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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches

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Tumbertor:
Hi,

zu Thaddäus und Severus.

Ich meine, dass es neben dem moralischen und dem indifferenten Standpunkt zur Bewertung der Historie auch noch einen dritten gibt, den ästhetischen.

\"Denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt.\"  F.Nietsche

Wie will man etwa ein historisches Juwel wie den Untergang der Azteken moralisch beurteilen ?  Wer sind denn hier die \"Guten\" ? Und sollte man sich als Wargamer etwa wünschen, es hätte die Napoleonischen Kriege nie gegeben ?

Der Untergang Roms ist nun einmal, von Ferne betrachtet, reizvoller als manche ruhigere Epoche. Ich stelle mir die Betrachtung in etwa so vor, wie ein Zoologe sich mit kalter Erregung die Tumulte zwischen zwei Termitenhaufen unter der Lupe anschaut.

Übrigens, wer gerne GoThrones schaut, sollte diese Perspektive eigentlich kennen.

Gruß

severus:

--- Zitat --- Der Untergang Roms ist nun einmal, von Ferne betrachtet, reizvoller als
manche ruhigere Epoche. Ich stelle mir die Betrachtung in etwa so vor,
wie ein Zoologe sich mit kalter Erregung die Tumulte zwischen zwei
Termitenhaufen unter der Lupe anschaut.
--- Ende Zitat ---
Vielleicht ist auch so wie bei schweren Autounfällen. Alle finden es eklig, aber alle glotzen hin 8o .

@ Mansfeld mir geht es da wie dir. Wenn ich Untergang höre, habe ich irgendwie rauchende Ruinen und Trümmerfrauen vor mir und Männer in umgefärbten Uniformen. ( Bevor das nächste Offtopic losgeht, ich habe den neuesten Beitrag zum Mythos Trümmerfrau zu Kenntnis genommen.)Also den endgültigen und totalen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung.

Hanno Barka:
Nur mal so als Denkanstoß/ Einwurf/ whatever... : Für die Menschen des 5. Jahrhunderts gab es kein weströmisches (oder oströmisches Reich) - es gab den orbis terrarum. Die Teilung in 2 quasi voneinander unabhängige Staaten ist auch etwas was wir aus moderner Sicht nachträglich implementiert haben. Selbst nach Theodosius gab es nur ein römisches Imperium. Ich verwende diesen Begriff hier bewußt in seiner lateinischen Urbedeutung (Herrschaft) und als Basis des militärischen Ehrentitels Imperator, weil das ein wenig vermittelt was das römische Reich für seine Bewohner war. Wie schon erwähnt hatten diese Leute keinen mit unserem vergleichbaren Begriff von Staat. Zumindest bis Diocletian (der den Titel Domninus beanspruchte) wussten die Römer nicht mal, daß sie ein Kaiserreich waren, sondern hielten sich für eine Republik ... Der Titel Imperator war, wie gesagt ein militärischer Ehrentitel, der einem Feldherren verliehen wurde, wenn ihm ein Triumphzug genehmigt worden war. Augustus und Caesar waren bloße Ehrentitel ohne damit verbundene gesetzliche Funktionen. Die faktische Macht des \"Kaisers\" leitete sich vor allem von seiner Unterstützung des Militärs ab. (zu Beginn der Prätorianer später dann der \"gewöhnlichen\" Legionen), die gesetliche Legitimation leitete sich davon ab, daß er stets einen, oft auch gleichzeitig mehere Schlüsselposten der Republik innehatte. (Konsul, Diktator, Pontifex Maximus, Volkstribun etc. pp.) Und seit Diokletian war man auch gewohnt, daß das Reich mehr als einen Augustus ond Caesar haben konnte.
Ich will hier nicht vom Thema abschweifen, aber ich versuche mal zu unterstreichen wie unterschiedlich das römische Reich aus damaliger vs. heutiger Sicht ist.
Und was hat sich jetzt nach der Machtergreifung Odoakers in Italien (dem defacto letzten Gebiet, über das das \"weströmische Reich\" noch faktische Macht ausüben konnte) für den einfachen Bürger (aber auch den typischen Adeligen) verändert?
Rekapitulieren wir die Situation vor Odoaker: Das politische Zentrum ist Ravenna, dort sitzt die Verwaltung und es gibt es einen (ethnisch germanischen) Patricius, der de facto die Macht innehat,da er die germanischen Foederati hinter sich stehen hat. Des weiteren gibt es in Ravenna noch einen Augustus, der wie schon seine Vorgänger eine Repräsentationsfigur ist, nach der Pfeife des Patricius tanzen muss und keine faktische politische Macht in Italien inne hat.
Vergleichen wir die Situation nach der Machtergreifung Odoakers:  Das politische Zentrum ist Ravenna, dort sitzt die Verwaltung und gibt es einen (ethnisch germanischen) Patricius, der de facto die Macht innehat,da er die germanischen Foederati hinter sich stehen hat. Des weiteren gibt es eine Augustus in Konstantinopel, der zwar nicht nach der Pfeife des Patricius in Ravenna tanzt, aber keine faktische politische Macht in Italien inne hat.
Das ist dann der Untergang der römischen Zivilisation?

ps: Afaik weiß man nicht sicher ob Odoaker den Titel rex Italium selbst getragen hat, oder ob er ihm von der Geschichtsschreibung posthum verliehen wurde.

severus:

--- Zitat ---stets einen, oft auch gleichzeitig mehere Schlüsselposten der Republik
innehatte. (Konsul, Diktator, Pontifex Maximus, Volkstribun etc. pp.)
--- Ende Zitat ---
Das ist in der Tat eher Legitimation als reale Machtbasis. Aber mir der faktischen Entmachtung des Senats waren die Magistraturen noch viel mehr als in republikanischer Zeit bloße Ehrentitel. Den verfassungsmäßigen Ausdruck für die Macht des Princeps fand sich in der tribunicia potestas ohne das Tribunat inne haben zu müssen. Und sie spiegelt auch wider, wie kaiserliche Macht seit Augustus ausgeübt wurde. Denn die tribunicia potestas war keine Macht, etwas zu forcieren, sondern Gesetzeseingaben per veto zu unterbinden. Das Wesen des Prinzipats war bis zu den Soldatenkaisern im Wesentlichen darauf gsetützt, die Kontrolle über die strategisch wichtigen Provinciae und über das Militär auszuüben und ansonsten den Senat Rom verwalten zu lassen und lediglich dann einzugriefen, wenn dies den Kaisern notwendig erschien. Und natürlich Einfluss darauf zu nehmen, wer, welchen Posten bekleidete. Im Übrigen stützten sich die Principes im Wesentlichen auf die senatorische Oberschicht und noch Sueton urteilt über die verschiedenen Kaiser, inwiefern sie gegenüber der senatorischen Oberschicht die nötige Würde wahrten und deren Stellung wahrten. Es ist bezeichnend, dass genau die Kaiser einen gewaltsamen Tod fanden, die gegen dieses Prinzip verstießen und sich eine anderweitige Machtbasis zu schaffen suchten. Caligula, Claudius(wohl) Nero. Sie alle überzogen die römische Senatsaristokratie mit Schmähung und Terror.


Erst unter den Soldatenkaisern änderte sich die Machtbasis und Herrschaftsausübung. An die Stelle der Senatoren rückten die Ritter. Da erst kam eine umfangreiche kaiserliche Verwaltung auf.

Tumbertor:

--- Zitat von: \'severus\',\'index.php?page=Thread&postID=192725#post192725 ---Vielleicht ist auch so wie bei schweren Autounfällen. Alle finden es eklig, aber alle glotzen hin 8o .
--- Ende Zitat ---

Ich denke, es ist nicht einfach nur das \"Blut\" oder sogar der Ekel. Mehr das Gefühl eines gänzlich Fremden oder Fernen und dann doch wieder der Vertrautheit.

Historischer Krieg, Chaos und Gewalt sind ja weniger aus Sensationsgründen interessant als vielmehr durch die Intensität und Dichte der Handlung. Die ganze Breite menschlichen Handels steht plastisch vor einem.

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