur\'s 19. Jahrhundert + andere Regeln...

Thomas Kluchert

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Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint
« Antwort #2 am: 07. Dezember 2013 - 19:40:01 »

Vorab: ein wirklich interessanter Text! Ich finde es immer sehr spannend, wenn man sich den Regelmechanismen mal von einer theoretischeren Seite her nähert. Das passiert nämlich meiner Meinung nach viel zu selten und bleibt allzu oft eine Gefühlssache.

 
Zitat
- Überzeugt Euch meine Gegenüberstellung der zwei \"Idealtypen\", oder habe ich was übersehen?
Auch wenn ich mir nie darüber Gedanken gemacht habe (wohl auch, weil ich zu wenige Systeme kenne), scheint mir diese Einteilung erst einmal stimmig zu sein.

 
Zitat
- Was simuliert historischen Kampf am besten?
Das ist natürlich eine sehr allgemein gestellte Frage, so dass die Antwort schon nach einer Differenzierung schreit. Für die Antike empfinde ich das Breakpointsystem als passend. Schlachten und Kämpfe bis zum letzten Mann waren die krasse Ausnahme, die Verlustraten in der Schlacht waren sehr gering. Die meisten Verluste wurden dem Feind zugefügt, wenn dieser sich zur Flucht wandte. Einheiten haben sich also selten wirklich \"abgenutzt\" (von Ausdauer mal abgesehen). Wenn eine Abteilung sich zur Flucht wandte und sich wieder sammeln konnte (etwa, weil sie nicht verfolgt wurde), hatte sie im Grunde die gleiche Kampfkraft wie zuvor, wenn man von den schwer zu berechnenden moralischen Faktoren absieht, die zudem sehr volatil waren.
Wie das in anderen Epochen aussieht, weiß ich nicht. Ich denke aber, dass die \"Attrition\" ab der Mitte des 19. Jahrhunderts an dominieren sollte, also zu der Zeit, als die Verluste durch gesteigerte Feuerkraft eine wirkliche Abnutzung der Einheiten nach sich zogen - am krassesten formuliert und praktiziert im ersten Weltkrieg.
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Frank Bauer

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Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint
« Antwort #3 am: 09. Dezember 2013 - 19:13:33 »

Interessante Frage, Frank. Ist dir die Fragestellung nach unserer kleinen Diskussion beim letzten Command & Colours Spiel eingefallen?

Wenn du die Frage stellst, welcher Spielmechanismus die \"Realität\" am besten abdeckt, kommen wir um einen kleinen Exkurs in die Militärhistorie nicht herum. Aus diversen Schlachten weiß man, (oder kann zumindest ableiten) warum Truppen / Einheiten gebrochen und vom Feld geflohen sind.
Manchmal war das eine Frage der Abnutzung, verursacht durch Erschöpfung und Verluste. Aber tatsächlich eher selten. Meist war es eher eine Frage der Moral, erstaunlich unabhängig davon, wie viele Verluste die Einheit bis zu diesem Zeitpunkt eingesteckt hatte.

Daher braucht man zum Abbilden der Realität in der Spielmechanik im Idealfall beide Mechanismen, aber der zufällige Breakpoint sollte eine höhere Gewichtung haben.
Ein starkes Element zur Abbildung der Realität müßte der Dominoeffekt im Regelmechanismus zugesprochen bekommen. Flieht eine Einheit, werden andere durch die Panik mitgerissen, was wiederum die Gefahr birgt, daß weitere Einheiten fliehen, obwohl sie erstens möglicherweise gar keinen direkten Feindkontakt haben und zweitens die Flucht der ursprünglich auslösenden, fliehenden Einheit nicht mal gesehen haben. Das wäre realistisch.
Der Schlachtverlauf wird dadurch so zufällig, wie er in der Realität auch war.

Aber macht so ein Regelmechanismus Spaß? Spielen wir nicht alle immer gerne die Garde- und Eliteeinheiten, die ungeachtet der eigenen Verluste wie ein Fels in der Brandung stehen? Oder wir feiern die Landwehreinheit, die ungeachtet jeder Wahrscheinlichkeit bereits standfest den dritten Moralwurf besteht. Wer will schon gerne seine ganze Flanke laufen sehen, nur weil eine einzelne Einheit einen Würfelwurf vergrützt hat?

Daher: Ich stehe auf Abnutzung. Scheiß auf Realität.
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Neidhart

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Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint
« Antwort #4 am: 09. Dezember 2013 - 19:59:15 »

Schöner Artikel, die beiden \"Idealtypen\" passen ganz gut und überzeugen mich.
Sehr schön auch, dass hier die besonderen Ausnahmen erwähnt werden. Damit haben wir aber auch einen Sieger, was \"Realismus\" und \"Historizität\" angeht. WAB ist der heilige Gral (oder CoE als Nachfolger, WRG 6 als Vorgänger).
- Zufälle
- Abwechslung aus Attrition und Breakpoint
- Adelige sind schlimmer Verluste als Plänkler
- fliehende Einheiten können die ganze Linie auflösen
- relativ spontan eintretender Breakpoint möglich
- dicke Eliteblöcke halten viel aus und gutes Würfeln hält auch die Levies im Spiel
 hinter alles kann ich einen Haken machen. Spielspaß und Realismus  :D
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Wellington

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Regeldesign: Attrition vs. Breakpoint
« Antwort #5 am: 09. Dezember 2013 - 22:50:33 »

Deine DArstellung kann ich unterschreiben Frank!

Mir persönlich kommt die WRG 6./WAB/COE Version am besten vor. Die Lösung bei DBA am schlechtesten.
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