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Ethik und Wargaming

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Antipater:
Ohne selbst mitmischen zu wollen, zwei Aussagen finde ich wichtig:


--- Zitat von: \'Goltron\',\'index.php?page=Thread&postID=201606#post201606 ---
--- Zitat ---Spielt die zeitliche Nähe eine Rolle bei der moralischen Einschätzung?
--- Ende Zitat ---
Natürlich! Je näher desto eher kann man unsere heutigen Moralvorstellungen anwenden.
--- Ende Zitat ---

Schlimmer noch, wir WISSEN, dass die Werte (nicht unbedingt die Moral) der sogenannten westlichen Welt schon in jüngerer Vergangenheit gegolten haben. Und deshalb sind wir umso schockierter, wenn gegen diese Werte – egal ob unwissentlich oder absichtlich – verstoßen wurde und wird. Das Naziregime etwa ist schließlich aus einer Gesellschaft hervorgegangen, die der unseren zumindest wesensähnlich ist. Wir WISSEN also – obwohl Opa natürlich niemals nicht ein Nazi war –, dass uns mit dieser Vergangenheit viel mehr verbindet als uns die aus ihr erwachsenen Gräuel von ihr trennen.
Für weiter zurückliegende Epochen fehlt uns schlicht der unmittelbare Vergleich, und uns fällt sogar viel eher das Trennende, Andersartige auf. Vor dem Hintergrund dieser eben andersartigen Wertmaßstäbe bringen wir auch mehr Verständnis für eventuelle \"Folgeerscheinungen\" auf. Einen \"Genozid\" kann es etwa bei den Römern nicht geben, weil ihnen damals nicht nur die \"technischen Mittel\" unserer Zeit fehlten, sondern vor allem weil, soweit erkennbar, die Leute auch ganz anders tickten, ihnen entsprechende Vorstellungen, Begriffe, Maßstäbe fehlten. Das macht tatsächliche Grausamkeiten nicht besser; aber die dazwischen liegenden Veränderungen machen es unmöglich und sogar unlauter, direkte Vergleiche anzustellen. Sich in Beziehung mit Vergangenheit zu setzen, hat nämlich nichts mit Aufrechnerei oder persönlicher Betroffenheit zu tun. Auch wenn\'s schwer fällt.



--- Zitat von: \'Goltron\',\'index.php?page=Thread&postID=201606#post201606 ---Das das im Ausland gut ankommt mag auch an einer Verbindung von Unbetroffenheit und Unwissen liegen. Als Deutscher ist man durch die Aufarbeitung der Vergangenheit etwas Befangen und darauf können wir durchaus Stolz sein finde ich.
--- Ende Zitat ---

Dem möchte ich mich einfach und vorbehaltlos anschließen. Im sehnsüchtigen Blick auf das \"unverkrampfte\" Ausland wird das als Errungenschaft allzu gern vergessen.

Florian:
also in weiten teilen kann ich mich antipater da anschließen. näher liegende konflikte, deren politische hintergründe gar noch bis heute bestand haben lassen einem natürlich weniger chance zur distanzierten betrachtung als etwa die kriege zwischen rom und karthago (so grausam diese waren).

ich spiele etwa seit langem SCW und habe eine große repubikanische truppe beisammen. als ich irgendwann beschloss, die nationalistisch/faschistische gegenseite auch zu sammeln - damit ich nicht immer auf mitspieler angewiesen bin, die das sammeln - musste ich mich wirklich überwinden diese zu bemalen. ich finde diese leute verachtenswert und ihre politik wirkt ja bis heute fort.
ich habe über den SCW einen teil meiner magisterprüfung gemacht. ich weiß, dass es hunderttausende opfer unter der bevölkerung (auch noch weit nach dem krieg) gab. ich weiß, dass es fast alle damals beteiligten parteien und gruppen heute in spanien noch gibt (und natürlich auch in deutschland, was unsere nazis angeht, die ja auch mitgemischt haben) und dass es z.b. im baskenland auch immer noch gewalt gibt, die ihre wurzeln in diesem konflikt hat. ich weiß, dass dieser konflikt in spanien noch nicht aufgearbeitet ist und dass es viele opfer des franco-regimes gibt, die es befremdlich finden könnten, dass ich den SCW mit spielzeugsoldaten nachstelle.
dennoch habe ich die minis schließlich bemalt, spiele aber zugegebener maßen immer noch viel lieber die republikaner. aber ich habe keine probleme damit das szenario zu spielen. eins ist nämlich auch war: unter wargamern bin ich auf viel mehr menschen getroffen, die eine vorstellung davon haben, was damals in spanien passiert ist. und bisher hat keiner davon dabei irgendeine reaktionäre freude am sieg der nationalisten gezeigt. heiß also: wargaming scheint hier eher zur aufklärung über einen gern vergessenen teil der neueren europäischen geschichte beizutragen, was schonmal gut ist.

und was natürlich irgendwie auch stimmt: mindestens auf dem tisch kann ich manschmal die franco-nationalisten rennen sehen. und das ist doch auch schon mal ganz schön. ^^

Maréchal Davout:

--- Zitat von: \'Blüchi\',\'index.php?page=Thread&postID=201619#post201619 ---Die Frage wäre dann was überhaupt aus ethischen gründen spielbar ist ?
--- Ende Zitat ---
Es bedürfte schon einer triftigen Argumentation, die ich gespannt wäre, zu lesen, um das Spielen mit Figuren als moralisch relevante Handlung zu bezeichnen oder als solche zu verdammen.

Aber was passiert, wenn denkende, neugierige Menschen mit Figuren spielen? Sie sprechen über die Kontexte. In diesem Gespräch über die Kontexte sind wir als mündige Menschen verantwortlich, denn hierin liegt eine Chance zur Aufklärung und Förderung eines Bewusstseins für Geschichte. Das Wissen um die Schrecken des Krieges nicht zu vergessen und auszublenden, finde ich hierbei wichtig. Das muss nicht an jeder Stelle erwähnt werden, ich finde es aber merkwürdig und eventuell gefährlich, wenn es sehr wenig bis garnicht vorkommt. Denn dann könnten sich Leute, die durch welche Sozialisation auch immer nicht anderweitig mit dem größeren Kontext beschäftigen, in einer Blase lebend, ein sehr reduziertes Bild von Geschichte und Krieg entwickeln und kultivieren. So könnte von manchem auch wieder leichtfertiger einem neuen Krieg in der realen Gegenwart zugestimmt werden.

Ist man sich grundsätzlich der Schrecklichkeit echten Krieges, ob in der Vergangenheit oder heute, bewusst, dann bleibt es
1. eine Frage des Geschmacks und
2. vielleicht auch eine Frage der Art, wie man TT spielt, wovon abhängt, wie jeder für sich entscheidet, etwas spielen zu wollen, oder nicht.
Das Wort Geschmack ist vielleicht nicht das Beste, aber ich meine hiermit, dass es nicht moralisch relevant ist, sondern jeder hier anders entscheidet und dies auch unproblematisch ist.

zu 1. Hierbei kann, wie z.B. von Antipater ausgeführt, zeitliche Nähe und der Konflikt mit bzw. die Anwendbarkeit heutiger Moralvorstellungen eine große Rolle spielen. So habe ich z.B. keine Lust, Konflikte des 20. Jahrhunderts oder später zu spielen, was bei bestimmten Szenarien besonders der Fall wäre.

zu 2. Hiermit meine ich, wieviel Kopfkino oder Identifikation für jeden Spieler jeweils Teil des Spielens ist. Ich kann mir Leute vorstellen, die einfach zocken und sich auch nicht mit dem Hintergrund eines Konfliktes beschäftigen wollen und für die die Minis zwar cooler aussehen, aber nicht mehr sind, als Schachfiguren. Das wäre okay und ich wäre bei so einem Spielertyp weniger überrascht, wenn er einfach jeden Konflikt spielen könnte, ohne da irgendwelche Hemmnisse zu haben.
Es ist auch denkbar und sehr wahrscheinlich, dass dieses Maß an Befangenheit schwankt, je nach zeitlicher und kultureller Nähe des Konfliktes.

Fazit: Das Spielen selbst kann für mich nicht problematisch sein, die Art, wie wir im Kontext aber über Konflikte sprechen bzw. diese darstellen (auch in Regel- und Hintergrundbüchern), sehr wohl. Z.B. wenn wir selbst gewisse Rassismen oder Verherrlichungen von Krieg unreflektiert transportieren.

Gruß
Felix

Blüchi:
@FELIX  :thumbsup:

Die Ethik ist stehts im Wandel.......schaut man nur mal im Spielwarenladen...thema \"kriegsspielzeug\"


Könnte sein das im tt evtl der Nachwuchs in geraumer zeit fehlt.

Graf Gaspard de Valois:
Der einzige Konflikt den ich im 20 . Jahrhundert bespielen würde, ist WW2! Trotz der damaligen Vorkommnisse! Andere Konflikte davor oder danach interessieren mich nicht! Zumindest nicht, was das Wargaming betrifft!

Der 2. WK und die damit einhergehenden Folgen bzw. das was damals geschehen ist, war lange Zeit ein Tabu in unserem Land! Deswegen gibt es auch dieses gespaltene Verhältnis zu allem Militärischem!

Es wäre sehr schön, wenn keine Polizei und kein Militär nötig wären und man Probleme gemeinsam und mit gesundem Menschenverstend lösen würde! Allein, ich fürchte das ist leider eine sehr unrealistische Wunschvorstellung, wie die jüngsten Ereignisse zeigen!
 
Was haben wir als Menschheit also aus der Vergangenheit gelernt?

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