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historical wargaming - was formt unser Bild?
Riothamus:
Der Begriff Wargaming leitet sich vom deutschen Kriegsspiel ab. Und um Kriegsspiele als vom Krieg inspiriert handelt es sich. Egal ob 10jähriger oder Erwachsener.
Auch Schachspiel ist ein Kriegsspiel. (Und auch Schach wird aus verschiedenen Motiven gespielt.)
Und selbst Schach ist dabei eine Annäherung an den Krieg. Das Aspekte ausgelassen werden, ist offensichtlich, ändert aber nichts daran.
Eine Simulation kann sich auf unterschiedliche Aspekte beschränken, dennoch bleibt es eine Simulation. Das Kriegsspiel beschränkt sich meist auf die technischen und organisatorischen Aspekte. Niemand hat von einer umfassenden Rekonstruktion des Krieges gesprochen, was deine Argumentation aber voraussetzt.
Das Leid und die Schrecken des Krieges bleiben fast - denken wir nur an H.G. Wells - außen vor. Dennoch gehört es in meinen Augen zum Respekt vor den Gefallenen, vor den Opfern von Krieg und Gewalt, nicht so zu tun, als ob Wargaming, Kriegsspiel, Tabletop oder wie wir es nennen wollen, nicht als Simulation den Krieg darstellt. Ja, das ist geradezu nötig, um sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass wir eben nicht den Schrecken des Krieges darstellen und dadurch dann den Krieg zu verharmlosen: Ein gänzlich uneingeschränkter Spaß kann unser Hobby nicht sein.
Ich komme also gerade zum umgekehrten Schluss. So zu tun, als ob Wargaming nichts mit dem Krieg zu tun hat, wäre mangelnder Respekt vor den Gefallenen.
(Im Übrigen geht es auch nicht nur um die Erlebnisse individueller Soldaten. Das ist eine logisch nicht zulässige Einschränkung des Themas. Und zwar sowohl der Regeln -bei denen es eben nicht nur um Skirmish-Regeln geht, als auch des Themas Krieg, dass sehr viele Aspekte umfasst. Auch ist die Reduktion eines Spiels auf das Kinderspiel oder einen Spaßfaktor beim Kriegsspiel oder beim Wargaming nicht angebracht. Es bezieht sich wortgeschichtlich auf das, was wir heute Simulation nennen. Das ist sogar von den jeweiligen Autoren ausdrücklich erklärt worden. Die Benutzung zum Spaß wurde dabei mehrmals als \"Missbrauch dieser Regeln\" bezeichnet. Wells wiederum hat dann -teils angedeutet, teils explizit- argumentiert, dass Spaß andere Zielrichtungen nicht ausschließt und gezeigt, dass eine Nutzung jenseits des militärischen (und historischen) ernsthaften Interesses ebenfalls einen vertretbaren Sinn hat.)
Es ist traurig, dass sich viele Staatsbürger und viele Politiker der Beschäftigung mit dem Thema Krieg soweit verschließen, dass sie in der Hinsicht keine mündigen Staatsbürger sind. Das kann aber auch keine Nachlässigkeit rechtfertigen, die dazu führt, dass die SS verharmlost wird und Kriegsverbrechen geleugnet werden. Zumal das Kriegsspiel nach Wells ja gerade den Bürger hinsichtlich des Krieges bilden soll, der keinen anderen Einblick hat. Dass, wer Opfer wird, wer den Sieg davonträgt und welches Risiko ein Krieg bedeutet nicht von guten Absichten abhängt, war damals eine nicht weit verbreitete Ansicht und auch heute wird von Kriegstreibern da wieder ein Zusammenhang konstatiert. Die Erklärung, dass es einen solchen Zusammenhang nicht gibt, dürfte immer noch eine wichtige Aufgabe sein und Respekt vor den Opfern ausdrücken.
Ich sehe Pediveres Frage auch eher als im Sinne eines gewissen Kulturpessimismus gestellt und nicht aus Enttäuschung darüber, dass nicht jeder brennendes Interesse für Geschichte verspürt oder dadurch ein ethisches Problem begründet wird. Meine obige Antwort war denn auch daran ausgerichtet, wie überhaupt das Feld der Geschichte in Bezug auf das Hobby abgesteckt werden kann, es ist der Aspekt der Debatte, den wir noch nicht gefühlt hundert mal unter anderen Vorzeichen diskutiert haben. Es wäre interessant, wie du die Frage in diesem Spannungsfeld tatsächlich einordnest, Pedivere.
Arkon4000:
Irgendwie widersprichst du dir in deiner eigenen Argumentation. Zum einen sagst du:
--- Zitat ---...Im übrigen stören mich auch sämtliche derartigen Szenarien die was mit der Fortsetzung des 2.WK zu tun hätten. Das lappt für mich zu stark in HIAG Territorium.
--- Ende Zitat ---
Und 2 Absätze weiter relativierst du das schon wieder:
--- Zitat ---....Ich spiele sowieso lieber kontrafaktische Timelines. Wenn man ehrlich ist kann historisches Wargaming nichts anderes sein.
--- Ende Zitat ---
Das passt für mich irgendwie nicht zusammen. Gerade eine Fortsetzung des 2. Weltkriegs ist doch das Paradebeispiel für kontrafaktischen Wargamings...
Pedivere:
Zu Riothamus sahg ich später was, da bin ich jetzt nicht wach genug für
--- Zitat von: \'Arkon4000\',\'index.php?page=Thread&postID=273969#post273969 ---Das passt für mich irgendwie nicht zusammen. Gerade eine Fortsetzung des 2. Weltkriegs ist doch das Paradebeispiel für kontrafaktischen Wargamings...
--- Ende Zitat ---
ich kenne keins von der Sorte was nicht ein absolut schlechtes Beispiel für kontreafaktische Geschichte wäre. Ich hab jetzt keine Zeit das theoretisch darzulegen, bitte informiere Dich selber darüber wie das definiert ist.
Nur kurz mit Beispielen: Kontrafaktische Geschichte entwickelt von einem gegebenen Ereignis aus, dem Point of Divergence die Geschichte weiter wie sie sich im gegebenen soziopolitischen Kontext weiterentwickelt hätte. Ein gutes Beispiel für sowas ist der gerne zerredete Turtledove, der das par excellence vorturnen kann und in allen Variationen getan hat. Um im WW2 anzukommen greift er in der Regel weit vor. Ein sehr gutes Beispiel ist auch Making History von Stephen Fry.
Was ich bis jetzt davon im Wargaming gesehen habe, ist daß unerklärlicherweise der 2.WK mit irgendeiner fortgeschritteneren Technologie genauso geführt wird wie er war, obwohl die Technologie dazu den Krieg verhindert hätte. Oder die Wunderwaffen werden ausgepackt und es geht munter weiter. Das wäre auch nicht gegangen, die Achsen Pläne waren im Grunde Im Dezember 1941 gescheitert, die restlichen 3,5 Jahre hat es eben gedauert die Fanatiker in die Knie zu zwingen. Weder ein Separatfrieden mit den westlichen Demokratien wäre gegangen, noch hätte irgendeine deutsche Atombombe was genutzt. Das zu verstehen muß man aber seriös und langfristig den historischen Diskurs durchkauen, da reicht Konflikt 47 nicht.
Auch der fantastische Künstler Jakub Rozalski mit seinen inspirierenden Gemälden zu 1920+ kann das nicht, weil die Kriegsmaschinen aus dem Nichts da sind und eine solche Story sich nur aus dem veränderten Ende der Befreiungskriege hätten entwickeln können.
Die einzige Möglichkeit sind Aliens oder Magie, und das finde ich wiederum OK, weil es plötzlich und geheim sein kann und auch was völlig anderes wird.
Meine Art kontrafaktische timelines aufzubauen geht von einem tatsächlich geplanten, historisch nicht eingetrenen Ereignis aus, das aber tatsächlich eintritt. Dazu nehme ich etwas das eintritt während der Krieg nicht mehr aufzuhalten ist, zB daß die Tschechoslovakei nicht die Verteidigunglinie preisgibt, die Nazis angreifen und die Wehrmacht putscht. Dadurch wird Deutschland destabilisiert und die Entente greift auf Seiten der Finnen in den Winterkrieg ein. Oder ich denke die französischen Miltärpläne weiter, die Truppenstärke im Libanon auszubauen und auf dem Balkan präventiv einzugreifen. Dieser Plan ist nur durch die chaotische französische Politik verhindert worden. SF Kriegsmaschinen habe ich dazu nicht.
Es kommt auf das wie an, nicht alles \"was wäre wenn\" ist glaubhaft begründbar.
Diomedes:
Ich sehe den Zusammenhang zwischen der Film Unterhaltungsindustrie und unserem Hobby nicht. Anthony Beevor sollte vielleicht eher Dokus ansehen. Wenn ich etwas über Spielfilme lesen will tue ich das bei Filmkritikern oder bei Filmwissenschaftlern.
Was mich aber eigentlich mehr interessiert ist, wie man historisches Wargaming nach der Meinung von Pedivere und Riothamus auf dem Spieltisch praktisch umsetzt. Was unterscheidet eure Spiele von anderen Spielen? Ein paar Erklärungen dazu und vielleicht ein detailierter Spielbericht um historisches Wargaming zu veranschaulichen wäre bestimmt für viele hier ganz interessant.
Pedivere:
Filme formen unsere Sicht auf wargaming, schau Dir nur an wieviele sets Warlord herausgebracht hat zum Nachspielen von Filmen.
Und das ein Historiker Filme mit historischen Anspruch in Ihrer gesellschaftlichen Wirkung bewertet, ist genau seine Aufgabe. Genau das steht auch in dem Artikel.
Der ein Punkt in dem ich ihm widersprechen würde wäre seine Kritik an \"Dunkirk\", denn dieser Film hat die Operation Dynamo als Allegorie für den Brexit benutzt, und das macht ihn zum Meisterwerk. Im Übrigen genauso Apocalypse Now, der eine Aussage hatte.
Aber zum Wargaming: Ich habs im Grunde schon gesagt, es sind die Regeln und das Szenariokonzept die dem historischen Wargaming die mir wichtige Dimension hinzufügen.
Ganz Pauschal würde ich sagen daß kein Warlord Games Spielsystem historisch ist, sondern nur dazu da ist coole Püppchen zu verkaufen. Im Gegenteil ist jedes Too Fat Lardies explizit gemacht um den jeweiligen historischen Kontext wiederzugeben. Das ist jetzt sehr überspitzt dargestellt, aber im Grunde 95% korrekt.
Und dazu muß man sich einfach nur mal Fotos von den Spielaufstellungen anschauen. Und die großen Mengen an \"Überläufern\" besonders was Bolt Action angeht. Ich kenne einige die an dem Versuch verzweifelt sind BA historisch zu spielen und dann nach Alternativen gesucht haben.
Ich bin sicher es gibt genug historische Wargamer die aus ähnlichen Gründen und mit anderen Alternativen einen großen Bogen um Warlord Spiele machen.
Warlord Games ist aber ja der GW der historischen Spieler und kriegt es immer ab, wegen seines Umsatzvolumens. Es gibt auch andere Beispiele. Hatte ich Warhammer Historical erwähnt?
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