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Deutsche Begeisterung für die Konföderierten-Fahne

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Decebalus:
Ich möchte hier keineswegs etwas gegen das Logo des neuen Münchner Wargaming-Clubs einwenden, es ist für mich nur der Aufhänger für etwas, was mir schon oft aufgefallen ist. Ich sehe auch die ironische Komponente in dem dicken Südstaaten-Soldaten.

Und ich spiele kein ACW, finde es auch eher etwas unspannend. Wenn ich mal was lese, habe ich durchaus auch eine leichte Neigung Richtung Süden, aber das ist wohl mehr das Interesse am \"Looser\", bzw. an dem, der trotz Unterlegenheit so lange ausgehalten hat. Und der Romantik von \"Vom Winde verweht\" kann man sich wohl auch schlecht entziehen.



Bilder und Link zum Münchner Club gelöscht.

Aber jetzt zum Thema:

Es ist auffallend, dass es in Deutschland eine gewisse sympathische Hinwendung zum US-Süden gibt: Das zeigt sich dann in einer Mischung aus Southern Rock (ZZ Top!?), BBQ und eben auch der Südstaaten (bzw. Rebellen-) Fahne. Die sieht man doch durchaus öfter, besonders nach meinem Eindruck in Schreber-Gärten. Und ich hatte immer etwas den Eindruck, dass die deutsche Message hier ist: Wir sind zwar provinziell, aber stolz darauf.

Das ist inzwischen in totalem Kontrast zur Diskussion in den USA. Spätestens nach den Morden von Charleston ist dort klar, dass die Rebellenfahne heute eine Fahne der Rassisten ist. Historisch wurden dabei übrigens noch einmal drei Punkte hervorgehoben:
1. Der US-Bürgerkrieg ist als erstes um die Frage der Sklaverei geführt worden.
2. Die Rebel-Fahne war nie die Staatsfahne der Südstaaten, sondern nur die Kriegsfahne, die nicht einmal einheitlich verwendet wurde.
3. Die Rebel-Fahne war nach dem Bürgerkireg weitgehend vergessen, und ist erst seit den 1950er Jahren als Symbol im Widerstand gegen die Schwarzenbewegung wieder entdeckt worden.

Die spannende Frage: Können wir in Deutschland eine deutlich andere Bedeutung aufrecht erhalten als in den USA?

Paintordie:
Das Münchner-Logo ist der Hammer. :D

Ich denke es kommt auf den Kontext an. Viele Leute picken sich \"coole\" Aspekte raus und verkennen den Rest.
Da besinnt man sich gerne auf das \"rebellische\" und lässt den Rassismus außen vor. In der Rassismus-Frage besteht glaub ich schon ein deutlicher Unterschied zwischen einem provinziellen Deutschen und einem provinziellen Amerikaner, auch wenns nur ist, wie frei und offen er seine Meinung kundtut.

Der stärkste Punkt ist aber vermutlich, dass die Leute deutlich schlechter über den ACW Bescheid wissen, als wir vielleicht denken - trägt wesentlich zur Verkennung bei.

Eine Frage an dich. Du hast Southern-Rock und BBQ aufgezählt, siehst du das als Beweis für die Affinität zur Südstaaten-Romantik?

Goltron:
Das finde ich jetzt eigentlich nicht. Ich denke die Südstaaten haben einen gewissen Charme, ein wenig so ähnlich wie die Schotten und wie vielleicht die Bayern in anderen Länder. Deshalb mag man sie aus einem unbestimmten Grund, vielleicht auch weil man halt den Underdog mag der sich der Übermacht entgegenstellt. Davon abgesehen steht die Fahne in gewisser maßen für eine Zeit in der Amerika halt noch das Land der Pioniere und Auswanderer war und nicht der \"große Bruder\" den es heute darstellt.


--- Zitat ---Das ist inzwischen in totalem Kontrast zur Diskussion in den USA. Spätestens nach den Morden von Charleston ist dort klar, dass die Rebellenfahne heute eine Fahne der Rassisten ist. Historisch wurden dabei übrigens noch einmal drei Punkte hervorgehoben:
--- Ende Zitat ---

Ist sie das? Ich glaube eher das sie für viele \"Südstaatler\" Tradition darstellt und man sich so eben ein wenig besondes darstellen kann. Wenn ich diese Fahne mag, was kann ich dann dafür das sie andere für Gewalttaten mißbrauchen? Das wäre jetzt irgendwo so als wenn man sagen würde alle die Lederhosen tragen sind Rassisten weil irgendwo ein paar Rechte in Lederhose eine Flüchtlingsunterkunft anzünden.

--- Zitat ---1. Der US-Bürgerkrieg ist als erstes um die Frage der Sklaverei geführt worden.
--- Ende Zitat ---

Da muss ich wirklich vehement widersprechen! An der Sklavenfrage mag sich letztlich der Krieg entzündet haben, geführt wurde dieser aber um die Frage ob Bundesstaaten wieder aus der Union austreten können.

Karma Kamileon:
Hallo Decebalus,

interessanter Denkanstoß, erstmal. Als Newcomer in der historischen Wargaming-Szene wird meine Meinung hierzu sehr subjektiv ausfallen, dazu noch weil mir hier scheinbar dein Kontext fehlt: Mir ist weder im Musik- noch im Freizeit- oder Schrebergartenbereich in deutschen Landen bisher irgendeine ungewöhnliche Neigung zur Dixie-Flagge (sage ich jetzt mal salopp, um nicht andauernd \"Kriegsflagge der Konföderierten Army of Northern Virginia\" tippen zu müssen, weil es sich hierbei schließlich, wie du korrekt sagst, nicht um die Staatsflagge der Konföderation handelt) aufgefallen. Das heißt natürlich nicht dass es den Trend, auf den du da hinweist, nicht gäbe. Nur dass ich mich wohl nicht in den Kreisen bewege, in denen sowas auffällig wäre.

Meine persönlichen zwei Eurocent dazu wären, dass das Clublogo für mich einerseits (auch schon von dir angesprochen) vor Humor und Ironie strotzt. Die genaue Denke hinter dem \"Fat Rebels\"-Clubnamen können nur die beiden Gentlemen verraten die ihn sich ausgedacht haben, aber für mich rührt das vom Bürgekriegsthema her, beinhaltet reichlich Selbstironie, verrät etwas über unsere Attitüde des Selbst-Nicht-Ernst-Nehmens (indem wir einerseits eine Kriegspartei unseres Hauptsettings, andererseits ein Tabletopperklischee durch den Kakao ziehen), und passt ganz nett weil München/Bayern ebenfalls im Süden seiner respektiven Republik liegt. Und (klischeemäßig betrachtet) die eine oder andere oberflächliche Gemeinsamkeit mit den US-Südstaaten hat. So wie leeres Stammtisch-Unabhängigkeitsgegrantel, Eigenbrötlertum, Ländlichkeit und einen gewissen Stolz \'drauf. Man gilt als Eigen.

Dazu sei noch bemerkt dass ich auch kein Bayer bin, sondern wie der gute Regulator (und damit gegenwärtig 2/3 der Bürgerkriegsfans im Club…) aus dem Ländle komme, was uns das ganze extra-augenzwinkernd betrachten lässt.

Zu deinen drei Fakten ist nichts weiter hinzuzufügen… natürlich hat die Flagge nichts in der Nähe von US-Regierungsgebäuden und staatlicher Institutionen zu suchen. Dazu sei leider noch zu sagen dass meinem Eindruck nach leider der durchschnittliche US-Dixie-Flaggenschwenker politisch unwissend oder konservativ bis rechts einzuordnen ist und reichlich bildungsfremd daherkommt, sodass solche Kontroversen vorprogrammiert sind. Solche Symbole ziehen leider immer bestimmte Typen an, auch andernorts. Soweit also mal mein Hintergrund.

Jetzt zur Romantisierung des ganzen Themas: Es gibt sie. Unabstreitbar. Jegliche Popularität der Flagge in Europa hat für mich aber keine nennenswerte Bedeutungskomponente, sondern ist rein popkulturell bedingt. Der Mensch mag auf Anhieb tendenziell den Underdog einer Geschichte, und hier liegt der Knackpunkt: (leider?) ist für uns Europäer erfahrungsgemäß der US-Brügerkrieg eher eine Geschichte als Geschichte. Eine Story. Ein Setting für Romane, Filme, Spiele (alles davon gerne \"Lost Cause\"-gefärbt, weil das den spannenderen Narrativ hergibt), zeitlich und örtlich und thematisch fern genug für diese Distanzierung, und das kriege selbst ich zu spüren, trotz Geschichtsstudium, umfangreicher faktischer Auseinandersetzung mit dem amerikanischen 19. Jahrhundert, und trotz dass der Farbige in den USA und vielen anderen Staaten der westlichen Welt noch immer vielerlei Nachteilen, Gefahren und Vorurteilen ausgesetzt ist. Siehe die jüngsten Entwicklungen. Man kann noch so aufgeklärt, dialektisch veranlagt und belesen sein, ab und an lässt man sich doch mal beim Spielen zu \'nem Rebell Yell hinreißen, oder zum einen oder anderen Ausbruch politisch inkorrekten Humors unter Freunden. Geb\' ich sofort zu.

Und ich finde man darf. Ich finde wir haben mit unserer eigenen Geschichte schwer genug zu tragen und zu kämpfen, und gerade mal wieder, aber eigentlich konstant, genug humanistisch Flagge und Stellung zu zeigen, angesichts PEGIDA und Flüchtlingsaversion und all der anderen Schreckgespenster. Da streite ich mich mit Bekannten und Freundesfreunden, gehe eine Jubeljahre auf Demos, empöre und diskutiere ich leidenschaftlich auf Facebook. Was das Thema US-Südstaaten angeht allerdings nicht. Das ist für mich ein Element meiner Freizeitbeschäftigung, und ich hätte noch nie wahrgenommen dass das Dixie-Banner irgendwo in Mitteleuropa politisch instrumentalisiert wird, oder dass europäische Farbige dahingehend zu verletzende Sensibilitäten hätten (da gibts andere Adressaten), also erlaube ich mir Distanz. Gönne mir den Luxus, dieses Hobby nicht zu politisieren, und bin dankbar für jeden Mitspieler der\'s genauso hält- Aber dadurch nicht weniger diskussionsbereit (wie man hoffentlich merkt).

Will man da aber einen Zusammenhang ziehen, schlage ich mal einen vor: Deutschamerikaner waren mit ca. 200.000 Kriegsteilnehmern die in der Unionsarmee zahlenmäßig größte ethnische Gruppe (machten grob die Hälfte des Immigrantenanteils der US-Armee aus), und hatten im Schnitt den (aus heutiger Sicht guten) Ruf aufrichtiger Abolitionisten. Das ist doch mal was. :)


PS - Zum Süden als Armeethema bin ich gekommen, weil Werit langsamer malt als Regulator, beim Einstieg in die Thematik tendierte ich zu einer Nordstaatenarmee. Aber dann wars eine Frage des Zahlenverhältnisses. :whistling: Auch das heißt nicht, dass es diese Neigungen hierzulande nicht gäbe, aber das wollte ich nicht unerwähnt lassen.


PPS - Der Kriegsgrund des US-Bürgerkriegs schlechthin war die Sezession. Der Grund für die Sezession schlechthin war die Unfähigkeit zur Einigung bei der Regelung der Aufrechterhaltung und Ausbreitung der Sklaverei in den Staaten und Territories, sowie ihrer Rechtsbasis in Nicht-Sklavenstaaten (z.b bei Verfolgung entflohener Sklaven über die Grenzen). Im weiteren Kriegsverlauf wurde die Sklavenbefreiung zu einem politischen Werkzeug des Nordens und führte zu einem Rebranding des Konflikts. Lustig: Hier heiligte das Mittel historisch mal den Zweck, und nicht umgekehrt.

tattergreis:

--- Zitat von: \'Decebalus\',\'index.php?page=Thread&postID=199716#post199716 ---Die spannende Frage: Können wir in Deutschland eine deutlich andere Bedeutung aufrecht erhalten als in den USA?
--- Ende Zitat ---
Ich denke schon, insbesondere als tabletopper. Wenn jemand in seinem Garten eine solche Fahne aufhängt, ist die Bedeutung meines Erachtens viel weniger klar, aber ein eindeutiges Bekenntnis zum Rassismus erkenne ich drin nicht.

Als Dieter Hallervorden \"Ich bin nicht Rappaport\" aufgeführt hat, rasselten Rassismusvorwürfe auf ihn nieder, insbesondere wegen des sog. blackfacing. Meines Erachtens ist blackfacing bei uns historisch nicht mit einer Rassismuskomponente verbunden, in den USA schon. Dieselben Dinge können also vollkommen unterschiedliche Bedeutungen haben (Klassiker Hakenkreuz), und deshalb finde ich den Kontext wichtiger als ein Symbol allein.

Bzgl. Gründe des ACW: Da die Südstaaten aus der Union austreten wollten, weil sie die Sklaverei aufrecht erhalten wollten, ist der Punkt doch eigentlich egal, oder?

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