Der Pub > An der Bar
Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
Poldi:
Hallo Leute,
ich habe gerade einen Bericht über die Schlacht von Cannae gelesen.
Zitat:
\"Am Morgen des 2. August 216 v. Chr. steht die Sonne bleifarben am apulischen Himmel. Der Wind jagt Erde aus trockenen Feldern in feinen Nebeln über die Ebene. Ein Tag zum Sterben - und gestorben wird an diesem Tag so zahlreich und so grausam wie nie zuvor in Europas Geschichte und vielleicht auch seither niemals wieder.
Es ist der Tag der bis dahin größten Schlacht der Antike und der militärisch folgenreichsten der Weltgeschichte. Der Tag von Cannae...
...Niemals werden in Europa an einem einzigen Tag in einer einzigen Schlacht so viele Männer sterben wie in Cannae - nicht einmal in Verdun oder Stalingrad. Kein Duell auch wird jemals die Strategen so lange militärisch beeinflussen. Noch General von Schlieffen plant den deutschen Angriff auf Frankreich 1914 nach dem Modell von Cannae, noch der US-General Norman Schwartzkopf nennt für die Invasion des Irak im Golfkrieg von 1991 Hannibal als Vorbild...\"
Cannae scheint also eine der bedeutendsten Schlachten der Weltgeschichte zu sein. Was sind Eurer Meinung nach ebenfalls bedeutende Schlachten der Weltgeschichte?
Ich bin mal gespannt was für eine Auflistung zustande kommt. ^^
Riothamus:
Jene Schilderung erscheint mir denn doch sehr übertrieben. Und allein die Zahlen sind wohl schon zu korrigieren. Die Folgen hatten keine Dauer und der Ablauf ist keineswegs so sicher überliefert, wie oft dargestellt.
Actium, Fontenoy 841, Lechfeld, Hastings, Bouvines und Waterloo waren z.B. folgenreiche, bedeutende Schlachten.
Gewöhnlich bestimmt erst die Reaktion auf eine Schlacht ihre Bedeutung. Kann ein Sieg ausgenutzt werden oder nicht?
Hannibal gelang es nicht, seine Siege für einen Gesamtsieg auszunutzen. Wegen der großen römischen Verluste konnte der Sieg nicht einfach verpuffen.
Mit der Flucht bei seiner Gegner bei Actium hätte nur ein Zufall Octavian noch aufhalten können. Durch die Verluste bei Fontenoy kam es u.a. zu einem Traditionsbruch. Und wie viele andere Schlachten auch, wurde sie als Gottesurteil gesehen. Auf dem Lechfeld wurde -jenseits der Ergebnisse der Verfolgung- sichtbar, dass der Preis für einen Überfall auf das Reich gestiegen war. Bei Hastings ging es wieder recht gründlich dem Führungspersonal an den Kragen. Bouvines zeigte ein geändertes Kräfteverhältnis. Bei Waterloo wurde die Machtgrundlage Napoleons vernichtet. Wobei sich hier wieder fragt, welchen Anteil daran die Schlacht und welchen die geschickte Verfolgung hatte.
Man kann es aber immer auch anders sehen: War es die Schlacht oder das ungeschickte Verhalten seiner Gegner in der Folge, die Octavian ab diesem Zeitpunkt als Sieger erscheinen lies? Waren die Verluste bei Fontenoy wirklich so bedeutend, oder war der Generationswechsel längst im Gange? Wäre die neue Organisation allein wirklich abschreckend für die Ungarn gewesen? Und waren die Folgen von Hastings nicht regional beschränkt und der Wandel kam durch weitere fast gleichzeitige Ereignisse und Veränderungen zu Stande? (Stamford Bridge, Entstehen der Nordischen Reiche, Untergang von Haithabu, ...) War die Wirkung von Bouvines nicht recht bescheiden und vieles dabei bloß Symbol, und auch das nur dann, wenn man es vom Nachhinein betrachtet? Zu Waterloo ist es ja schon gesagt.
Das kann man verallgemeinern. Und dann wird die Frage nach bedeutenden Schlachten recht müßig, wenn man das Ganze nicht recht eng auf Themen beschränkt.
Ich meine, dazu gäbe es schon einen Thread hier, den ich aber nicht finde. Vielleicht war das aber auch in einem anderen Forum.
tattergreis:
Mineiraço 2014 wog schwer.
Maréchal Davout:
Die Bedeutung von Cannae in der Weltgeschichte wird wohl vor allem aufgrund der Rezeption dieser Schlacht veranschlagt.
--- Zitat von: \'Poldi\',\'index.php?page=Thread&postID=268563#post268563 ---Kein Duell auch wird jemals die Strategen so lange militärisch beeinflussen.
--- Ende Zitat ---
Beispiele sind in dem Zitat. Da geht es also weniger darum, ob Hannibal die Niederlage militärisch oder politisch nutzen konnte.
Vielleicht in spannender Gedanke, dass viele Schlachten dadurch bedeutsam werden, dass durch sie ein Mythos konstruiert wird. Tannenberg 1914 war militärisch im größeren Bild auch nicht wichtig, aber wurde als Mythos ausgebaut.
Die Spartaner haben aus der Thermopylen-Schlacht gegen Xerxes unglaublich viel Achtung von den anderen Griechen in den nächsten Jahrzehnten erfahren. Wenn Cannae Einfluss auf das Handeln von Entscheidungsträgern auch mehr als 2000 Jahre später hat, ist das schon eine beindruckende Wirkmacht.
Riothamus:
Wie gesagt, wenn man es beschränkt.
Die Wirkmacht lag bei Cannae in der Interpretation der Berichte über die Schlacht. Wenigstens das ist Delbrück hier zuzugestehen. Vgl. z.B. das, was Flach, Römische Geschichtsschreibung über Schlachten sagt. Delbrücks Problem lag darin, dass die Orte der Schlachten erst untersucht wurden, als er sich positioniert hatte und er sich recht oft für den falschen Ort entschieden hat.
Bei Cannae kommt hinzu, dass diese Frage wegen des großen Areals, dass durch die Kampfhandlungen berührt wurde, bis heute nicht wirklich geklärt ist. Die oft zitierten Widersprüche der unterschiedlichen Funde ergeben sich nur, wenn man das nicht berücksichtigt.
Es ist hier also längst nicht entschieden, welcher Darstellung und welcher Interpretation gefolgt werden kann. Somit ist hier nur ein Mythos wirkmächtig, der sich aus der Geschichtsschreibung entwickelte. (Was dann auch in gewisser Weise für Delbrück gilt: Seine Interpretation beruht darauf, das er die Schlacht vom Ergebnis her rekonstruiert, nachdem er die Berichte zum großen Teil verworfen hat. Generell gerät er oft selbst in die Fehler, die er gerade noch kritisiert hat.)
(Und beim Mythos fiele mir die Hunnenschlacht als ähnlich produktiv ein.)
Das oben war aber nicht \'gegen\' Cannae gerichtet, sondern generell gegen die üblicherweise in heutigen Darstellungen übernommene Propaganda bei der Rekonstruktion von Schlachten. Selbst bei Waterloo gibt es bis heute Streit zu zentralen Punkten, obwohl es wohl die am besten dokumentierte Schlacht vormoderner Zeiten ist. Cannae ist in vielem ein Sonderfall. Man nahm die Schlacht als Beipiel der kompletten Vernichtung der Gegenseite, was nebenbei bemerkt aber nicht der Fall war. Aufgrund dessen versuchte man dann das vermeintliche Beispiel zu kopieren, was dann bis zum Kesselschlagen im 2. Weltkrieg wirkte. Doch geht das nur auf die Interpretation zurück, also auf eine Reaktion zurück. Das wäre nur anders bei eindeutigen Berichten oder zumindest eindeutig zu interpretierenden Berichten. Aber hier haben wir nur ein Raten. Zuletzt las man von Widersprüchen der Funde zu den Entfernungsangaben aller antiken Berichte. Schon das zeigt, dass ein Übereinstimmen der Interpretationen mit der Schlacht in jedem Fall nur auf Zufall beruhen kann. Die Berichte zu dieser Schlacht sind mittlerweile ein klassisches Beispiel für die Fallstricke antiker Geschichtsschreibung, die als die betrachteten Interpretationen entstanden auch noch gar nicht genügend untersucht waren:
Hier wirkte Mythos und Ausschreiben der Geschichte, nicht die Schlacht über einen Bericht.
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