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Autor Thema: Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen  (Gelesen 8726 mal)

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Decebalus

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #15 am: 13. Januar 2016 - 16:47:51 »

Zitat von: \'Rohirrim\',\'index.php?page=Thread&postID=211951#post211951
Ich habe allerdings noch nie in einer geschichtlichen Abhandlung gehört, dass sich Militärtechnik von Hof- und Gartenbautechnik beeinflussen ließ :) Wäre mal was Neues.

Ich denke, das Aurgument ist nicht, dass das Militär vom Gartenbau beeinflusst war. Sondern dass die Zeit des Absolutismus/Barock von statischen, geometrischen Ordnungsvorstellungen geprägt war, die sich sowohl im Gartenbau, im Tanz, der Körperhaltung als eben auch den militärischen Formationen niedergeschlagen haben.
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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #16 am: 13. Januar 2016 - 17:09:05 »

Ein bisschen seltsam finde ich den Mix aus Englisch und Deutsch, wenn z.B. ein deutscher Zeitgenosse auf Englisch zitiert wird und kurz hintereinander im selben Beispiel die Bezeichnungen Yard und Schritt auftauchen. Da kommt der Verdacht auf, dass zum Korrekturlesen keine Zeit war. Ein preußischer Schritt ist natürlich kein Yard.

Bei vielem klingt es mir arg spekulativ und als würden die zeitgenössischen Aussagen, die der Autor anzuführen weiß, etwas arg strapaziert. Natürlich fand man es auch ästhetisch schön, wenn eine ideale Aufstellung, also kein unförmiges Gedränge klappte. Aber dass man wegen dem Anblick der Lineartaktik den Vorzug gegeben hätte, klingt absurd, zumal so unschöne Knicke in der Linie, wo das Gelände es diktierte auch in Kauf genommen wurden. Glaubhafter fände ich es, wenn man Beispiel gewusst hätte, wo man zu Gunsten der Ästhetik tatsächlich auf einen Vorteil wie die Besetzung einer Bergkuppe oder die Vorziehung eines Flügels an einen Bach verzichtet hätte.

Freilich bot bei Mollwitz die preußische Infanterie, offenbar des Autors Lieblingsbeispiel, einen schönen Anblick, weil sich diese recht gut entfalten konnte.
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Riothamus

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #17 am: 14. Januar 2016 - 00:45:01 »

Die Theorie über die Spiegelung von Absolutismus und Kultur auf dem Schlachtfeld ist, zumindest was den Grundsatz belangt, schon älter. Aber ich habe den Eindruck, dass das Prinzip im fraglichen Aufsatz zu Tode geritten wird.
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Gruß

Riothamus

Flotter_Otto

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #18 am: 14. Januar 2016 - 15:56:33 »

Ich denke auch, wie zuvor schon gesagt, das da was schon \"zu Tode geritten\" bzw. arg weit hergeholt ist.

Die militärischen Formationen jener Zeit entsprangen der damaligen Waffentechnik und wie man die mit diesen Waffen ausgerüsteten Truppen optimal einsetzen konnte. Hinzu kam noch, daß man die großenteils nicht freiwillig dienenden Mannschaften besser unter Kontrolle hatte (vor den napoleonischen Kriegen), bei der Art und Weise wie damals gekämpft wurde. In der napoleonischen Zeit boten die Formationen (z.B. Kolonnen) eine bessere Kontrolle und Manövrierbarkeit auf dem Schlachtfeld.

Da spielten andere Erwägungen wohl keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
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Davout

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #19 am: 14. Januar 2016 - 17:16:22 »

Es ist immer wieder spannend sich einem Thema philosophisch aus verschiedenen Richtungen zu nähern, das mache ich auch immer wieder gerne. Mir scheint jedoch nach der Zusammenfassung das Thema doch etwas überinterpretiert zu werden. Sicher war da viel bunt und geometrisch (zumindest in der Theorie), ABER: letztlich hatte das alles doch nur brutale Effizienz zum Ziel - eben unter den der Zeit angemessenen Bedingungen. Linienformationen sind höchst verlustanfällig gegen Kartätschfeuer. Möglicherweise spielte das aber im 18. Jh. noch weniger eine Rolle, solange man nur Bleikartätschkugeln verwendete. Mit der Umstellung auf Eisen steigerte sich da auch die Wirkung.

Dem Argument mit der Ablehnung gezogener Gewehre kann ich nicht folgen. Wir haben es nicht mehr mit ritterlichen Kämpfern zu tun, die nur im Kampf Mann gegen Mann die Ehre suchen. Tatsache ist, dass sich in absolutischen Heeren letztlich mehr gezogene Waffen fanden als nach den Revolutionskriegen. Warum rüsteten den manche Armeen, z.B. die französische, unterm Königtum ihre Infanterieoffiziere mit Musketen aus, wenn der Feuerwaffeneinsatz kein Kampf der Gentlemen war?

Irgendwelche sozialen, politischen und ästhetischen Aspekte scheinen mir eher vernachlässigbar zu sein. Angesichts der zur Verfügung stehenden Waffen ergab sich die Nutzung solcher Formationen zwangsläufig. Man darf nicht vergessen, dass der Wandel hin zu einer gemischteren Taktik eben nicht auf soziale Veränderungen zurückzuführen war, ganz gewiss auch nicht auf veränderte Waffentechnik, sondern aus dem Unvermögen der vielen Rekruten der diversen Revolutionen geboren wurde. Der Bürgersoldat desertierte schließlich auch in Scharen, vielleicht sogar noch häufiger als der Söldner. Er war nur billiger zu ersetzen.

Grüße

Gunter
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1452788631 »
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Decebalus

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #20 am: 15. Januar 2016 - 11:19:42 »

Super spannendes Thema.

Zitat von: \'Davout\',\'index.php?page=Thread&postID=212054#post212054
Sicher war da viel bunt und geometrisch (zumindest in der Theorie), ABER: letztlich hatte das alles doch nur brutale Effizienz zum Ziel - eben unter den der Zeit angemessenen Bedingungen.

Das ist halt die zentrale Frage. Selbstverständlich entscheidet letztlich die \"brutale Effizienz\". Aber solange die noch nicht greift ODER wenn sie nicht greifen muss, weil alle Kampfparteien sich bestimmte Beschränkungen auferlegen, bleiben eben kulturelle Beschränkungen in Wirkung. Jena 1806, Frankreich 1940 sind ja nur erklärbar, weil eine Seite aus sozialen und kulturellen Gründen der Meinung war, ihre Kampfweise sei die richtige.

Das schon erwähnte Japan ist doch auch ein gutes Beispiel: Solange man die Europäer draußen lassen konnte (also bis 1850), konnte man im quasi gemeinsamen Einverständnis an Kampfweisen festhalten, die eigentlich nicht so effizient waren, wie es möglich gewesen wäre.

John Keegan, die Kultur des Krieges, vertritt letztlich eine ähnliche Anschauung.
Keegan

Ich fand auch sehr anregend: Nicolson, Adam (2005). Men of Honour: Trafalgar and the Making of the English Hero. Der macht deutlich, dass für den Sieg bei Trafalgar weder Waffentechnik noch Ausbildungsstand entescheidend waren, sondern die grundsätzlich andere Mentalität der britischen Führung, die ganz bürgerlich auf Erfolg getrimmt war, während für die Franzosen (Marine noch als Rückszugsgebiet des Adels) entscheidender war, einen heldenhaften Kampf gekämpft zu haben.

Zitat
Man darf nicht vergessen, dass der Wandel hin zu einer gemischteren Taktik eben nicht auf soziale Veränderungen zurückzuführen war, ganz gewiss auch nicht auf veränderte Waffentechnik, sondern aus dem Unvermögen der vielen Rekruten der diversen Revolutionen geboren wurde.

Also eine \"sozialere Veränderung\" als die Einführung der Wehrpflicht gibt es doch nicht. Dein Beispiel bestätigt doch die These und widerlegt sie nicht.

Zum 18. Jahrhundert habe ich nicht so viel Ahnung. Wie weit also tatsächlich hier kulturelle Argumente greifen, kann ich schwer beurteilen. Aber zumindest die Entscheidung vieler Fürsten ihr Geld nicht für Soldaten, sondern für Schlösserbau, Theater und Kunst auszugeben, hatte klar soziale und kulturelle Gründe.
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Goltron

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #21 am: 15. Januar 2016 - 13:45:16 »

Nur weil eine bestimmte Kriegstechnik zur Verfügung steht bedeutet das noch lange nicht das sie kurz- oder mittelfristig auch optimal eingesetzt wird. Ich denke das die Alliierten 1940 durchaus der Meinung waren ihre Kampfweise sei militärisch betrachtet die richtige oder zumindest nicht gravierend falsch. Genau so dürfte es 1805 oder 1806 gewesen sein.
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Davout

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #22 am: 15. Januar 2016 - 23:23:44 »

Keegan greift die Thematik der ritualisierten Kriegführung auf. Ich bin jedoch der Meinung, dass diese im europäischen Kontext längst keine Rolle mehr gespielt hat, denn gerade das brutal-effiziente Vorgehen der Europäer sicherte ihnen den Erfolg in den Kolonialkriegen. Bei den Römern war das nicht anders. Sicher ist es auch effizient, wenn man das gleiche Ergebnis durch eine reine Demonstration erreichen kann. Die Drohung mit massiver Gewalt muss auch dann immer glaubhaft sein, sonst verliert sie ihren Sinn.
Auch in Japan waren die Mächte erfolgreich, die sich nicht gegen alle neuartigen Techniken stemmten, wie z.B. Feuerwaffen. Der Erfolg der Zulus in Afrika beruhte auch nicht zuletzt auf deren Abkehr von ritualisierten und gemäßigten Kriegsformen.

Was 1806 betrifft, so bin ich der Meinung, dass einer der Gründe für die preußische Niederlage in ihrer erst kürzlich eingeführten Divisionsstruktur nach in Frankreich bereits veraltetem Vorbild zu suchen ist. Ähnliches gilt auch für die österreichische Armee von 1805 mit ihren Mackschen Reformen. Im Angesichts des Krieges sollte man eben keine grundlegenden Reformen in einer ansonsten funktionierenden Armee vornehmen, denn ein paar Jahre Zeit braucht man dafür in jedem Fall.

Das mit der Wehrpflicht sehe ich nicht so. Es gab doch bereits in absolutistischer Zeit eine Art Wehrpflicht. Was anderes als Wehrpflichtige waren denn Friedrichs Kantonisten? Von einer allgemeinen Wehrpflicht konnte freilich keine Rede sein, nur gibt es sowas konsequent betrachtet praktisch nie udn nirgends. Im Russland der Zaren wurden die Soldaten auch aus den Leibeigenen zwangsverpflichtet - und trotzdem funktionierte diese Armee auf dem Schlachtfeld des 18. Jh. nicht anders als die ggf. mehrheitlich aus Angeworbenen bestehenden Truppen anderer Mächte. Wo ist da also die Grenze zu ziehen? Der Unterschied liegt meiner Meinung nach keineswegs in der Frage der Rekrutierung, ob das nun Freiwillige, Söldner, Kantonisten oder Wehrpflichtige sind, sondern darin wie gut die Truppen ausgebildet sind. Das französische Revolutionsheer war in weiten Teilen genauso wenig professionell wie die Freiwilligen des ACWs und in beiden Fällen brachte das eben seine Defizite mit sich. Profitruppen zu formen und zu unterhalten ist eben teuer, weshalb ein Herrscher oder eine Regierung sie ungern verschwendet. Stehen stattdessen viele billige Wehrpflichtige oder Freiwillige zu Verfügung, dann fallen auch die Hemmungen die Leute zu opfern. Im Grunde ist das reine Ökonomie. Im 18. Jh. wurden eben die teuren Berufssoldaten geschont, später die billige Menschenmasse geradezu verschwendet, im Extrem bei der \"menschlichen Welle\" der Chinesen im Koreakrieg u.a.

Fürsten des 18. Jh. gaben alle in Geld für ihre Armee UND für Kunst und Kultur aus. Beides waren gleichermaßen Quellen des Prestiges, wenngleich die Armee natürlich zugleich den Nutzen unmittelbarer Machtentfaltung hatte. Das beste Beispiel dafür ist August der Starke. Er hat eben nicht nur lauter Schlösser und Gärten bauen lassen, sowie Kunst (und Frauen) gesammelt, nein, zumindest zum Ende seiner Regierungszeit gelang es ihm auch eine respektable Armee zu unterhalten. Das die Orientierung in Preußen einseitiger verlief, lag nicht zuletzt an der religiösen Ausrichtung des Herrscherhauses und der relativen Armut des Landes, die eben keine gleichzeitige aufwendige Hofhaltung und ein stehendes Heer ohne existenzbedrohende Schulden zu machen erlaubte.

Grüße

Gunter
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preussischblau

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #23 am: 16. Januar 2016 - 08:38:35 »

Hallo Gunter,

Ein interessantes Detail, das Schonen der professionellen Soldaten: Wenn ichs recht verstanden habe, dann waren zu der Zeit pro Aufstellung zwei Treffen, will heißen Schlachtreihen vorgesehen, die zweite 50-150 Meter hinter der ersten. Im zweiten Treffen standen aber die \"kürzeren\" Füsiliere, die erstens nicht so viel hermachten wie die großen Grenadiere (noch dazu mit Genadiersmütze) und zweitens auch weniger genau schießen konnten, da sie kürzere Musketen hatten.

Da scheint es einen Widerspruch zu geben, oder vielleicht doch nicht? Die schmucke große erste Reihe ist furchteinflößender, was einige der Theorien bestätigen würde. Andererseits ist sie auch besonders im Feuer und mehr gefährdet, was Ausfälle angeht. Jedoch bringt größere Reichweite und/oder Treffgenauigkeit militärische Vorteile.

Da scheinen sich die Gründe für die Aufstellungspraxis zu vermischen, wie es auch sonst glaube ich keinen alleinigen Grund für eine bestimmte Praxis in der Schlachtaufstellung gab, sondern eine Entscheidung aus der Summe vieler Faktoren getroffen wurde. Und ich glaube je nach Schlachtenlenker ist die durch den Zeitgeist beeinflusste Geisteshaltung schon ein Faktor. Wenn ich so an die poetischen Betrachtungen der Offiziere angesichts der exerzierenden Soldaten denke...

Mal ein Gedankenexperiment dazu (das man vielleicht auch mal durchspielen könnte): Was wäre, wenn einer klassischen Linieninfanterie nur die leichten Jäger in loser Aufstellung gegenüberstünden? Wenn also einige der Paradigmen der Zeit aufgegeben würden, vielleicht durch einen Offizier aus einem anderen Kulturkreis? Natürlich vorausgesetzt, die Frage der Disziplin und Loyalität stellte sich nicht. Wenn also ein größerer Verband Jäger mit ihren weit reichenden Waffen ausser Reichweite der Linieninfantrie blieben, könnten sie diese geradezu bequem dezimieren und demoralisieren, bei minimalen eigenen Verlusten. Sie brauchen nur genug Rückzugsraum, um einem eventuellen Sturmangriff ausweichen zu können. Und sie müssten von Kavallerie gedeckt werden, denn ein gegenerischer Kavallerieangriff wäre das Ende der Jäger.

Das wäre zwar keine Guerillataktik (die war da eh noch nicht erfunden), weil es sich schon um eine \"offizielle\" Schlachtaufstellung handelt, hätte aber Elemente davon, denn es gäbe keine definierte Schlachtreihe als Gegner, sondern einen \"weichen\", und zurückweichenden Gegener, der aber nichtsdestotrotz schwere Verluste anrichten kann. Wie sowas wohl ausgehen würde? Ob eine solche Schlacht überhaupt per Definitionem der damaligen Zeit als gewonnen bezeichnet werden könnte, selbst wenn die Taktik von Erfolg gekrönt wäre? Was würde passieren?

Gruß, Stefan
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Goltron

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« Antwort #24 am: 16. Januar 2016 - 09:23:22 »

Das ist ja der Punkt: Diese Jäger würden von der Kavallerie niedergeritten. Wenn du sie im engen Verbund mit Linieninfanterie als \"sicheren Hafen\" einsetzt bist du bei den napoleonischen Taktiken.


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Riothamus

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« Antwort #25 am: 16. Januar 2016 - 10:00:37 »

Dabei wurden ja durchaus Jäger aus Wäldchen und im Schutz von Gebäuden eingesetzt.

Beim Reichsheer mussten Kontingente ja erst ersetzt werden, wenn sie vollkommen aufgerieben waren. Solche Rest-Bataillone konnten oft auch nur in solcher Deckung eingesetzt werden. Wie das Beispiel des Rests des Paderborner Bataillons bei Saalfeld zeigt, war allerdings nicht ausgemacht, dass dies gegen Kavallerie, Husaren in dem Fall, erfolgreich war. Noch über 200 Mann sollten ein Waldstück verteidigen. Am Ende nahmen die Husaren die restlichen 40-50 gefangen. Natürlich handelte es sich bei den Paderbornern um Soldaten ohne jede Ausbildung und mit zweifelhafter Bewaffnung.

Dies zeigt auch ein anderes Problem der absolutistischen Kriegsführung: Im Gegensatz zum theoretischen Anspruch, hing vieles von Althergebrachtem, wie z.B. der Reichsmatrikel ab. Selbst wenn der Fürstbischof von Paderborn gewollt hätte, die Landstände genehmigten ihm nicht mehr Militär. Der Ersatz für das gefangene Bataillon musste mangels Geld sogar ohne Decken ins Feld ziehen.

Und selbst Friedrich der Große konnte seine Bataillone nicht aufstellen wie er wollte, er musste die Anciennität beachten und sie nach Rang in der vorgesehenen Reihenfolge aufstellen. Da die gegnerischen Offiziere bei seinem Umgehungsmarsch bei Roßberg keine Anzeichen hierzu erkannten, und es auch nicht für möglich hielten, rechneten sie nicht mit einem Angriff. Wie gesagt, da spielten noch andere Faktoren eine Rolle, aber man hatte die ordentlich rangierte Feldschlacht im Kopf, was der Preußenkönig ausnutzte. Und somit wäre das ein Beispiel, wie soziale und ideologische Faktoren zu einer großen Niederlage, oder auch großem Sieg führten.
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Gruß

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« Antwort #26 am: 16. Januar 2016 - 10:40:08 »

mir fällt auf wie hier zum Teil mit Effizienz argumentiert wird, wo doch ein wichtiger Aspekt das Papers ist daß die kostspieligen Armeen eben nicht eingesetzt werden sollten, oder eben nur im Notfall, es also mehr darum ging die andere Partei zu beeindrucken.

Das ist doch schon sehr eine subjektive Perspektive der Wargamer Szene, die aus der mittlerweile jahrzehntelangen tradition der kompetitiven Turniere (und Regelwerke) die Effizienz der Armeeauswahl als wichtigstes Alleinstellungsmerkmal verfolgt, interessanterweise teilweise entgegen den Versuchen der \"offiziellen\"  Veranstalter, die durchaus auch die Tendenz hatten, die bestbemalte Armee bei einem Turnier zu belohnen. Das ging früher sogar so weit, daß Leute mit halbbemalten Armen gespielt haben (ich erinnere mich auch an halb zusammengebaute Fahrzeuge)  weil eben die Ästhetik des Hobbys irrelevant war - dafür wurden dan Turnierregeln eingeführt daß Armeen bemalt sein mußten.

Eine sinnvolle Argumentation in diesem Fall wäre zu untersuchen wie sich absolutistische Armeen in Rahmenbedingungen geändert haben, die jenseits der üblichen Konventionen waren, zB FIW. Mir fällt immer wieder auf wie stark die meisten historischen Wargamer in der Beurteilung ihrer Epoche von den Spielen beeinflußt werden die sie in ihrer Biographie gespielt haben. Und wie häufig die Spielrealität des jeweiligen Spiels nichts mit der Realität der tatsächlichen Konflikts zu tun hat jedoch trotzdem darauf übertragen wird. Wo doch der Weg genau andersherum sein sollte.... (das gerade aktuelle Beispiel für mich ist Bolt Action, weil ich gerade in der Thematik drin bin, ist mir aber auch schon bei Black Powder aufgefallen)
Ich schließe mich übrigens mit ein, trotz geschichtswissenschaftlichen Hintergrunds  :P

Nachtrag: der interessante Aspekt für mich an dieser Diskussion (und an der historischen Rezeption der Vergangenheit, der Unterschied ist gar nicht so groß) ist übrigens wie sich anerzogene Diskurse auf diese Wargamer-Rezeption auswirken. Denn häufig wissen wir nochnichtmals wirklich, was die überhaupt anhatten, die Quellenlage ist doch oft zweite bis X-te hand, man schaue sich nur die Rezeption des zweiten Weltkriegs an und wie sie sich im Laufe der letzten 50 Jahre gewandelt hat, unetr dem Einfluß der Unterhaltungsindustrie...
wollt ich nur mal sagen....
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Riothamus

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« Antwort #27 am: 16. Januar 2016 - 12:33:57 »

In dem Zusammenhang kann es ganz heilsam sein, sich mit dem Strategiestreit zu beschäftigen, ob nun der alte Fritz ein Vertreter der Ermattungs- oder der Vernichtungsstrategie war.

Das Problem, erfahrene Soldaten bei mehreren Schlachten im Jahr mit 20-30% Verlusten vorhalten zu müssen, war durchaus bewusst. Man denke bloß an die Probleme Friedrichs nach Kunersdorf die Verluste bei den Offizieren aufzufüllen.

Was die Probleme der Uniformierung angeht, ist das Beispiel Paderborn ganz interessant. Nach dem Tode des Soldatenkönigs wurden in Preußen die Kurzgewehre ausgetauscht. Sie wurden von Paderborn und Münster aufgekauft. In Paderborn wurden sie nicht nur an die 2 stehenden Kompanien (Musketiere in Pb, Grenadiere in Neuhaus) ausgegeben und für die Truppen nach Reichsmatrikel vorgehalten, sondern auch an den Landesausschuss (eine Art Miliz, die im 18. Jh. aber nur als Ordner für das Liborifest diente) und an Schützenbruderschaften ausgegeben. Da waren sie teilweise bis zum 2. Weltkrieg in Gebrauch. Aber niemand kann sagen, wo nun Hellebarden, wo Partisanen, wo anderes genutzt wurde. Ebenso weiß man nicht, was für Grenadiermützen für die Grenadierkompanie in Neuhaus bei Preußens gekauft wurden. Es ist nur überliefert, dass das der \'Friedrich Wilhelm\' trotz Umarbeitung noch zum Ende des Reiches hin erkennbar war.

Zur eigentlichen Uniformierungen gibt es ein paar Rechnungen über Stoff, die aber bis auf die Farbe wenig aussagen. Dann existieren 3, wenn man will 4 Abbildungen:

Paderborner Grenadier aus der Gudenus-Handschrift (Entstanden 1734 im Lager von Heilbronn.)

Aquarell des Paderborner Marktplatzes von Gleseker (1755, Stadtmuseum Paderborn)

Gemälde des Marktplatzes von Gleseker nach dem Aquarell (ca. 1755, Historisches Museum im Marstall, Schloss Neuhaus)

Satire zum Paderborner Kaffeelärm 1781 (Die Zeichnung stammt allerdings erst aus den Fliegenden Blättern, 1878 )

Auf 2 oder 3 weiteren Abbildungen aus der Zeit des 7jährigen Krieges kann man nicht mal entscheiden, ob Paderborner oder Preußische Soldaten zu sehen sind.

Dabei gibt es also die Darstellung eines Grenadiers von 1734, auf dem Gemälde von 1755 ein Offizier, und auf dem Aquarell von 1755 sind mehrere Soldaten zu sehen. Gemälde und Aquarell könnten für den 7jährigen Krieg herangezogen werden, werfen aber mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern. Die Buchführung bestätigt lediglich die dargestellten Farben.

Dann gab es noch zeitweise einen Zug Dragoner, die zu Polizeizwecken eingesetzt wurden. Wer sich in der Zeit auskennt, kann nachvollziehen, dass der Hinweis auf weiße Uniformen nicht viel besagt.

Und was man militärisch zu dem Bataillon, meist hochtrabend als Regiment bezeichnet, geht zum größten Teil auf einen Bericht des Majors von Kleist zurück. Kommandeur und Oberstleutnant hatten sich recht schnell nach Paderborn abgesetzt. Der Bericht entstand, weil sich der Major rechtfertigen sollte, wieso die Ausrüstung verloren ging. Im Vorpost schrieb ich aus der Erinnerung, daher mag die Schilderung abweichen, aber für die von Jean-Armand angesprochenen Problem, wie wenig wir mitunter wissen, ist es interessant. Bericht des Majors von Kleist (Im Text wird er Oberst genannt, dass ist für den infragekommenden Zeitpunkt aber nicht korrekt.), präsentiert von Georg Joseph Rosenkranz in der Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, 1849. Hier sieht man auch, dass es nicht nur rangierte Schlachten gab, sondern auch andere Formen des Kampfes.

Es gibt natürlich noch Quellen zur Sozialgeschichte, wie rekrutiert wurde z.B. und dass sich der Bischof eine Militärkapelle leistete, die gleichzeitig am Hof spielen sollte, und das ausschließliche Privileg hatte im Hochstift zu musizieren , aber für den Wargamer ist das kaum interessant. Wer weiteres wissen will, sei auf die Literatur im Wikipedia-Artikel verwiesen. Insbesondere Mürmann ist dabei interessant.
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« Antwort #28 am: 16. Januar 2016 - 12:51:53 »

Effizienz ist doch auch in Bezug auf die optische Wirkung auf den Gegner relevant. Wenn wir hier schon die friderizianischen Füsiliere hernehmen, dann sind die doch ein sehr gutes Beispiel dafür. Die kleineren Soldaten mit kürzeren Musketen ins 2. Treffen zu stellen war doch nur eine Übertragung der Gliederstruktur auf eine höhere taktische Ebene. In einer Linienformation standen doch auch immer die größten Leute vorn, die zweitgrößten hinten und die kleinsten in der Mitte. Bei den Füsilierregimentern kam noch ihre Füsiliermütze dazu. Damit sollten nämlich dem Gegner suggeriert werden, dass wären Grenadiere. Nur aus der Nähe war der Unterschied wirklich gut zu erkennen. Schlechter gekämpft haben die Füsiliere auch nicht. Es wurde somit also eine den Konventionen entsprechende größere Effizienz vorgespiegelt, ein Teil der Armee in den Augen des Gegners nicht degradiert sondern aufgewertet. Sobald das 2. Treffen irgendwo zum Einsatz kam, spielte die Länge der Musketen wohl kaum eine Rolle mehr, denn da war man sowieso schon sehr nahe dran am Gegner, so dass der schon mitbekam, dass die Kleinen kämpfen konnten.

Den ökonomischen Aspekt der Kriegsführung kann man gerade in den napoleonischen Kriegen sehr gut sehen. Da wurden gerade in Frankreich und Russland die elitär aus Gedienten ausgewählten wertvollen Alten Garden aufgespart wo es nur ging, häufig zu Lasten der Linientruppen.

Eine schönes Beispiel für die Situation Plänkler in Deckung vs. Linienformation ist die Schlacht bei Auerstedt 1806. Da marschierten die Preußen in Linie auf und begannen ihr Feuer. Taktisch zweckmäßig wäre aber ein direkter Bajonettangriff gewesen. Hier ist man sogar von der friderizianischen Praxis abgewichen. Ich schätze, dass wir uns in diesem Zusammenhang ein etwas irreführendes Bild von den friderizianischen Grenadieren machen. Das war schon eine Art Allroundelitetruppe, nicht nur für schwierige Einsätze an vorderster Front, Sturmangriffe, Erstürmen von Schanzen, Häuserkampf  etc., sondern auch auf Vorposten und als Plänkler. Ausgewählt wurden wohl nicht nur einfach die größten Leute, sondern es wurde auf umfassende Qualitäten als Soldat geachtet. Geführt wurden sie nicht selten von königlichen Flügeladjutanten. Später war das natürlich anders, wo die Inflation der Elitekompanien das Konzept der Elitetruppe stark verwässerte.

Zu Turniermechanismen kann ich nichts sagen, ich bin Historiker, mein Einstieg ins Figurenhobby erfolgte nicht übers Spielen und etliche Regeln finde ich vor den historischen Hintergrund schon recht fragwürdig, weshalb ich Hausregeln so gerne mag.



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Gunter
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« Antwort #29 am: 16. Januar 2016 - 13:54:22 »

Ich sag\' es ungern, aber die Preußischen Grenadiere waren, trotzdem die \'langen Kerls\' Grenadiere waren, nicht die größten, sondern die kleinsten Soldaten des Regiments. (Olaf Groehler, Das Heerwesen in Brandenburg und Preußen von 1640 bis 1806, Das Heerwesen, Berlin 2001, S.75.) Das kam daher, dass sie ja ursprünglich Granaten werfen und andere Sonderaufgaben versehen sollten. Da wäre es eine Verschwendung gewesen, die größten Soldaten aus der Feuerlinie zu nehmen.

Unter Friedrich dem Großen wurden sie wohl nach Einführung gesonderter Grenadierkompanien aus allen Größen genommen, aber Erfahrung und Eignung sollte bei ihnen vor der Größe berücksichtigt werden. Bei dem Bataillon Grenadiergarde mögen auch unter ihm andere Zustände geherrscht haben.
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Riothamus