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Ethik und Wargaming

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Schmagauke:
Ich widerspreche da in einem Punkt, Decebalus, aber das hat wohl mit meiner persönlichen (und leider noch zu seltenen Denkweise) zu tun:
Ich fühle mich nicht aus einer bestimmten Gesellschaft stammend (auch wenn dem natürlich so ist).

Ich gewöhne mir immer mehr ab, in Nationalitäten, verschiedenen Gesellschaften etc zu denken.
Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen und es ist überfällig, daß wir beginnen, von UNS zu denken, von uns MENSCHEN.
Nicht \"wir Deutschen\" und \"die Syrer\" oder \"unsere Gesellschaft\" und \"deren Gesellschaft\".

Ich vergleiche das gerne mit einer Art Kastendenken.
\"Wir Deutschen\" sind ja so viel anders als \"die da\".

Es ist genau dieses nationale Denken, das Unterteilen der MENSCHHEIT in Gruppen und Zonen und Untergruppen und Unterzonen, das immer und immer wieder zu den bekannten Problemen führt.

Wir dürfen die Geschichte niemals vergessen oder aus den Augen verlieren, wir müssen immer aus ihr lernen.
Ich habe für mich gelernt, daß das ständige Rumreiten auf \"wer hat welche schlimmen Dinge verursacht\" immer wieder dazu führt, daß von \"wir\" und \"die anderen\" die Rede ist.

Ich will kein \"wir\" und \"die anderen\" mehr, ich will nur noch \"WIR\". Damit wären 90% der Probleme der Welt erledigt (Utopia, ich bleibe ein hoffnungslos kühner Optimist...).

Werit:
[/li][li]

Camo:
*Mod-Mäntelchen schwenk* Wir bleiben bitte brav, keine Anfeindungen oder dergleichen. Bisher klappt das prima, aber bleibt bitte auch so.

Und nun ohne Mod-Mäntelchen:
Die Figuren sind nur das - Figuren. Ein geformter Klumpen eines gewissen Materials. Kein Soldat, kein Panzer, kein Yeti. Dieser Klumpen lebt nicht, begeht keine Greueltaten und stirbt auch nicht. Damit sehe ich im Püppchenschieben keine größere ethische, moralische oder gewaltverherrlichende Gefahr als beim Schach. Das begann seine Karriere ja auch als taktische Simulation.
Von daher gibt es für mich persönlich kein No-Go-Thema... zumindest wenn es um die Darstellung von bewaffneten Auseinandersetzungen gibt.

Die Beschäftigung mit der Geschichte ist aber ein extrem spannender Teil dieses Hobbies, den ich sehr genieße, auch wenn ich mich dabei immer \"verlaufe\" und mir so neue Flöhe ins Ohr setze. Trotzdem werde ich nicht damit aufhören, sehr zum Bedauern meiner Göttergattin.  :cool:

Was den Teil mit der \"Verantwortungsfrage\" betrifft... auf das dünne Eis begebe ich mich nicht. Wenn mich jemand fragt, ob ich das materielle Erbe meiner Großeltern und Urgroßeltern abgelehnt habe... bei meinen Großeltern ja, bei meinen Urgroßeltern gab es da keine Chance, die Familienhöfe und der Gasthof in den alten preußischen Gebieten sind für immer verloren für uns. Trotzdem \"entziehe ich mich nicht der Geschichte\", ich trage immer die Verantwortung, etwas Derartiges nicht wieder passieren zu lassen, soweit es mir möglich ist. Meine Großeltern haben im WW2 mitgekämpft, meine Eltern sind als Kinder aus Preußen geflohen und haben Geschwister sterben sehen. Sie tragen keine Verantwortung für das Grauen und haben genug gelitten. Sie haben aber dafür gesorgt, dass ich mit Überlebenden sprechen konnte und ein ungeschöntes Bild der Zeit bekommen konnte. Dafür danke ich ihnen und werde das bei meinem Kind genau so machen. Aber weder meine Eltern oder ich haben damals abgedrückt, damit tragen wir keine persönliche Schuld. Nur die Verantwortung als Überlebende und Nachkommen, es nicht wieder zuzulassen... und damit verabschiede ich mich aus der \"Verantwortungsdiskussion\".

severus:

--- Zitat ---

Ich kann keine Verantwortung für Dinge übernehmen, die ich nicht hätte verhindern können!
Ich trage Verantwortung dafür, das solche Dinge nie wieder passieren!

Das würde ja bedeuten, das ich für die Verbrechen vom Anbeginn der Welt bis Heute verantworlich bin!
--- Ende Zitat ---
Sehr gut gesprochen. Allerdings und das ist meiner Meinung nach das eigentlich Erschreckende an der Judenvernichtung. Es waren nicht etwa perverse Massenmörder, die Spaß am Quälen hatten, die das Ganze ins Werk gesetzt haben. Es waren biedere Familienväter, die abends im Kreis der Familie heile Welt gespielt haben. Das Erschreckende an dieser industriellen Auslöschung alles Andersartigen, war, dass Sadisten nicht notwendig waren, dieses Grauen zu organisieren und am Laufen zu halten. Der unmittelbaren Kriegsgeneration war dies völlig bewusst. Denn es geschah vor aller Augen. Im Nachhinein gab es aber interessierte Kreise, die das sehr sehr erfolgreich umgedeutet haben. Die Auschwitz auf den sadistischen Mengele reduzierten oder Buchenwald auf Ilse Koch und ihren vermeintlichen Lampenschirm aus Menschenhaut. Diese Sadisten gab es und sie haben das Leiden der Insassen noch erhöht. Aber eben nicht grundsätzlich erst ermöglicht. Auschwitz war eine Todesfabrik, in dem jeder ein kleines Rädchen war. Austauschbar. Die Einen hatten immerhin die Möglichkeit sich an die Front versetzen zu lassen. Andere hatten nur die Möglichkeit, mitzutun oder selbst ins Gas zu gehen.

Im DHM in Berlin ist eine sehr eindrucksvolle Gipsplastik zu sehen, die Ablauf der Vergasung extrem plastisch darstellt. Alles hat seine Ordnung.

Die extreme Durchschnittlichkeit der allermeisten Täter verursacht das Unwohlsein weil Jedem, der sich damit näher befasst, klar wird, wie leicht es hätte sein können, sich als Rädchen in diesem Getriebe wiederzufinden. Genau deswegen ist man hierzulande sehr dankbar für diese Narration von irren Nazibestien. Genau deswegen reagiert man so allergisch auf Alles, was an diesem Narrativ rüttelt. Und zwar weit über die Grenzen des eigentlichen Vernichtungsbetriebes hinaus


 


--- Zitat ---Ich will hier nicht leugnen, dass Krieg (und insbesondere moderner Krieg) eine Tendenz zum Überschreiten der Linie, zum Übergriff auf den Exzess hat. Aber entscheidend ist doch, dass Krieg erstmal tatsächlich ein Wettstreit ist. Oder wie es Clausewitz formuliert: \"der Versuch dem anderen den eigenen Willen aufzuzwingen\". Vergewaltigung und Massaker sind für diesen \"ideellen\" Krieg völlig unerheblich. Und diesen Wettstreit-Krieg spielen wir doch, oder? Auch wenn wir Waffen-SS 1944 spielen, dann spielen wir doch, ob man die Ardennen-Offensive gewinnen kann, und nicht, ob man bei Malmedy möglichst viele Kriegsgefangene erschiesst.

--- Ende Zitat ---
Nein der Krieg trägt immer den Exzess in sich. Und solange es das Völkerrecht gibt, gab es auch Verstöße dagegen. ES Blödsinn, zu glauben, der Krieg ließe sich durch ein Regelwerk in eine härtere Form von Rugby verwandeln. Das hat schon nicht zwischen Nationalstaaten funktioniert. Und funktioniert heute erst recht nicht. Denn die Nationalstaaten verweigern den typischen Gegnern in ihren Konflikten systematisch den Kombattantenstatus.

Um das CLausewitzzitat mal einzuordnen. Es geht darum, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Das erreicht man erstens durch die Zerschlagung seiner Streitkräfte aber auch durch Schrecken. Und Vergewaltigung und Plünderung und neuerdings auch wieder Schauhinrichtungen zielen genau darauf ab. Den Kampfwillen des Gegners brechen. Dieser Aspekt des Krieges war immer vorhanden. Er ist meines Erachtens sogar wesentlich. Wenn Kriegsparteien sich einer Selbstbegrenzung in ihrer Gewaltanwendung unterwarfen, dann taten sie dies aus einer Nützlichkeitserwägung heraus. Ich glaube, wir haben mittlerweile überhaupt keine Vorstellung mehr vom Schrecken des Krieges. Denn wir sehen meist wohlgeordnete Militärkonvois und im Hintergrund ein paar Rauchwolken. Was wir nicht sehen: Soldaten, die auf der Suche nach Nahrung das Saatgut der Bauern für das nächste Jahr samt Wintervorräten aus dem Keller holen. Die, weil es kalt ist, ganze Häuser abreißen, um an Feuerholz zu kommen. Wir sehen nicht die Ströme von Kriegsversehrten.

 Aber du hast recht, genau darum geht es beim Tabletop nicht. Es geht darum, Einheiten zu bewegen und sie in ihrer Taktik funktionieren zu lassen. Erst auf dieser Ebene ist es möglich, das Ganze als unterhaltsamen Wettstreit anzusehen. Und daran ist auch nichts Verwerfliches. Ich möchte zum Beispiel nicht die Schießerei beim Abzug der Erhardt Brigade nach gescheitertem Kappputsch nachstellen. Oder solche Massenerschießungen in den ukrainischen Wäldern.

Florian:
nur mal kurz zu der sache mit der verantwortung:

die verantwortung die wir hier in deutschland haben ist aus den bereits genannten gründen (materieller gewinn bei der ausplünderung der juden und sonstiger \"anderer\" durch viele \"volksgenoosen\", der bis heute nachwirkt, geklaute kunst, opfer mit einem anrecht auf entschädigung durch einen staat, der sich selbst als RECHTSNACHFOLGER der 3. reiches betrachtet etc.) konkreter auch an bestimmten materiellen fragen festzumachen. und natürlich ist in der weltgegend, in der die verbrechen begangen wurden die erinnerung an diese verbrechen präsenter.

aber eine allgemeine verantwortung aller menschen, ganz egal wo, ergibt sich aus dem schieren wissen, dass etwas wie auschwitz möglich ist. und die wiederholung dieses möglichen zu verhindern, dass ist die verantwortung aller menschen.

wargaming oder nicht hat damit wenig zu tun, wohl aber jede art von verharmlosung des geschehenen. und das kann natürlich auch im wargaming geschehen (gerade in regelwerken, szenariobänden etc.)

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