Wie angekündigt, hier die schonungslose und unverschämt subjektive Einzelwertung:
Karl von Lothringen
Einer der Oberkommandierenden der Entsatzstreitmacht trug durch gute Kommunikation zu Anfang viel zu einem koordinierten Vorgehen seiner Untergebenen bei. Allerdings verlor er nach dem schlimm fehlgeschlagenen 1. Sturmangriff auf die Türkenschanze etwas den Mut und ging für einige Runden in die Defensive. Danach raffte er sich aber wieder auf, rief Waldeck zurück, der schon am Abmarsch war und nahm mit ihm das 1.Missionsziel \"Türkenschanze\" ein. Im Nachsetzen gelang es ihm dann auch noch, das dahinter befindliche osmanische Hauptlager zu nehmen und so zur Erreichung von zwei Missionszielen beizutragen.
Zum Kampagnenbeginn war der Spieler Karl von Lothringens motiviert und gut organisiert. Er schickte regelmäßig Nachrichten und koordinierte gut die Entsatzstreitmacht. Leider nahm im Kampagnenverlauf sein Engagement immer mehr ab. Kuriere wurden nicht mehr rechtzeitig geschickt, mehrmals musste ich an den Zugabgabetermin erinnern und wurde einige Male vertröstet. Gegen Ende der Kampagne stieg der Spieler dann endgültig aus und bat mich Ersatz zu suchen. Da wir uns da bereits beim 9.Spielzug befanden, entschied ich, dass es keinen Sinn mehr macht, für 2-3 Spielzüge einen neuen Spieler einzubringen. Daher übernahm ich selbst das Kommando und versuchte, so gut wie möglich Spielleiterwissen von Spielerwissen zu trennen. Ich finde es aus Spielleitersicht enttäuschend, dass man sich für eine Kampagnenteilnahme meldet und auch noch den Oberbefehl zu übernehmen bereit ist, wenn man nicht sicherstellen kann, dass man auch genügend Zeit und Motivation mitbringen kann. Aus Zeitgründen aus der Kampagne auszuscheiden, aber dann trotzdem im Forum mehrmals täglich Posts verfassen zu können, passt für mich nicht zusammen.
Fürst von Waldeck
Durchweg eine solide Leistung sowohl vom Spieler als auch der Spielerfigur. Ging anfangs zielstrebig und aggressiv vor und hatte es eine ganze Weile alleine mit der geballten Macht Kara Mustafas zu tun (da Lothringen gelände- und organisationsbedingt hinterherhinkte). Hat auch hohe Verluste durch kontinuierliches Bombardement und beim 1.Sturm auf die Türkenschanze hinnehmen müssen. Danach wurde er abkommandiert um im Süden die Polen zu suchen und unterstützen. Wurde dann aber wieder zurückgerufen und nahm zusammen mit Lothringen die Türkenschanze ein. Hier war er das Zünglein an der Waage, das dazu beitrug die zahlenmäßige Überlegenheit über Kara Mustafa zu erlangen, die für die Eroberung nötig war. Sicherte dann am Ende die Türkenschanze, während Lothringen weiter vorrückte und hätte bei einem Fehlschlag Lothringens das Missionsziel weiter halten können.
Kurfürst Johan Georg von Sachsen
Zuerst eine Lichtgestalt, später ein fast tragischer Sieger. Ging stehts sehr besonnen, langsam und methodisch vor. Damit gelangen ihm große Raumgewinne (Pötzleinsdorf, Sievering, Cobenzlberg) und das wiederholte besiegen von Ibrahim Pascha. Dieser musste immer unter Verlusten zurückweichen, bis zur Döblinger Höhe. Dort wendete sich das Schlachtenglück. Ibrahim Pascha wurde durch Reservetruppen verstärkt und hatte eine sehr vorteilhafte Position gefunden. Nicht weniger als 4 Runden lang griffen die Sachsen an und mussten permanent unter Verlusten wieder weichen. Erst im 4. Angriff gelang es, die hartnäckigen Osmanen zu werfen und in das Türkenlager vorzudringen.
Sehr lesenswert auch die ansprechenden Kurierbotschaften, aus denen man die Furcht des Kurfürsten vor weiteren Verlusten unter seinen lieben und wertvollen Landeskindern zwischen den Zeilen herauslesen konnte.
König Jan Sobieski
Der polnische König hatte zu Beginn am meisten mit dem schweren Gelände am Kahlenberg zu kämpfen. Ich glaube er bewegte in 4 Runden genau 4 Hexfelder weit. Für den Spieler sicherlich nervig, aber (ungewollt) sehr historisch. Einmal im offenen Gelände hielt ihn dann nichts mehr und er donnerte in preschendem Galopp über die Ebene und warf, was sich ihm in den Weg stellte. Leider hängte er damit seinen Untergebenen Hetmann Jablonowski ab, der ein Stück weit zurückfiel. Da Sobieski die Gegner auch nur zur Seite drückte, aber dann nicht nachsetzte, blieben genug Osmanen zurück, um Jablonowski einen schweren Stand zu bereiten. So wurde Jablonowski fast permanent bombardiert und verlor mehrere Gefechte. Sobieski brach als erstes zu den Laufgräben durch und machte sich dann auf nach Norden um neue Gegner zu suchen. Erst als Jablonowski einen dringlichen Hilferuf sandte, machte der König kehrt und schlug Mustafa Bekri, der sonst vielleicht die Laufgräben zurückerobert hätte.
Sobieski verteilte uneigennützig die Reserven unter seinen Untergebenen und Verbündeten, zumal er sie selbst nicht benötigte. Zu den wahrscheinlich etwas zu stark geratenen Spielwerten der polnischen Reiterei habe ich ja schon was geschrieben.
Nichtsdestotrotz ein sehr stimmiges Verhalten in der Kampagne von diesem ungestümen Reiterführer.
Hetmann Jablonowski
Er unterstellte sich bereitwillig dem polnischen König und korrespondierte auch nur mit diesem. Manchmal hatte ich den Eindruck dass er entweder unentschlossen oder gespielt nachtragend ist. Auf jeden Fall kämpfte er fast die ganze Zeit irgendwie gegen Mustafa Bekri um dessen Schafberg-Schanze herum (auf Hexfeld M.15). Er verlor dabei (wie Mustafa Bekri auch) aus dem Blick, dass dieses Feld für die Erreichung der Misssionsziele unerheblich ist. Als er Sobieski dann Richtung Laufgräben nachfolgen wollte, wurde er abgehängt und von Sari A´Basha geschlagen. Dankenswerterweise versäumte Mustafa Bekri den folgenden Zug und die Koordination zwischen ihm und Sari A´Basha war nicht die beste. Anderenfalls hätte das fast das Ende für Jablonowksi bedeuten können.
Es spricht dann wieder für Jablonowskis etwas chaotische Heerführung, dass er im letzten Spielzug dann doch noch die Schafbergschanze einnahm (kampflos, Mustafa Bekri war schon abmarschiert), anstatt Sari A´Basha aus Hernals zu vertreiben und damit das Misssionsziel \"Laufgräben vor Wien\" zu erreichen.
Alles in allem eine tapfere Performance, die aber, nicht immer aus eigener Schuld, zumeist einen Schritt hinterher hinkte.
Kara Mustafa
Die anspruchsvollste Rolle in diesem Spiel. Der türkische Oberkommandant steckte in dem Dilemma, mit einer, größtenteils berittenen, leichten Armee eine standhafte Verteidigung durchführen zu müssen, am besten ohne einen Meter Boden preiszugeben. Und das gegen einen Gegner, der mit viel schwerer Infantrie und Kavallerie für einen entschlossenen Angriff prädestiniert war.
Und das noch auf einem sehr großen Gebiet, das die Osmanen abdecken mussten.
Er hatte wesentlich schlechtere Truppen, wenn auch zahlenmäßige Überzahl.
Der osmanische Oberbefehlshaber steckte gleich am Anfang viel Mühe und Hirnschmalz in einen detaillierten und soliden Schlachtplan, den er seinen Untergebenen minutiös vortrug und sie durch detaillierte Instruktionen ständig an die Kandarre nahm.
Besonders erwähnenswert ist der Entwurf eines Chiffrierschlüssels, damit Botschaften, die vom Feind abgefangen wurden, für diesen weitestgehend wertlos sind.
Er teilte sich gleich zu Beginn großzügige Reserven zu, nahm aber dafür auch den Großteil der Verteidigung selbst in die Hand. Teilweise stand Kara Mustafa alleine gegen die drei kaiserlich/deutschen Kontingente und konnte sich trotzdem durch bewegliche und gut durchdachte Heerführung behaupten und deutliche Siege erringen. Er stieß schnell zu, wo der Gegner unterlegen war und zog sich erst in seine Türkenschanze zurück, als er gegen eine deutliche Übermacht stand. Es war ihm bis dahin gelungen, jeweils Waldecks und Lothringens Truppen aufs äußerste zu schwächen. Nur die vereinten Bemühungen der beiden und die späten polnischen Reservetruppen konnten es schaffen, Kara Mustafa dann doch zu schlagen. Nach der Einnahme der Türkenschanze und ohne Zugriff auf weitere Reserven hatte er dann Lothringens letztem Angriff nur noch wenig entgegen zu setzen und verlor auch noch das Türkenlager an die Kaiserlichen.
An Kara Mustafas Beispiel ist sehr schön die Dynamik abzulesen, ob man Reserven früh oder spät einsetzen sollte. Kara Mustafa zog sehr früh viele Reserven an sich. Dort waren sie aber in der Masse länger den alliierten Bombardements ausgesetzt und hatten deswegen hohe Verluste. Im Gegensatz dazu setzten Lothringen/Sobieski ihre Reserven spät ein und so konnten diese noch ihren Beitrag zu den letzten entscheidenden Gefechten leisten. Es ist natürlich die Frage, ob Kara Mustafa ohne die frühen Reserven überhaupt so lange durchgehalten hätte. Aber immerhin hätten die Osmanen die Kampagne gewonnen, wenn das Spiel nach der 9.Runde beendet gewesen wäre.
Aber auch wenn er letztendlich eine deutliche Niederlage einstecken muss, ist Kara Mustafa doch viel Achtung für seine beeindruckende Leistung zu zollen und es drängt sich mir der Verdacht auf, dass man dieses Abwehrgefecht an seiner Stelle nicht viel besser hätte schlagen können.
Vielleicht ist generell dieses Szenario für die Osmanen auch kaum zu gewinnen, aber wer weiß das schon im voraus. Außerdem ist die Geschichte und insbesondere die Militärgeschichte selten ausgeglichen und fair ;-)
Ibrahim Pascha
Ibrahim Pascha war in der ganzen Kampagne ein Einzelgänger. Er stimmte sich mit niemand ab, schickte nie Kuriere und konzentrierte sich ganz auf seine Aufgabe. In seiner Spiel-Performance ist er natürlich genau das Gegenstück zu seinem Exklusiv-Feind aus Sachsen. Zuerst muss er sich ständig geschlagen geben, seine Kanonen treffen nicht gut und er muss sich immer wieder zurückziehen. Aber als er auf der Döblinger Höhe steht, scheint es, als ob ihn dort nichts mehr weg bewegen könnte. Er trotzt heroisch den vier Angriffen der Sachsen und erst im letzten Gefecht ist er zu ausgeblutet um nochmal das Ruder herum zu reißen. Er verliert das letzte Gefecht in der letzten Runde und muss damit das türkische Hauptlager dem Gegner preis geben. Alles in allem aber eine sehr solide Leistung vor allem in der Verteidigung, evtl. mit etwas zu wenig Phantasie in der Offensive.
Mustafa Bekri
Die war das zweite Kommando, das während des Spiels den Befehlshaber wechselte. Ursprünglich war es ein schnelles reines Reiterkommando, wurde aber von Kara Mustafa mit Infantrie und Artillerie beschlagen und damit zu einem langsameren gemischten Kommando gemacht.
Ihm oblag die Verteidigung des Südens und der Laufgräben vor Wien. Die erste Hälfte des Spiels blieb Mustafa Bekri in der ihm zugewiesenen Aufstellungsposition und tat...garnichts. Es wurden nicht einmal Erkundungstrupps vorausgeschickt. Und just in dem Moment, als die Polen nahe genug heran waren, meldete sich der Spieler krank und bat mich um Ersatz. Ob seine bisherige strikte Passivität mit Kadavergehorsam zu dem Halten-Befehl, oder einfach Phantasielosigkeit, zu interpretieren ist, mag ich nicht zu beurteilen.
Kaum ein neuer Spieler und schon kam frischen Wind in die Geschichte. Der „neue“ Mustafa Bekri ging umsichtig vor, baute seine Verteidigung solide aus und unternahm auch den ein oder anderen Stosstrupp ins Umland. Er hatte nur das Pech, dass er immer mit seiner relativ schwachen Kavallerie an die gnadenlose polnische Husaria geriet. So konnte er den Durchbruch König Sobieskis nicht verhindern und verlor jedes Reitergefecht gegen ihn.
Andererseits hielt er sehr erfolgreich seine Schanze gegen Hetmann Jablonowski und konnte diesen im Nahkampf und Bombardement deutlich dezimieren.
Nur am Schluss startete er wahrscheinlich eine Runde zu spät, um mit seinen guten Janitscharen und der Artillerie noch die Polen aus den Laufgräben vor Wien zu werfen.
So muss ihm die Geschichte (also ich ;-)) das undankbare Urteil ausstellen, zwar tapfer gekämpft zu haben, aber weder die Polen am Erreichen der Missionsziele gehindert, noch selbst zu deren Rückeroberung beigetragen zu haben (obwohl er die nötige Masse und passende Truppentypen gehabt hätte).
Sari A´Basha
Dieser Charakter ist am schwierigsten zu bewerten. Er hatte ein reines Reiterkommando, das fast ausschließlich aus leichten Tartarenreitern bestand. Einen guten Teil seiner stabileren Sipahi verlor er, als er eine Runde lang in ein mörderisches Artilleriebombardement Hetmann Jablonowskis geriet. Dadurch verlor er weiterhin an Durchschlagskraft.
Er nutzte zwar zuerst die Schnelligkeit seiner Truppen gut aus und es gelang ihm auch ein Flankenangriff mit zwei Trupps auf einen Husarentrupp Sobieskis, aber der führte unglücklicherweise zu nichts, da Sobieskis Reiter schnell genug umgruppieren konnten und die nötige Härte hatten, die leichten Tartaren zurückzuschlagen.
Ich gebe zu, dass es im Kampagnen-Regelwerk und auch im DBA-Regelwerk kaum Vorteile bietet, den Feind an der Flanke zu bekommen, da er sich immer frei zudrehen kann, solange er nicht auch frontal gebunden ist.
Danach musste Sari A´Basha kontinuierlich zurückweichen und den Polen Boden preisgeben. Erst als er in Hernals die Schanze besetzte und einen Teil seiner Reiter als Garnison absitzen ließ, gab ihm das eine stabile Basis. So konnte er den schon geschwächten Jablonowski im Gefecht schlagen und verhindern, dass dieser ebenfalls zu den Laufgräben durchbricht.
Mangels Abstimmung mit Mustafa Bekri, und wegen dem rettenden Eingreifen Sobieskis, kam er nicht mehr dazu, die gefährlich an beiden Seiten eingeklemmten Truppen Jablonowskis in einer koordinierten Zangenbewegung zu zerschlagen.
Somit bietet die Perfomance Sari A´Bashas etwas Licht und viel Schatten. Ich weis aber auch nicht unbedingt, wie man dieses Kommando hätte effektiver spielen können. Vielleicht wäre es eine gute Idee gewesen, schnell bis zum schwierigen Gelände auf dem Michaelsberg oder Schafberg vorzureiten, den Gegner dorthin zu locken, dann abzusitzen und als leichter Fussplänkler das Gefecht im schwierigen Gelände mit Höhenvorteil zu führen.
Oder, in Abstimmung mit der Armeeführung, Mustafa Bekri mit seinen soliden Truppen nach vorne zu schicken und (mit abgesessenen Truppen) die Verteidigung der beiden Schanzen auf M.15 und P.16 zu übernehmen.
Wie dem auch sei, betrachtet man die historische Situation, in der die Tartaren schon beim ersten Feindkontakt die Flucht ergriffen und die Osmanen im Stich ließen, so hat sich in der Kampagne Sari A´Basha gut verkauft :-)