Der Pub > An der Bar
Der Einfluss der Forschung auf die heutige Geschichtsschreibung, Existiert er?
Murphy:
Rückblickend auf meine eigene Schulzeit muss ich auch sagen, dass die Themengewichtung mehr als unglück war... vier Jahre hintereinander nahezu ausschließlich die NS-Zeit (nun ja eigentlich in 1. Linie das Thema \"Holocaust\" bzw. Judenverfolgung (\"Waaas? In den KZs ware auch Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunisten, Sozialdemokraten, etc.? 8| Euthanasie an Behinderten gab es auch?\"), immer und immer wieder, eine sicherere Methode junge Leute dem Thema gegenüber abzustumpfen kann ich mir nicht vorstellen.)
Die Zeit nach \'45 wurde dann im Schnelldurchgang in weniger als einem halben Schuljahr abgehandelt. :thumbdown:
J.S.:
--- Zitat ---Einige von denen gehen dann an die Unis und noch weniger studieren Geschichte. Von denen werden meistens die Lehrer, die sich für die Moderne interessieren. Viele, die letzten Endes im Lehramt landen, sind auch nicht gerade Aushängeschilder hinsichtlich Allgemeinbildung, Methodik oder Begeisterungsfähigkeit Dritter.
--- Ende Zitat ---
signed!
Echte Begeisterung für das Fach lassen nach eigener Einschätzung mindestens 80% aller Lehramstudenten ernsthaft vermissen. Meine Cousine etwa wusste zu Beginn ihres Lehramtstudiums (Geschichte wohlbemerkt) noch nicht mal wann der Zweite Weltkrieg war und ich bezweifle, dass sich daran nach 4 Semestern irgendwas geändert hat :wacko:
Da kann nicht viel bei rauskommen...
Und ich behaupte jetzt mal einfach ganz frech, dass die Forschung genau 0 Einfluss auf populärwissenschaftliche Veröffentlichungen hat, sei es im TV oder in Buch oder Magazinform. Man nehme mal das Beispiel der Römischen Kaiserzeit und was da alles lustiges geforscht wird. Experte A behauptet, dass Abschnitt B aus der Historia Augusta nicht sein kann (meistens ganz wichtige Sachverhalte.. wurde wirklich unter Septimius Severus das res privata vom patrimonium getrennt? und ähnlich bedeutende Fragen), wegen Faktum C aus irgendenem Papyrii oder was weis ich. Das kommt dann in irgendeiner Fachzeitschrift und Experte YZ wirft die These dann wieder über den Haufen :sm_pirat_confused: Naja, das geht dann so in den erleuchteten Kreisen der Professoren hin und her und irgendwann weis mans dann halt vielleicht wirklich, aber ob das den Normalbürger juckt ist was anderes.
Die wirklich elementaren Fragen zur Römerzeit wurden doch im Grunde eh schon geklärt.
Falls es noch Themen mit Klärungsbedarf gäbe, dann hängt meist einfach zu viel realpolitisches Interesse an der Auslegung der historischen Vorgänge mit dran. Beispiel? Als ich letztens in München den Hugendubel betrat wurde ich regelrecht erschlagen von Büchern zum Thema Barbaross 41\', ohne das irgendwelche neuen Erkenntnisse erkennbar gewesen wären. \"Präventivschlag\" der etablierten Forschungsmeinung sozusagen. (nicht dass ich hier irgendeine Auslegung bevorzugen würde..aber fällt mir halt als erstes grad ein, weils aktuell ist; zum leidigen endlos Thema Zweiter Weltkrieg gedenke ich so oder so keine Bücher mehr zu kaufen sm_party_kotz )
Decebalus:
--- Zitat von: \'J.S.\',index.php?page=Thread&postID=93218#post93218 ---... Als ich letztens in München den Hugendubel betrat wurde ich regelrecht erschlagen von Büchern zum Thema Barbaross 41\', ohne das irgendwelche neuen Erkenntnisse erkennbar gewesen wären. \"Präventivschlag\" der etablierten Forschungsmeinung sozusagen. (nicht dass ich hier irgendeine Auslegung bevorzugen würde..aber fällt mir halt als erstes grad ein, weils aktuell ist; zum leidigen endlos Thema Zweiter Weltkrieg gedenke ich so oder so keine Bücher mehr zu kaufen sm_party_kotz )
--- Ende Zitat ---
Als Professioneller kann ich mit der Diskussion nicht besonders viel anfangen. Aber nur als kleiner Hinweis: Habt Ihr schon bemerkt, dass sich momentan ein Buch in den Sachbuchlisten befindet, das sowohl von einem Fachhistoriker ist, als auch neue Forschung bringt - nämlich eine Auswertung der bisher unbekannten Abhörprotokolle deutscher Kriegsgefangener des Zweiten Weltkriegs!? Soviel dazu, dass da nichts passiert.
Sönke Neitzel/Harald Welzer. Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben. Hardcover. Preis € (D) 22,95
J.S.:
Ja,ich kenne das Buch, hats ja sogar in die Abendnachrichten geschafft. Damit weis man jetzt endlich, dass Soldaten im Krieg verrohen und die Deutschen Soldaten schlimme Finger waren, eine wahnsinnig neue Erkenntnis.. endlich hat das mal wer in Buchform rausgebracht. Also wer noch nicht genug vom Zweiten Weltkrieg und Opas Mörderbande hat, kann ja auch hier zuschlagen. :sleeping:
Ursus Maior:
Der Einfluss der Fachwissenschaft auf die populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen ist vielleicht geringer, als Historiker sich das wünschen, aber er ist bei Leibe nicht \"Null\". Gerade im Bereich des 2. Weltkrieges merkt man das. Als in der Wissenschaft und auch öffentlich die Präventivschlagthese Suworows diskutiert wurde. Andere Themen, wie etwa die Betrachtung der Kreuzzüge oder ähnlich \"griffige\" Themen, haben sich auch gewandelt. Die Kreuzfahrer sind mittlerweile nicht mehr die tapferen Recken, die die Heiden besiegt haben, wie noch Mitte des Jahrhunderts, sie sind auch nicht nur das Bindeglied, dass uns Seide und Orangen beschert, sondern alles wird etwas vielschichtiger betrachtet. Das braucht eben Zeit.
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