Der Pub > An der Bar

Der Einfluss der Forschung auf die heutige Geschichtsschreibung, Existiert er?

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Draconarius:

--- Zitat von: \'Decebalus\',index.php?page=Thread&postID=93265#post93265 --- Tja, die populäre Meinung ist doch eher: die armen Jungs konnten nicht anders, die sind ja gezwungen worden.
--- Ende Zitat ---
Ist die Meinung in dieser Hinsicht nicht doch ambivalenter? Einerseits der angenommene Zwang (da man seine direkten Vorfahren nie Kriegsverbrechen zutraut), andererseits der bereitwillige Beitrag der Soldaten zu Massenmord und Kriegsverbrechen (ähnlich wie bei der Goldhagen-Debatte) ?
Das von dir genannte Werk ist ja durchaus nicht die erste Auseinandersetzung mit diesem Thema. Beide Verfasser beschäftigen sich doch schon seit längerem mit dieser Quellengruppe der Verhörprotokolle deutscher Kriegsgefangener in England ( Neizel mit Abgehört - Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft) bzw. dem Gegensatz der Generationen hinsichtlich der Rolle der Soldaten im Krieg  (Welzer mit Opa war kein Nazi) und traten damit an die Öffentlichkeit; es gab zu diesem Themenfeld z.B. bereits in vergangenen Jahren und in diesem Jahr einige Dokumentationen im Fernsehen, sogar beim histerischen Guido (wo ein anderer Historiker aber durchaus den Aussagewert der Quellengruppe hinterfragte).



--- Zitat ---daß die Leute, die Geschichte auf Lehramt machten, überwiegend die lustloseren Studenten waren, ohne Freude an der Geschichte, und hab mich dann öfters nach deren gelangweilt abgespulten Referaten (auch fachlich nicht besonders gut) gefragt, wie viele Schüler dann vergrätzt werden, wenn sie diese Leute als Geschichtsvermittler vor sich haben.
--- Ende Zitat ---
Das ist sicherlich die eine Seite. Andererseits wird aber aber auch durch das universitäre Angebot nicht immer auf den Stoff vorbereitet, den sie den Schülern nahebringen müssen - unabhängig vom Fach. Da werden Spezialseminare gehalten über Textdekonstruktion im Sinne der Psychoanalyse, über die griechische Kolonisation im Gebiet des schwarzen Meeres etc., was ihnen dann im Staatsexamen vielleicht noch begegnet (wie vor kurzem im Bayern einmal: römische Königszeit yeah, das Thema in ein bis zwei Unterrichtsstunden der 6. Klasse!), andererseits später wenn es um den Lehrplan geht mit einigem Zufall in den höheren Jahrgangsstufen noch einmal begegnet. Das könnte man jetzt noch weiter Ausbauen im Sinn der Abschlussinflation, aber das lasse ich hier mal.

Poliorketes:

--- Zitat von: \'J.S.\',index.php?page=Thread&postID=93229#post93229 ---Ja,ich kenne das Buch, hats ja sogar in die Abendnachrichten geschafft. Damit weis man jetzt endlich, dass Soldaten im Krieg verrohen und die Deutschen Soldaten schlimme Finger waren, eine wahnsinnig neue Erkenntnis.. endlich hat das mal wer in Buchform rausgebracht. Also wer noch nicht genug vom Zweiten Weltkrieg und Opas Mörderbande hat, kann ja auch hier zuschlagen.  :sleeping:
--- Ende Zitat ---
:thumbsup:

opa wuttke:

--- Zitat ---Etwas überspitzt dargestellt wurde mir in der Schule beigebracht, dass
alle Deutschen der NS-Zeit (insbesondere natürlich die Soldaten, egal ab
SS, Heer, Marine oder Luftwaffe) unmenschlich und sadistisch waren und
man sich als Nachkomme dieser sein Leben lang dem Rest der Menschheit
gegenüber schämen muss
--- Ende Zitat ---
Für die Masse gilt dass nicht, bei manchen Zeitgenossen bin ich mir da aber nicht sicher ;)


--- Zitat ---Ja,ich kenne das Buch, hats ja sogar in die Abendnachrichten geschafft.
Damit weis man jetzt endlich, dass Soldaten im Krieg verrohen und die
Deutschen Soldaten schlimme Finger waren, eine wahnsinnig neue
Erkenntnis.. endlich hat das mal wer in Buchform rausgebracht. Also wer
noch nicht genug vom Zweiten Weltkrieg und Opas Mörderbande hat, kann ja
auch hier zuschlagen.
--- Ende Zitat ---
Vielleicht solltest DU mal bei diesem Buch zuschlagen, wenn ich den Tenor Deiner Posts zum Thema 2.Weltkrieg/Rolle der Deutschen in diesem richtig deute (ich mag natürlich falsch liegen ;) ), ist das Buch wie für Dich gemacht. Ich bin ja als Zyniker hier nicht unbekannt, aber Deine Haltung ist für mich schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar.


--- Zitat ---Ich frage mich allerdings (ohne etwas relativieren zu wollen), ob man
inhaltlich weit abweichenden Protokolle bekommen hätte, wenn man bspw.
römische Legionäre, Soldaten des 30-jährigen Krieges, Soldaten Custers,
etc. abgehört hätte
--- Ende Zitat ---
Inhaltlich sehr wohl, aber das ist nicht das was Du meinst, vermute ich...

Poliorketes:
Was mir am heutigen populärwisenschaftlichen Geschichtsgeschreibsel tierisch auf die Nerven geht ist die Tendenz, alles an heutigen (deutschen) Moralvorstellungen zu messen - bevorzugt das Verhalten deutscher Streitkräfte bis zu den Kreuzzügen zurück. Natürlich erscheint aus heutiger Sicht das Vorgehen einer beliebigen Streitmacht um Achtzehnhundertdosenknopf als inhuman, aber wenn man sich die Mühe macht und die Sache im Kontext der damaligen Zeit ansieht kommt man vielleicht sogar zu der Feststellung, daß Zeitgenossen die Angelegenheit als besonders zivilisiert gelöst angesehen haben, weil sie ganz andere Sachen gewohnt waren. Mein Lieblingsbeispiel sind da die Befreiungskriege, in denen böse Nationalisten das Deutsche Volk zum Haß auf die Franzosen aufgestachelt haben. Nur wird dabei vergessen, daß die Franzosen sich von Melac bis Davout 150 Jahre lang durch Deutschland gebrandschatzt hatten. Oder wenn der zu Recht als Völkermord verurteilte Herrero-Feldzug dazu benutzt wird um zu beweisen, daß wir eigentlich schon zu Kaisers Zeiten alle Nazis waren, dabei aber geflissentlich übersehen, das Amerikaner, Briten, Franzosen und Belgier keinen Deut besser waren - als Demokratien!

Mansfeld:
Ich kann da \"Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen\" von Jochen Böhler zu diesem Thema bestens empfehlen. Böhler zeigt an Quellentexten (Wehrmachtsberichte, Einheitschroniken, etc.) schön nach, wie eine junge, kriegsunerfahrene und nach sechs Jahren NS-Indoktrinierung rassistisch geprägte Generation Tendenzen zu Übergriffen hatte, die dann von der zynischen Führung gedeckt und ermutigt wurden. Wohlgemerkt, das ist jetzt nicht eine irgendwie \"genetische\" Eigenschaften des Teutschen an und für sich, im gleichen Kontext hätten das auch Samoaner, Feuerländer oder Nepalesen so gemacht.

Wenn man als junger Achtzehnjähriger seit der Pubertät um die Ohren gehauen bekommt, daß der Arier überlegen und der gemeine slawische Polacke schmutzig, viehisch und grausam ist, und dann jedes Friendly Fire der genauso grünen Nachbareinheit für Heckenschützenangriffe der Polen hält, und die Führung dann auch andauernd davon spricht, wie notwendig doch jetzt extreme Härte sei, und alle Autoritätspersonen in der Heimat das die ganze Zeit zumindest unwidersprochen gelassen haben...okay, ein sehr charakterfester anständiger Mensch (sagen wir mal 15%) hält sich trotzdem zurück, die miesen Schlägertypen (auch 15%?) lassen die Sau raus, der Rest Normalos macht halt mit, weil sie ihrer eigenen Meinung nicht vertrauen, sondern dem was ihnen gesagt wird, dann wird es natürlich hässlich.

Simplifizierungen wie \"Unsere Großväter waren doch alle anständig\" oder \"Alle Deutschen waren begeisterte Genozidler\" schonen natürlich angenehm das Hirn des Vertreters solcher Meinungen, aber mit einer rosa bzw. schwarzen Brille auf der Nase sieht man die echten Farben halt nicht. Sytematik ud Maßstab der NS-Mordmaschinerie machen sie zu einem so nie dagewesenen Ereignis, und es ist historisch nun mal in Deutschland passiert. Kann aber auch woanders geschehen, da mache ich mir keine Illusionen.

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