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Wargaming Podcast \"Unfinished Armies\": Episode 16 – Kampagnen
Wraith:
Oh, endlich mal wieder eine sehr schöne, interessante und tiefgehende Diskussion. Dann sage ich mal herzlichen Dank und Glückwunsch an die Podcast-Herren!
Generell muss man sagen: wieder gute Arbeit und ihr steigert euch. Im Vergleich zur ersten Ausgabe habt ihr viel viel gezielter und souveräner durch das Programm geführt ohne allzusehr abzuschweifen. Große Klasse, das. Themen waren wieder interessant und abwechslungsreich gewählt.
Freut mich, dass unser Spiel auf dem Muroco Erwähnung gefunden hat, das Regelwerk hieß übrigens \"Crossfire\". Da ich aber einige Hausregeln angereichert habe, können wir euch zu ehren diese Variante gern in \"Behind Offenbach\" umbenennen. 8) Können wir auch gern mal wiederholen.
Zur Kerndiskussion: Mir kam es beim Anhören auch etwas zu \"oberflächlich\" bzw nicht umfangreich betrachtet vor, wenn man allerdings anfängt im Geist selbst mitzudiskutieren merkt man sehr schnell, wie umfangreich das Thema ist und von wievielen Seiten man es beleuchten kann. Das sieht man ja auch an der Forendiskussion die hier ausgelöst wurde. Interessant ist beispielsweise aber auch der Vergleich gerade zum Thema 2. Weltkrieg mit der Spielerszene im Ausland. Hier scheinen doch generell wesentlich weniger moralische Bedenken zu herrschen als bei uns, warum dürfte jedem klar sein. D.h. hier ist die moralische Frage stark durch die nationale Vergangenheit geprägt, die Engländer oder gar Amis haben ja wenig bis garkeine Hemmungen mit dem Thema Waffen-XX z.B.
Ein anderes Thema was häufig die Gemüter in zwei Lager teilt sind neben dem 2. Weltkrieg noch modernere bzw aktuell stattfindende Konflikte wie Irak, Afghanistan. Hier ist sind die Streitpunkte nämlich schon wieder andere als beim WW2. Ich persönlich habe beispielsweise weniger \"Bedenken\" bei WW2 als bei einem Afghanistan-Setting, und ich weiss auch, dass es eingen anderen Leuten im Hobby da ähnlich geht.
Psychologie im Bezug auf Geschlechter ist auch ein riesen Faktor bei dem Thema \"Faszination\" für Kriegsspielzeug usw. Da muss ganz klar erwähnt werden: Krieg und \"Kampf\" ist eigentlich ein komplett männliches Thema, weshalb unser Hobby natürlich auch durch Männer dominiert wird. Moralische Einwände kommen auch zu einem höheren Anteil von Frauen, sofern sie das Hobby nicht sowieso schon total albern und kindisch finden. Mädchen teilen im Kindesalter in der Regel Null Faszination an Panzern, Gewehren und Soldaten. Da ist ein Ritter noch das höchste der Gefühle weil der könnte ja auch ein Prinz sein und mit der Prinzessin reden oder tanzen wollen... ;( ;)
Ein anderer und vielleicht der interessanteste Punkt bei dem ganzen ist aber wie ich finde, der \"Kontakt\" mit dem Nicht-Hobbyisten der die Moralkeule schwingt, die natürlich beim Thema WW2 und Afghanistan besonders groß und dick ist, und gern noch einen rostigen Nagel drin hat. Immerwieder muss z.B. der gute Frank Bauer in einem Zeitungsinterview beteuern, dass er kein Militarist, Gewalttäter oder politischer Funktionär ist. ;)
Und ich bin sicher, jedem von euch wurden schon komische Fragen gestellt oder Blicke zugeworfen. Mein markantestes Erlebnis war folgendes:
Vor ein paar Jahren habe ich im Laden in Heidelberg ein WW2-Spiel gemacht. Irgendwann kam eine typische Westadt-Mutti (die Heidelberger Westadt ist ein eher schickes Viertel indem, wie böse Zungen behaupten, überwiegend Psychologen und deren Kundschaft leben, sowie deren Familien), sie wollte für ihren Kleinen irgendwelche Warhammer/Yugi-O/Magic/-WeissderGeier-Sachen kaufen. Hat sich generell ganz interessiert umgeschaut, Fragen zu diesem seltsamen Hobby gestellt und dann natürlich auch uns beide \"älteren\" Spieler bemerkt. Als sie erfahren hat, dass wir da 2. Weltkrieg spielen (war in 6mm, daher nicht sofort auf den ersten Blick ersichtlich) ist ihr ein wenig die Farbe aus dem Gesicht entwichen und dann kam eine Frage, die ich bis heute sehr gut im Gedächtnis behalten habe, und die ich einerseits erstaunlich, andereseits aber auch irgendwie charakteristisch für das Thema \"Kontakt zur Aussenwelt\" finde, Achtung:
--- Zitat ---\"Und wie rechtfertigen Sie das?\"
--- Ende Zitat ---
Natürlich hab ich ihr dann ausführlich erklärt, dass wir da keinerlei ideologische Ziele verfolgen oder Ideen teilen, dass wir das nur als taktische Simulation sehen, als Spiel, dass wir das nicht jüngeren Kindern schmackhaft machen wollen, usw. Interessant fand ich aber ihre Reaktion und vor allem diese Formulierung oben. Bei manchen Leuten, und ich denke sie war ein Prototyp dafür, stößt das Thema im Hobby auf totales Unverständnis bis kurz vorm Entsetzen. Ich bin persönlich aber auch der Meinung, dass gerade diese Leute mit hoher Wahrscheinlichkeit oft dieses im Podcast und hier angesprochene \"gefährliche, fundierte Halbwissen\" haben, und sich nicht bewußt sind, dass wir uns um ein vielfaches mehr mit der Materie auseinandergesetzt haben, als sie mit ihren paar Einheiten Geschichtsunterricht zum Thema und den allgemein ablehnenden gesellschaftlichen Ablehnungsmantras gegenüber dem Thema zweiter Weltkrieg bzw Krieg im allgemeinen.
--- Zitat ---Wer die Gegenwart verstehen will, muss die Vergangenheit kennen
--- Ende Zitat ---
Und ich finde Fakt ist: Kaum etwas hat unsere Vergangenheit so geprägt wie die Kriege, weil es sie immer gab und immernoch gibt. Mittlerweile wird viel \"Kampf\" nicht mehr mit Waffengewalt sondern mir finanzieller Gewalt ausgeübt, aber letztendlich wird sich die Menschheit doch immer irgendwie gegenseitig bekriegen... Nix mir Weltfrieden leider.
Diomedes:
--- Zitat von: \'Wraith\',\'index.php?page=Thread&postID=134585#post134585 ---
--- Zitat ---\"Und wie rechtfertigen Sie das?\"
--- Ende Zitat ---
Natürlich hab ich ihr dann ausführlich erklärt, dass wir da keinerlei ideologische Ziele verfolgen oder Ideen teilen, dass wir das nur als taktische Simulation sehen, als Spiel, dass wir das nicht jüngeren Kindern schmackhaft machen wollen, usw.
--- Ende Zitat ---
Das kann einen sicher schon auf kaltem Fuß erwischen. Ich sehe gar keine Notwendigkeit sich in diesem Fall zu rechtfertigen und kann deine Antwort zwar nachvollziehen, finde sie aber nicht hilfreich da sie den Eindruck vermittelt, daß sich der Spieler bereits in die Defensive gedrängt fühlt. Außerdem halte ich den Ausdruck \"taktische Simulation\" für übertrieben und viel zu militärisch. Und das noch kombiniert mit dem beruhigenden Wort \"nur\".
Meiner Spielerfahrung nach haben Tabletop Wargames in etwa soviel mit realem Krieg gemeinsam wie Monopoly mit der realen Finanzwirtschaft. Und wenn ich Monopoly spiele muß ich mich auch nicht dafür rechtfertigen, daß es mein Ziel ist die anderen Mitspieler gnadenlos in den finanziellen Ruin zu treiben.
Howard Whitehouse hat \"Pulp\" Tabletop Spiele mal als gespielte Filme definiert. Der Spieler schlüpft in die Rolle seiner Truppen und beim Spiel geht darum möglichst viel Drama und Action zu entwicklen. Im Idealfall hat man noch einen Spielleiter, der die Regie übernimmt. Praktisch ist das auch auf alle anderen Tabletopthemen übertragbar. Sich \"Band of Brothers\" in Fernsehen anzusehen hat genauswenig eine politische Dimension wie \"Band of Brothers\" mit Zinnfiguren nachzuspielen.
Alternativ gibt es noch Leute die mit rein kompetetiven Gedanken an das Hobby herangehen und es gibt noch einiges zwischen diesen beiden Extremen. Aber auch ein kompetetiver Spieler wird sich seine eher nach der statistischen Kampfkraft als nach politischer Motivation aussuchen.
Im Endeffekt steht für mich nicht die Frage im Vordergrund was man spielt, sondern mit wem man es spielt. Mit einem Spieler mit NPD Aufnäher würde ich mich nicht an einen Tisch stellen, auch wenn er griechische Hopliten spielen wollte.
Rohirrim:
Ich habe den Podcast jetzt auch komplett gehört und es war wie immer sehr unterhaltsam. Vielen Dank. Die Konzentration auf ein Hauptthema fand ich diesmal sehr gelungen.
Die Anmerkung von Frank Bauer wegen der schnellen Einigkeit in der Diskussion und dem Fehlen der Frage nach der »Faszination Wargaming« kann ich gut nachvollziehen. Das ging mir ähnlich. Wahrscheinlich hat euch als FOW-Spieler das Thema Moral in Bezug auf den WW II doch scheinbar mehr auf der Seele gelegen als es einen 40K-Spieler beschäftigt. Genau zu diesem Thema gab es im Magabotato-Blog einen interessanten Artikel. Was tun wir da eigentlich beschäftigt sich eben mit der Frage, ob es moralisch verwerflicher ist WW II oder Römisches Reich zu spielen.
Was mich nach dem Podcast und der Diskussion hier etwas ratlos zurücklässt ist die scheinbare Selbstkasteiung, die ich zwischen den Zeilen zu lesen glaube: »Ja, es ist ein martialisches Hobby, aber wir gehen verantwortungsvoll damit um.«
Das ist ein Punkt, den ich weder teile noch entfernt so sehe. Ich halte dieses Hobby in keiner Weise für bedenklich und sehe auch keinen Grund mich vor irgendwem rechtfertigen zu müssen. Im Gegenteil: Ich bin zwar spät zur Tabletop-Szene gekommen, aber mir ist von Anfang an aufgefallen, dass ich selten in andern Bereichen (Schule, Studium, Musik, Sport) Menschen getroffen haben, die so umgänglich, freundlich, hilfsbereit und ohne Konkurrenzdenken sind. Wer auf Krawall gebürstet ist, der ist doch in einem Hobby – welches sehr viel Geduld und Liebe erfordert – absolut falsch. Wer sein kriegerisches männliches Wesen ausleben muss, ist doch in Kampfsportarten, Schützenvereinen oder als Türsteher besser aufgehoben und malt doch nicht abends stundenlang kleine Männchen an.
Was ich im Tabletop sehe, ist die Lust auf eine Situation in der man einen Konflikt bewältigen muss – ohne Gefahr für Leib und Leben. Das ist nichts anderes, als es uns in jedem Film oder Buch präsentiert wird. Konflikte, Konflikte, Konflikte und eine großartiges emotionales Finale braucht eine entsprechendes Leid durch das die Protagonisten hindurch müssen um uns zu einer möglichst großen emotionalen Anteilnahme bewegen zu können. Bücher ohne Konflikte gibt es nicht. Und jeder Krimi hat seine Leiche und mit Cluedo beginnt auch jedes Brettspiel sofort mit einem Ermordeten. [ Man müsste mal gegen rechnen, wie viele Menschen in diesem lustigen Familienspiel schon (fiktiv) zu Tode gekommen sind. Bei der Popularität dieses Spieles, kommen die Tabletopper möglicherweise nicht mehr mit. ]
Ein Tabletopspiel ist genau wie Cluedo eine Abstraktion, die Spaß macht. Ich glaube auch nicht, dass die Spielsysteme ernsthaft taugen wirkliche historische taktische Schlachtverläufe simulieren zu können. Das ist eine Fiktion, da wir durch Beschäftigung mit der Historie glauben, dem Ganzen mehr Authentizität einhauchen zu können. Ebenso dient das originale Darstellen von Uniformen und Fahnen der Einheiten nur der Vergrößerung der Fiktion und des Spaßes und ist für Spielverlauf genauso unbedeutend wie die wirklichen militärischen Fähigkeiten der beiden »Generäle« am Tisch. Und wirkliches Leid und Kriegselend simulieren wir dabei auch nicht, genauso wenig wie Bücher oder Filme. Der Reiz besteht eher darin, dass im Gegensatz zu Buch und Film das Ende offen ist und wir den Lauf der Dinge mit beeinflussen können.
Ob man nun WK II spielt oder nicht, bleibt am Ende ein Frage, die jeder für sich entscheiden muss. Dennoch finde ich sie berechtigt, da hier die Formel »alle Krieg sind schrecklich« eben nicht greift um sich problemlos einen Freischein ausstellen zu können. Da finde ich die Argumentation von Tankred mit dem Verweis auf spezielle deutsche Gesetzte zu unserer deutschen Vergangenheit schlüssig. Was aber auch zeigt, dass eben doch nicht alles moralisch auf einer Ebene zu liegen scheint.
Den Beitrag von Nuc (Menschlische Natur als gewaltbereites Wesen) halte ich aber noch in einem anderen Zusammenhang für sehr interessant. Viele von uns mutieren während eines Spieles plötzlich doch – gegen ihre Natur – in Alphatiere. Das wäre auch mal ein schönes Thema für einen Podcast ...
DonVoss:
Danke für den Pod. Ich habe es immernoch nicht geschafft ganz zu hören, aber es macht echt Spaß zuzuhören und nebenbei ein paar Minis anzumalen: Klasse!
Ich finde dieses Rumlabern mit gepflegtem Halbwisssen wirklich charmant. In die Ethikdisskussion will ich jetzt nicht mehr so richtig einsteigen. Aber ich finde die ganze Geschichte wirklich toll gemacht.
Sound ist super...
Vielleicht könntet ihr etwas mehr Bier trinknen, manchmal kommt mir das Ganze noch etwas zu ernst und gesittet vor. Das Hobby soll ja auch Spaß machen... :thumbsup:
Freu mich schon auf mehr.... :D
Cheers,
Don
lemming:
Wir waren ja einigermaßen gespannt, wie sich das Moral-Thema hier im Forum fortsetzen würde.
Das Thema Faszination des Wargamings oder bzw. des Krieges ganz allgemein werden wir in eine der nächsten Folgen gerne auf die Agenda setzen. Das Faszinationsthema ist ein weites Feld für sich und ich denke, dass es ganz gut war, das nicht auch noch in den letzten Podcast mit rein zu stopfen. Das wäre dann vielleicht etwas viel auf einmal gewesen.
Ein paar Anmerkungen zur \"Weitschweifigkeit\", die \"ernst und gesittet\" erscheint:
Wir versuchen zwar die Sache locker anzugehen aber auch nicht dem spaßorientierten Stil von Magabotato nachzueifern und das liegt dem einen mehr und dem anderen weniger.
Wir verlesen keine sorgfältig recherchierten und konstruierten Reportagen; wir haben kein Drehbuch und folgen auch keiner dramaturgischen Struktur wie in einer Talkshow; wir haben Fragen und Antworten nicht im Vorfeld mit unseren PR-Abteilungen abgesprochen …
Ich verstehe unsere Podcast-Serie als eine Art Stammtischgespräche.
Wir nehmen uns ein Gesprächsthema vor, der ein oder andere hat sich vielleicht vorher schon ein paar Gedanken gemacht, aber im Großen und Ganzen labern wir drauflos und schauen, wo uns der Gesprächsfluss und die Spontanität hinführen. Und die führen uns manchmal zur Weitschweifigkeit und manchmal dahin, wo es ernst und gesittet zugeht.
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