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Der Einfluss der Forschung auf die heutige Geschichtsschreibung, Existiert er?

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Poliorketes:

--- Zitat von: \'Florian\',index.php?page=Thread&postID=93369#post93369 ---Na gut, erstmal allgemein: warum hat es ein Teil der Deutschen immer noch nötig Oma und Opa in Schutz zu nehmen? Woher kommt nur das Bedürfnis dauernd zu betonen, dass andere auch grausame Dinge getan haben nur damit die \"eigenen\" Grausamkeiten, also die der eigenen Vorfahren, nicht mehr so schlimm aussehen? Als würde es irgendwas am Judenmord der Deutschen verbessern, dass Stalin auch Antisemit war, dass die Türken die Armenier massakriert haben oder es würde (um ein hier schon genanntes Beispiel zu nehmen) irgendwie den Mord an der Herero relativieren, dass es auch andere Länder gab, die sich in ihren Kolonien wie die Axt im Walde aufführten. Tut es nicht. Verbrechen bleiben Verbrechen auch wenn es viele andere Verbrecher gibt.
Ich finde es auch überhaupt nicht schwer zu akzeptieren, dass große Teile der Generation meiner Großeltern ein verbrecherisches Regime unterstützt haben, einen verbrecherischen Krieg geführt haben und an der Ermordung der Juden Europas aktiv oder durch Duldung/ Wegsehen usw. teilgenommen haben. Ich muss da nichts schönreden oder relativieren. Da war nichts schön oder relativ o.ä. daran. Das verletzt weder mein Selbstwertgefühl noch meine \"Ehre\" noch sonstwas und ich fühle mich übrigens auch in keiner Weise dazu aufgerufen mich permanent für diese Verbrechen meiner Vorfahren zu entschuldigen. Ich fühle mich allerdings dazu aufgerufen, dafür zu sorgen, dass sich sowas nicht nochmal ereignet und dazu gehört eben zuerst anzuerkennen, was war und nicht drum herum zu reden nur weil es einem vllt. nicht passt.
--- Ende Zitat ---
Du triffst hier sehr gut den Kern des Problems, das ich mit der derzeit vorherrschenden Bewertung der deutschen Geschichte und davon abweichender Meinungen habe. Es geht nicht im Geringsten darum, die Taten der Deutschen unter dem NS-Regime zu verharmlosen oder gegen die Taten anderer Kriegsteilnehmer aufzurechnen. Das ist das Totschlagargument, das immer wieder gegen Jeden vorgebracht wird, der eine Meinung hat, die von der \'Sonderweg der Deutschen-These\' abweicht. Und wenn Opa Wuttke mich deswegen auch noch als Hirni bezeichnet (sorry, Opa, aber auch wenn wir sicherlich politisch selten einer Meinung sein werden, habe ich Deine Argumentation bislang zumindest respektiert, ohne Dich als linken Spinner darzustellen, der aus 70 Jahren Kommunismus nichts gelernt hat - was ich auch hiermit ausrücklich nicht tue. Trotzdem enttäuscht mich Dein Kommentar doch sehr).

Um es nochmal deutlich zu sagen: Die Verbrechen unter dem NS-Regime sind das Schlimmste, was in der Deutschen Geschichte je passiert ist. Ich kann aber nicht akzeptieren, daß die Untaten aus 12 Jahren NS-Herrschaft nach 65 Jahren immer noch dazu herhalten müssen, jeden Deutschen mit einem bißchen Nationalstolz das Gefühl zu geben, ein verkappter Nazi zu sein. Ich will Opa und Oma nicht in Schutz nehmen, aber im Gegensatz zu manch anderem sehe ich mich nicht als etwas Besseres an, denn ich bin so ehrlich zuzugeben, daß ich nicht sagen kann ob ich anders gehandelt hätte, wenn ich 1918 statt 1968 geboren worden wäre. Und ich betone dabei noch einmal - Nazis sind der letzte Dreck!  Wenn ich also nicht die Verbrechen der Nazis mit denen der Kommunisten aufrechne, erwarte ich aber umgekehrt genauso, daß die Verbrechen eines Josef Stalin nicht verharmlost werden, weil er ja immerhin dafür gesorgt hat, daß Adolf besiegt werden konnte. Leider erreicht man mit so einer Meinung sogar Fraktionsstatus im deutschen Bundestag. Wer stellt eigentlich mal einen Verbotsantrag für die Linke angesichts der dauernden verfassungsfeindlichen Äußerungen einer Gesine Lötsch?

Statt dessen direkte Antworten auf Deine Thesen:

--- Zitat von: \'Florian\',index.php?page=Thread&postID=93369#post93369 ---Na gut, erstmal allgemein: warum hat es ein Teil der Deutschen immer noch nötig Oma und Opa in Schutz zu nehmen?
--- Ende Zitat ---
Ich sehe keinen Grund, meinen Opa in Schutz zu nehmen. Er war in der SS, und auch wenn er angeblich \'nur Kraftfahrer\' war muß meine Tante, die keinen einzigen Juden persönlich kennt, ihren Antisemitismus irgendwoher haben. Rein vom Alter her zieht für ihn auch die beliebte Entschuldigung nicht, als Wehrpflichtiger in die SS geraten zu sein. Da er aber 15 Jahre vor meiner Geburt gestorben ist, konnte ich ihn nie zur Rede stellen.


--- Zitat von: \'Florian\',index.php?page=Thread&postID=93369#post93369 ---Woher kommt nur das Bedürfnis dauernd zu betonen, dass andere auch grausame Dinge getan haben nur damit die \"eigenen\" Grausamkeiten, also die der eigenen Vorfahren, nicht mehr so schlimm aussehen?
--- Ende Zitat ---
Du unterstellst mir damit, daß ich die Naziverbrechen verharmlosen will. Bist Du nie auf die Idee gekommen, daß ich statt dessen der Tendenz, die Verbrechen eines Stalin oder Mao zu verharmlosen, entgegentreten will? Ich könnte Dir mit den gleichen Argumenten vorwerfen, daß Du die Massenmorde im Kommunismus gutheist, weil ja schließlich damit die Nazis bekämpft wurden. Das wäre allerdings absurd, oder? Es ist völlig egal, mit welcher verqueren Ideologie ein Genozid begründet wird, er ist und bleibt ein Genozid.


--- Zitat von: \'Florian\',index.php?page=Thread&postID=93369#post93369 ---Ich finde es auch überhaupt nicht schwer zu akzeptieren, dass große Teile der Generation meiner Großeltern ein verbrecherisches Regime unterstützt haben, einen verbrecherischen Krieg geführt haben und an der Ermordung der Juden Europas aktiv oder durch Duldung/ Wegsehen usw. teilgenommen haben. Ich muss da nichts schönreden oder relativieren. Da war nichts schön oder relativ o.ä. daran. Das verletzt weder mein Selbstwertgefühl noch meine \"Ehre\" noch sonstwas und ich fühle mich übrigens auch in keiner Weise dazu aufgerufen mich permanent für diese Verbrechen meiner Vorfahren zu entschuldigen. Ich fühle mich allerdings dazu aufgerufen, dafür zu sorgen, dass sich sowas nicht nochmal ereignet und dazu gehört eben zuerst anzuerkennen, was war und nicht drum herum zu reden nur weil es einem vllt. nicht passt.
--- Ende Zitat ---
Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Allerdings weigere ich mich, auch das Verhalten der Generationen davor damit gleichzusetzen.  Wilhelm II. war vielleicht eine Niete, dessen realitätsfernes Verhalten zum Tod von Millionen beigetragen hat, aber er damit nicht alleine in Europa und er war auch kein Völkermörder.


--- Zitat von: \'Florian\',index.php?page=Thread&postID=93369#post93369 ---das sagt über die Westalliierten, dass sie den Krieg gegen Deutschland und Japan gewinnen wollten, den sie nicht angefangen hatten. Und das wäre ihnen übrigens ohne die UdSSR ziemlich sicher nicht gelungen. Sonst sagt es erstmal gar nichts.
--- Ende Zitat ---
Es wurde zwar schon erwähnt, aber nochmal: Deutschland hat weder Großbritannien noch Frankreich den Krieg erklärt, und Deutschland hat Polen nicht alleine angegriffen. Das ist nicht als Verteidigung des Angriffs auf Polen gedacht, wobei selbst der nicht so unbegründet war, wie man es heute gerne darstellt. Mit dem folgenden Wüten in Polen haben wir Deutschen dann allerdings zu Recht alle Ansprüche auf polnisches Staatsgebiet verwirkt.


--- Zitat von: \'Florian\',index.php?page=Thread&postID=93369#post93369 ---Und klar, wenn zwei Leute aufeinander schießen unterscheidet sie nicht ihr momentanes Ziel, das immer das unmoralische Motiv ist, den Anderen zu töten, sondern der Grund, warum sie überhaupt in der Situation sind, aufeinander zu schießen. Und da gibt es eben einen elementaren Unterschied zwischen einem angreifenden Faschisten und einem angegriffenen Demokraten  (übrigens gilt das auch für den angegriffenen Kommunisten, denn der hat den Krieg halt auch nicht angefangen).
--- Ende Zitat ---
Weißt Du eigentlich, was Du da schreibst? Du legitimierst hier gerade Adolf Hitler. Natürlich haben die Kommunisten Deutschland nicht angegriffen, aber die Deutschan haben weder Großbritannien noch Frankreich den Krieg erklärt. Nach Deiner These waren sie also im Recht?

AndréM:
Wichtig ist, dass man sich an JEDE Grausamkeit erinnert und sie im Gedächtnis behält, damit man sie verhindern kann, sollte sie wiederkehren. Ein demokratischer Massenmörder ist genauso schlimm, wie ein faschistischer oder kommunistischer etc. Oder sind die Massenmorde durch Experimente demokratischer westlicher Pharmakonzerne in Afrika nun bessere Morde, weil sie von Demokraten ausgeführt wurden?

opa wuttke:

--- Zitat ---Und wenn Opa Wuttke mich deswegen auch noch als Hirni bezeichnet (sorry, Opa, aber auch wenn wir sicherlich politisch selten einer Meinung sein werden, habe ich Deine Argumentation bislang zumindest respektiert, ohne Dich als linken Spinner darzustellen, der aus 70 Jahren Kommunismus nichts gelernt hat - was ich auch hiermit ausrücklich nicht tue. Trotzdem enttäuscht mich Dein Kommentar doch sehr).
--- Ende Zitat ---
Auch wenn der Schuh so aussieht, als würde er Dir passen...DU bist damit nicht gemeint Poliorketes. Es bezieht sich auf jene (obwohl sie scheinbar über das nötige intelektuelle Rüstzeug zu verfügen scheinen), die es sich mit eben dieser sogenannten Argumentation leicht machen. Das man/Du natürlich eine andere Meinung haben kann, ist nicht verkehrt und diese Meinung hat auch ihre Daseinsberechtigung. Wenn sie zudem - wie von Dir - argumentativ nachvollziehbar belegt wird, dann muß und kann ich damit leben, selbst wenn ich diese Meinung nicht teile. Du bist deshalb kein Hirni, leider aber sind und waren in der Vergangenheit hier genügend solche unterwegs, die auf jede noch so leise Kritik genau dieses Totschlagargument \"Die anderen-haben-aber-auch...\" rausgehauen haben. Im Idealfall erklären solche Kadetten dann zwei Posts weiter, dass das Koppelschloß der Waffen-SS am 15.Februar 1943 am Nordkap aber grün war und nicht braun. Na wenn´s dafür reicht, aber nicht für eine nur ansatzweise Auseinandersetzung mit einigen anderen \"Aspekten\" besagter \"Heldentruppe\", \"Frontfeuerwehr\" oder \"Spezialtruppe\" oder mit welchen verherrlichenden Begriffen auch immer diese Einheiten bisweilen benannt werden...dann: Hirni ! Ich könnt hier fortsetzen, aber dann wird´s ´ne Endlosschleife.

Poliorketes:
Dann tut es mir Leid, wenn ich das in den falschen Hals bekommen habe.

Florian:
Da sich Poliorketes wohl von manchem angesprochen fühlte, was eigentlich eher an J.S. gerichtet war, trenne ich jetzt mal lieber meine Antworten.

@ J.S.:
--- Zitat von: \'J.S.\',index.php?page=Thread&postID=93427#post93427 ---- der Sieger jedes noch so abartige Verbrechen begehen kann, denn nur der Verlieren muss sich für seine Verbrechen verantworten.
- nach dem Motto \"der hat angefangen\" JEDES Verbrechen vollkommen OK ist; handelt sich ja nur um so ne Art Blutrache. Natürlich sind wir guten Demokraten hier im Westen viel zu zivilisiert für ein \"Auge um Auge\" Prinzip, ausser wenns um den Zweiten Weltkrieg geht, da wars OK. Wenn Recht und Unrecht nichts universales ist, sondern von Fall zu Fall ausgelegt wird, wies grad passt, dann kann ich auf diese Heuchelei gleich verzichten.

Was dabei rauskommt, wenn nach derlei Maximen gehandelt wird, konnte man ja sehr schön in den letzten Jahren im Iraq, Afganisthan, Gaza Streifen und zuletzt in Lybien beobachten. Also nix mit \"aus der Geschichte lernen\".
--- Ende Zitat ---
a) Natürlich ist es ein Problem, dass es keine Institution gibt, die die Verbrechen von Siegern in Kriegen verhandeln kann. Wobei die Tatsache, dass heute in Den Haag nicht nur Serben, sondern auch Kroaten sitzen zeigt, dass sich da auch etwas tut, wenn auch langsam.
b)Wenn es nur darum ginge, wer angefangen hat, würde man alle, die jemals Kriege begonnen haben so harsch beurteilen wie die Deutschen, die den 2. Weltkrieg begannen. Das tut man aber nicht und das hat damit zu tun, dass sich die Methoden aber auch (und das wird in der rein auf Kriegsführung und Kriegsschuld zentrierten Diskussion gern vergessen) die Ziele dem Rest der Menschheit als besonders schrecklich und verabscheuungswürdig erschienen. Ein Sieg des deutschen Faschismus hätte eine Welt erzeugt in der Leben nur sehr eingeschränkt erträglich wäre. Diese Perspektive macht den 2. Weltkrieg für die Welt als ganzes einzigartig. Kein anderer Krieg hatte die Option auf eine derart globale Kathastrophe in sich wie der 2. WK.

Auf die aktuellen Beispiele gehe ich jetzt mal nicht ein, dass ist einen Diskussion für sich.



--- Zitat von: \'J.S.\',index.php?page=Thread&postID=93427#post93427 ---\"Der angreifende Faschist\". Klar, man kann sichs auch einfach machen. Dann setzte dich vielleicht nochmal über dein Geschichtsbuch und schlägst nach WER 1939 Polen agegriffen hat.Dann kannste mir sicher auch erklären wieso man von demokratischer Seite her nur einen Aggressor den Krieg erklärt hat. Bevor hier irgendwier wieder sagt \"das machts auch nicht besser\", sag ichs lieber gleich selber: ja, es macht den Deutschen Angriff nicht besser, dass sich die SU daran beteiligt hat; interessant ist an diesem Vorgang etwas ganz anderes. Die Menschen sind halt leider größtenteils blind für die jahrzehntelange Heuchelei und Doppelmoral des Westens und DAS ist es was man mit einem solchen Beispiel vlt. mal exemplarisch aufzeigen könnte. Denn der nächste Krieg für \"Demokratie\" kommt bestimmt.
--- Ende Zitat ---
Um das gleich mal zu sagen: Der Angriff der SU auf Polen war ein Verbrechen und ist nicht zu beschönigen. Die Alliierten hätten das gleiche Recht gehabt der SU den Krieg zu erklären, hatten aber Polen vorher ganz explizit den Schutz vor deutschen Aggressionen zugesagt und es ging natürlich nach der Erfahrung von München und den Folgen auch darum eine Grenze zu setzen. DEer Rest ist kluge Politik gewesen. Stelle man sich mal vor die Allierten (also damals Frankreich und England) hätten beiden den Krieg erklärt. Wir würden heute in einem Welt leben, die von Stalinisten, Faschisten und möglw. japanischen Ultranationalisten beherrscht wäre. Die Allierten haben die größere Gefahr erkannt (zu spät) und sich mit ihr auseinandergesetzt und dabei fast verloren.

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