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Der Deutsche Wargamer und Das Kino

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Löwenherz:
Hallo,

da fange ich mal mit \"Bands of Brothers\" und \"Private Ryan\" an. Beide sind von der Ausstattung, Kameraführung und Drehbuch sehr gut gemacht - da kann man nicht meckern. Aber die Geschichte und die Darstellung der Deutschen und Amis ist einfach nur grausam.

Die Amerikaner sind unbezwingbar, treffen alles und jeden und erfüllen ihre Aufträge ohne einmal die Kippe aus dem Mundwinkel zu nehmen. Wenn einer stirbt dann nur durch einen \"hinterhältigen\" deutschen Scharfschützen oder durch deutsche Superpanzer.

Danach wird aber immer kräftig augeräumt , und die dämlichen und feigen Deutschen werden niedergemacht oder fliehen.

Gefangene und sich ergebende Deutsche werden dann mal schnell um die Ecke gebracht - dies entlockt zwar mal ein \"ist-der-Krieg-doch-grausam\" Stirnrunzeln - aber das war es dann auch.

Diese Darstellung zieht sich durch das gesamte Filmwerk. Das ist öde und langweilt.

Die Filme passen aber sehr gut zu dem augenblicklichen amerikanischen Zeitgeist.

So, später mal mehr.

Gruß

Löwenherz

Lucky Jack:

--- Zitat von: \'Löwenherz\',index.php?page=Thread&postID=4657#post4657 ---Die Amerikaner sind unbezwingbar, treffen alles und jeden und erfüllen ihre Aufträge ohne einmal die Kippe aus dem Mundwinkel zu nehmen. Wenn einer stirbt dann nur durch einen \"hinterhältigen\" deutschen Scharfschützen oder durch deutsche Superpanzer.

Danach wird aber immer kräftig augeräumt , und die dämlichen und feigen Deutschen werden niedergemacht oder fliehen.

--- Ende Zitat ---


Egal ob in Privat Ryan oder BoB: Dem modernen Publikum wird suggeriert, daß die Amerikaner - zahlenmäßig unterlegen -, die Aufgabe haben, das übermächtige Böse in der Welt zu bekämpfen. Um die Unterschiede noch zu dramatisieren, haben die Deutschen entsprechende Waffen: Tiger Panzer und Halbkettenfahrzeuge. Auf amerikanischer Seite konzentrieren sich beide Filme auf die Darstellung einer kleinen, überschaubaren, scheinbar auf sich allein gestellten Truppe. Durch diesen Trick werden die wahren Kräfteverhältnisse verschleiert. Es wird vermieden auf die wahren Gründe der deutschen Niederlage einzugehen. Statt dessen soll der amerikanische Sieg auf eine angebliche moralische Überlegenheit der G.I.s zurückgeführt werden. Im Falle von BOB finde ich es etwas verwerflich, daß man zu Beginn der Episoden Augenzeugen sprechen ließ. Dadurch wird beim Durchschnittszuschauer der Eindruck erweckt, er bekäme eine reale Nacherzählung zu sehen.

Übrigens ärgern sich die Engländer wegen der einseitigen Darstellung sehr über den Film \"The Patriot\". Ganz schlecht kam bei den Briten auch der Film \"U 571\" an, weil hier suggeriert wurde, es wäre eine amerikanische U-Boot Besatzung gewesen, die das Enigma Gerät erbeutet hatte. Wir Deutschen sind also mit unserem Kummer nicht allein.

Antipater:
Ich denke, dass ich hinreichend deutlich mache, was mir warum nicht bzw. gut gefällt, wenn ich über Filme schreibe. Kann man also in den entsprechenden Threads nachlesen.
Hier nur soviel: Viele, gerade neuere Filme und Serien kranken daran, dass sie weder eine intelligente Handlung noch eine überzeugende Atmosphäre aufbauen. Bei historischen Stoffen fällt das umso stärker ins Gewicht, da sie meist den Anspruch in großen Lettern vor sich hertragen. Wenn ein Studio kein Geld für ordentliche Ausstattung und/oder gute Drehbücher hat, sollte es besser in die einschlägigen Hollywoodstreifen und -fortsetzungen investieren. Letztlich produziert das Kino/TV Geschichtsbilder, die einem unvoreingenommenen Publikum zuweilen schlecht bekommen. Und nein, Anspruch und Unterhaltungswert schließen sich nicht gegenseitig aus. Nur mit dem Holzhammer sollte man es nicht versuchen (siehe aktuell: Die Tudors).

Die ganze Misere ist hauptsächlich der Geschäftspolitik der Produktionsfirmen geschuldet, die nichts mehr riskieren wollen. Filme mit Anspruch oder Ausstattungsorgien floppen leicht an den Kinokassen bzw. spielen ihre Kosten nicht ein. Also bürstet man die Produkte auf Main stream und nimmt dafür ebenso nivellierte, d.h. niedrigere, aber dafür relativ konstante Einnahmen in Kauf. Die paar Idioten, die etwas mehr erwarten, vertröstet man auf den Director\'s Cut, und zusammen mit den obligatorischen \"Fans\" gibt das noch mal eine schöne Verkaufsquote. Ein konkretes Beispiel wäre Kingdom of Heaven: Im Kino war ich sehr enttäuscht - bedenkliche Botschaften, krude Actionsequenzen und eine zerrissene Handlung. Die einige Zeit später erschienene Extended Edition behebt sicher nicht alle diese Mängel, ist aber immerhin um einiges schlüssiger und lässt Story und Charaktere nicht so eindimensional wie in der Ursprungsfassung. Ein simpler Austausch bestimmter Szenen hätte bereits die Kinoversion in Sachen Anspruch ordentlich aufpoliert, ohne die Spielzeit zu überdehnen.

KingKobra:
Naja, Filme erzählen nun mal anders als das Leben. Du willst ja, egal ob kommerzielles Produkt oder solches mit kulturellem Anspruch, dein gedachtes Publikum bei der Stange halten. Dazu musst du aber bestimmte dramaturgische Grundkonzepte einhalten: Ausgangssituation --> Krise/Bedrohung --> Überwindung/Meisterung derselben --> Endsituation/Triumph/Läuterung. Und du brauchst Sympathieträger, auf die das Publikum seine eigenen Affekte projizieren kann. Diese Sympathieträger ergeben sich aber in erster Linie aus einer stimmigen Dramaturgie.

Den Aspekt \"Überwindung/Meisterung der Krise\" in sein Gegenteil verkehrt findet man eigentlich nur in Trinkerdramen, in denen sich irgendwelche 1b-Schauspieler einen Oscar erspielen wollen (Nicolas Cage etc). Sonst sind eher komplexe Erzählstrukturen fürs Durchschnittspublikum zu schwierig. Für das Durchschnittspublikum wird Kino als Massenmedium aber in der Regel gemacht. Realismus ist selten massenkompatibel. Kino ist eben eine Illusionsmaschine.

Frank Bauer:
Björn, schönes Thema! Habe ich leider erst jetzt entdeckt, wo das Meiste schon gesagt wurde.

Trotzdem versuche ich mal einen neuen Aspekt reinzubringen: Ich schätze mal, das typische Bild eines Wargamers in der öffentlichen Wahrnehmung ist das des nörgeligen Fachidioten, der in der Tat einen Film scheiße findet, weil zu wenig T34 darin vorkommen oder mit dem falschen MG geschossen wird. Das ist ja auch genau die Meinung, die du hier provozieren wolltest. Und ich glaube auch, sie ist verbreiteter, als sie hier geäußert wird.

Ist es also für einen guten Film entscheidend, das mit dem richtigen MG herumgeballert wird? Nein, scheiß der Hund drauf! Es ist wichtig, das der Film Esprit hat, eine intelligente und spannende Story, das er möglichst eine politisch und moralisch korrekte Aussage hat und einen EINDRUCK von der Zeit vermittelt, die er darstellt. Nur im letzten Punkt ist eine historisch korrekte Ausstattung förderlich. Natürlich stört eine historisch genaue Ausstattung nicht, ich finde es auch prima, wenn auf sowas geachtet wird, denn es zeugt davon, das die Produzenten und Regisseure sich ernsthaft mit der Materie auseinandergesetzt haben. Aber es entscheidet nicht darüber, ob ein Film gut oder schlecht ist.

Viel unentspannter bin ich, wenn es um die politische und moralische Aussage geht. Ich muß brechen, wenn ich unterirdische Machwerke wie \"Saving Private Ryan\" oder \"Band of Brothers\" sehe. Keine Ahnung, ob die Ausstattung historisch korrekt ist. Wenn sie es wäre, würde sie diese Filme um kein Deut besser machen. Warum diese Filme schlecht sind, haben hier glücklicherweise schon andere hinreichend erläutert. Da kann ich meinen Blutdruck schonen. Das den Briten bei \"The Patriot\" die Hutschnur hochgeht, kann ich auch gut verstehen. Was soll man auch erwarten von Filmen, die mit Millionenbeträgen von Pentagon gesponsort werden, um gezielt politische Desinformation sicherzustellen, bzw. die Darstellung des GI\'s massiv beeinflussen. Das sollte man mal dem deutschen Verteidigungsministerium vorschlagen. Die Welle der Empörung würde keine deutsche Regierung überleben.
Auch schlechte Drehbücher machen schlechte Filme, oder zumindest langweilige. Ausstattung hin oder her. Den von Antipater zitierten Kingdom of Heavens in der Kinofassung würde ich hier auch als Beispiel nehmen. Oder Troja.

Aber als ich im zarten Alter von Mitte 20 damals Braveheart sah, war ich begeistert. Na ja, ich war jung und begeisterungsfähig. Jedenfalls hatte ich damals auch noch deutlich weniger Ahnung von der historischen Genauigkeit und es war mir auch scheißegal. Die Story hat mich mitgerissen, die Bilder waren beeindruckend. Heute weiß ich, das es kaum einen Film gibt, der historisch und austattungstechnisch so atemberaubend falsch ist. In Braveheart stimmt gar nichts, nicht mal das Wetter :-) Aber soll ich den Film jetzt deswegen schlechter finden?
Es scheint sich ja herauszukristallisieren, das alte Filme weniger hart verrissen werden als neue. Ich glaube, das liegt zumindest zum Teil daran, das man sie sah und mochte, bevor man wußte, was alles falsch ist.

Hier die Filme, die ich liebe. Egal, ob sie eine korrekte Ausstattung haben:

Lawrence of Arabia
Letters from Iwo Jima
Im Westen nicht Neues (beide Fassungen)
Der schmale Grat
The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen)
El Cid
Braveheart
Der letzte Mohikaner
Master & Commander
Die Normannen kommen
Waterloo
Die Sharpe-Filme (ist eine Fernsehserie, zählt aber trotzdem, finde ich)

Bestimt habe ich einige der Wichtigsten vergessen... Aber wenn ich so drüberschaue, sehe ich eine ausgewogene Verteilung der letzten 50-60 Jahre Filmgeschichte. Ich kann keinen \"Qualitätsschwund\" feststellen. Schund wurde schon immer gemacht. In der Regel ist es nur glücklicherweise längst vergessen.

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