Die Sache ist doch sonnenklar und sie hat sehr eng mit der Entwicklung der Feuerwaffen zu tun. Im Laufe des 18. Jh. kam es zu einer Abkehr vom Gebrauch der Feuerwaffen zu Pferde, die dann weitgehend nur noch beim Plänkeln, aber nicht geschlossen zum Angriff benutzt wurde. Die Pistole wurde von der früheren Angriffswaffe (Caracole) zur Defensivwaffe für Notfälle und sogar mehr oder weniger zum Lärminstrument zum Alarmschlagen degradiert. Den Vorzug hatte die Attacke mit der blanken Waffe. Genau deshalb wurden die Feuerwaffen immer mehr vernachlässigt, was sich auch auf deren Gestalt auswirkte, denn sowohl Pistolen als auch Karabiner wurden immer kürzer. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war nicht zuletzt auch kriegsbedingt die Ausstattung mit Feuerwaffen auf dem Tiefststand angelangt, die Teile von den Reitern aber auch kaum vermisst. Etwa gleichzeitig kam die Massenausstattung mit Lanzen auf, die immer mehr Kavalleriegattungen erfasste und bis 1900 sogar die gesamte deutsche Kavallerie betraf. Die Verbreitung gezogener Feuerwaffen hatte wenig Einfluss auf die Kavallerieausrüstung. Selbst als sie dann doch gezogene Karabiner bekam, waren ihre Schusswaffen immer vergleichbaren Infanteriewaffen unterlegen. Erst relativ spät veränderte man die Taktik wieder zu einem dragonermäßigen Vorgehen, wobei man davon ausgehen kann, dass der Trend grundsätzlich weg von der Schlachtenkavallerie ging (ACW).
Insgesamt hatte Kavallerie im 19. Jahrhundert einen grundlegenden Bedeutungswandel erfahren. Sie war nun nicht mehr die 2. Hauptwaffe neben der Infanterie, sondern eine Art Hilfstruppe und wurde in ihrer Bedeutung von der Artillerie abgelöst. Selbstverständlich hatte das auch Auswirkungen auf den taktischen Einsatz. Bereits im SYW wurde von der \"klassischen\" Aufstellung in drei Treffen abgewichen und die Kavallerie in Teilen auch als Reserve hinter dem Zentrum und nicht mehr nur an den Flanken aufgestellt. Dieser Trend verstärkte sich, indem zunehmend die Masse der Kavallerie in Reserve aufgestellt wurde und nur Teile der leichten Reiterei Flankenschutz leisteten, nun aber nicht mehr mit dem Ziel eines massiven Angriffs der Kavallerieflügel. Was also früher die Hauptaufgabe war, wurde nun zur Nebenaufgabe. Die Reiter wurden nun zunächst weiter hinten aufgespart. Durch stärkere Konzentration versuchte man noch Entscheidungen durch die Kavallerie herbeizuführen, was aber selten bis nie gelang, weil meist garnicht soviele Reiter an einem Ort eingesetzt werden konnten, weil die räumlichen Verhältnisse das garnicht zuließen. Der Einsatz massierter Kräfte kam generell an eine deutliche Grenze, denn selbst in den größten Schlachten entschied die Kavallerie allein kaum noch etwas.
Ein weiterer Punkt betrifft die Gestaltung der Kavalleriegattungen. im 18. Jahrhundert galten nur die Kürassiere/schweren Reiter als eigentliche Kavallerie, die Dragoner als berittene Infanterie und die leichten Reiter als Irreguläre. Das veränderte sich bis ins 19. Jh. dahingehend, dass alle Gattungen zu regulärer Schlachtenkavallerie wurden. Von einigen reaktionären Rückschritten einmal abgesehen entwickelte sich daraus langfristig eine Einheitskavallerie, wie sich trotz Unterschieden in Uniformierung etc. auch eine Einheitsinfanterie entwickelte. Zu diesem Zeitpunkt (Mitte 19. Jh.) kann man schon langsam davon ausgehen, dass die Schlachtenkavallerie eigentlich obsolet war. Es gab auch keine von den riesigen kürassierlastigen Kavalleriereserven wie in der napoleonischen Zeit mehr. Gegen Ende des Jh. war das Idealbild der Allrounder, der sowohl zu Fuß als auch zu Pferd kämpfen können sollte, was ich für eine deutliche Überforderung halte, zumal wenn die Truppe wie in Deutschland auch noch mit Lanzen belastet war. Grundsätzlich wurde die Kavallerie nun weniger taktisch auf dem großen Schlachtfeld zusammen mit der Infanterie eingesetzt, ihre Rolle gehörte nun eher in den strategischen Bereich der gewaltsamen Aufklärung, Raids etc., was früher Aufgaben der leichten Kavallerie waren.
Insgesamt wird deutlich, dass sowohl Waffengebrauch, Organisation der Großverbände, taktischer, strategischer Einsatz und überhaupt die Bedeutung der Kavallerie für die gesamte Kriegführung einem deutlichen Wandel unterworfen waren.
Grüße
Gunter