Epochen > Absolutismus und Revolution
Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
Riothamus:
Dabei wurden ja durchaus Jäger aus Wäldchen und im Schutz von Gebäuden eingesetzt.
Beim Reichsheer mussten Kontingente ja erst ersetzt werden, wenn sie vollkommen aufgerieben waren. Solche Rest-Bataillone konnten oft auch nur in solcher Deckung eingesetzt werden. Wie das Beispiel des Rests des Paderborner Bataillons bei Saalfeld zeigt, war allerdings nicht ausgemacht, dass dies gegen Kavallerie, Husaren in dem Fall, erfolgreich war. Noch über 200 Mann sollten ein Waldstück verteidigen. Am Ende nahmen die Husaren die restlichen 40-50 gefangen. Natürlich handelte es sich bei den Paderbornern um Soldaten ohne jede Ausbildung und mit zweifelhafter Bewaffnung.
Dies zeigt auch ein anderes Problem der absolutistischen Kriegsführung: Im Gegensatz zum theoretischen Anspruch, hing vieles von Althergebrachtem, wie z.B. der Reichsmatrikel ab. Selbst wenn der Fürstbischof von Paderborn gewollt hätte, die Landstände genehmigten ihm nicht mehr Militär. Der Ersatz für das gefangene Bataillon musste mangels Geld sogar ohne Decken ins Feld ziehen.
Und selbst Friedrich der Große konnte seine Bataillone nicht aufstellen wie er wollte, er musste die Anciennität beachten und sie nach Rang in der vorgesehenen Reihenfolge aufstellen. Da die gegnerischen Offiziere bei seinem Umgehungsmarsch bei Roßberg keine Anzeichen hierzu erkannten, und es auch nicht für möglich hielten, rechneten sie nicht mit einem Angriff. Wie gesagt, da spielten noch andere Faktoren eine Rolle, aber man hatte die ordentlich rangierte Feldschlacht im Kopf, was der Preußenkönig ausnutzte. Und somit wäre das ein Beispiel, wie soziale und ideologische Faktoren zu einer großen Niederlage, oder auch großem Sieg führten.
Pedivere:
mir fällt auf wie hier zum Teil mit Effizienz argumentiert wird, wo doch ein wichtiger Aspekt das Papers ist daß die kostspieligen Armeen eben nicht eingesetzt werden sollten, oder eben nur im Notfall, es also mehr darum ging die andere Partei zu beeindrucken.
Das ist doch schon sehr eine subjektive Perspektive der Wargamer Szene, die aus der mittlerweile jahrzehntelangen tradition der kompetitiven Turniere (und Regelwerke) die Effizienz der Armeeauswahl als wichtigstes Alleinstellungsmerkmal verfolgt, interessanterweise teilweise entgegen den Versuchen der \"offiziellen\" Veranstalter, die durchaus auch die Tendenz hatten, die bestbemalte Armee bei einem Turnier zu belohnen. Das ging früher sogar so weit, daß Leute mit halbbemalten Armen gespielt haben (ich erinnere mich auch an halb zusammengebaute Fahrzeuge) weil eben die Ästhetik des Hobbys irrelevant war - dafür wurden dan Turnierregeln eingeführt daß Armeen bemalt sein mußten.
Eine sinnvolle Argumentation in diesem Fall wäre zu untersuchen wie sich absolutistische Armeen in Rahmenbedingungen geändert haben, die jenseits der üblichen Konventionen waren, zB FIW. Mir fällt immer wieder auf wie stark die meisten historischen Wargamer in der Beurteilung ihrer Epoche von den Spielen beeinflußt werden die sie in ihrer Biographie gespielt haben. Und wie häufig die Spielrealität des jeweiligen Spiels nichts mit der Realität der tatsächlichen Konflikts zu tun hat jedoch trotzdem darauf übertragen wird. Wo doch der Weg genau andersherum sein sollte.... (das gerade aktuelle Beispiel für mich ist Bolt Action, weil ich gerade in der Thematik drin bin, ist mir aber auch schon bei Black Powder aufgefallen)
Ich schließe mich übrigens mit ein, trotz geschichtswissenschaftlichen Hintergrunds :P
Nachtrag: der interessante Aspekt für mich an dieser Diskussion (und an der historischen Rezeption der Vergangenheit, der Unterschied ist gar nicht so groß) ist übrigens wie sich anerzogene Diskurse auf diese Wargamer-Rezeption auswirken. Denn häufig wissen wir nochnichtmals wirklich, was die überhaupt anhatten, die Quellenlage ist doch oft zweite bis X-te hand, man schaue sich nur die Rezeption des zweiten Weltkriegs an und wie sie sich im Laufe der letzten 50 Jahre gewandelt hat, unetr dem Einfluß der Unterhaltungsindustrie...
wollt ich nur mal sagen....
Riothamus:
In dem Zusammenhang kann es ganz heilsam sein, sich mit dem Strategiestreit zu beschäftigen, ob nun der alte Fritz ein Vertreter der Ermattungs- oder der Vernichtungsstrategie war.
Das Problem, erfahrene Soldaten bei mehreren Schlachten im Jahr mit 20-30% Verlusten vorhalten zu müssen, war durchaus bewusst. Man denke bloß an die Probleme Friedrichs nach Kunersdorf die Verluste bei den Offizieren aufzufüllen.
Was die Probleme der Uniformierung angeht, ist das Beispiel Paderborn ganz interessant. Nach dem Tode des Soldatenkönigs wurden in Preußen die Kurzgewehre ausgetauscht. Sie wurden von Paderborn und Münster aufgekauft. In Paderborn wurden sie nicht nur an die 2 stehenden Kompanien (Musketiere in Pb, Grenadiere in Neuhaus) ausgegeben und für die Truppen nach Reichsmatrikel vorgehalten, sondern auch an den Landesausschuss (eine Art Miliz, die im 18. Jh. aber nur als Ordner für das Liborifest diente) und an Schützenbruderschaften ausgegeben. Da waren sie teilweise bis zum 2. Weltkrieg in Gebrauch. Aber niemand kann sagen, wo nun Hellebarden, wo Partisanen, wo anderes genutzt wurde. Ebenso weiß man nicht, was für Grenadiermützen für die Grenadierkompanie in Neuhaus bei Preußens gekauft wurden. Es ist nur überliefert, dass das der \'Friedrich Wilhelm\' trotz Umarbeitung noch zum Ende des Reiches hin erkennbar war.
Zur eigentlichen Uniformierungen gibt es ein paar Rechnungen über Stoff, die aber bis auf die Farbe wenig aussagen. Dann existieren 3, wenn man will 4 Abbildungen:
Paderborner Grenadier aus der Gudenus-Handschrift (Entstanden 1734 im Lager von Heilbronn.)
Aquarell des Paderborner Marktplatzes von Gleseker (1755, Stadtmuseum Paderborn)
Gemälde des Marktplatzes von Gleseker nach dem Aquarell (ca. 1755, Historisches Museum im Marstall, Schloss Neuhaus)
Satire zum Paderborner Kaffeelärm 1781 (Die Zeichnung stammt allerdings erst aus den Fliegenden Blättern, 1878 )
Auf 2 oder 3 weiteren Abbildungen aus der Zeit des 7jährigen Krieges kann man nicht mal entscheiden, ob Paderborner oder Preußische Soldaten zu sehen sind.
Dabei gibt es also die Darstellung eines Grenadiers von 1734, auf dem Gemälde von 1755 ein Offizier, und auf dem Aquarell von 1755 sind mehrere Soldaten zu sehen. Gemälde und Aquarell könnten für den 7jährigen Krieg herangezogen werden, werfen aber mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern. Die Buchführung bestätigt lediglich die dargestellten Farben.
Dann gab es noch zeitweise einen Zug Dragoner, die zu Polizeizwecken eingesetzt wurden. Wer sich in der Zeit auskennt, kann nachvollziehen, dass der Hinweis auf weiße Uniformen nicht viel besagt.
Und was man militärisch zu dem Bataillon, meist hochtrabend als Regiment bezeichnet, geht zum größten Teil auf einen Bericht des Majors von Kleist zurück. Kommandeur und Oberstleutnant hatten sich recht schnell nach Paderborn abgesetzt. Der Bericht entstand, weil sich der Major rechtfertigen sollte, wieso die Ausrüstung verloren ging. Im Vorpost schrieb ich aus der Erinnerung, daher mag die Schilderung abweichen, aber für die von Jean-Armand angesprochenen Problem, wie wenig wir mitunter wissen, ist es interessant. Bericht des Majors von Kleist (Im Text wird er Oberst genannt, dass ist für den infragekommenden Zeitpunkt aber nicht korrekt.), präsentiert von Georg Joseph Rosenkranz in der Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, 1849. Hier sieht man auch, dass es nicht nur rangierte Schlachten gab, sondern auch andere Formen des Kampfes.
Es gibt natürlich noch Quellen zur Sozialgeschichte, wie rekrutiert wurde z.B. und dass sich der Bischof eine Militärkapelle leistete, die gleichzeitig am Hof spielen sollte, und das ausschließliche Privileg hatte im Hochstift zu musizieren , aber für den Wargamer ist das kaum interessant. Wer weiteres wissen will, sei auf die Literatur im Wikipedia-Artikel verwiesen. Insbesondere Mürmann ist dabei interessant.
Davout:
Effizienz ist doch auch in Bezug auf die optische Wirkung auf den Gegner relevant. Wenn wir hier schon die friderizianischen Füsiliere hernehmen, dann sind die doch ein sehr gutes Beispiel dafür. Die kleineren Soldaten mit kürzeren Musketen ins 2. Treffen zu stellen war doch nur eine Übertragung der Gliederstruktur auf eine höhere taktische Ebene. In einer Linienformation standen doch auch immer die größten Leute vorn, die zweitgrößten hinten und die kleinsten in der Mitte. Bei den Füsilierregimentern kam noch ihre Füsiliermütze dazu. Damit sollten nämlich dem Gegner suggeriert werden, dass wären Grenadiere. Nur aus der Nähe war der Unterschied wirklich gut zu erkennen. Schlechter gekämpft haben die Füsiliere auch nicht. Es wurde somit also eine den Konventionen entsprechende größere Effizienz vorgespiegelt, ein Teil der Armee in den Augen des Gegners nicht degradiert sondern aufgewertet. Sobald das 2. Treffen irgendwo zum Einsatz kam, spielte die Länge der Musketen wohl kaum eine Rolle mehr, denn da war man sowieso schon sehr nahe dran am Gegner, so dass der schon mitbekam, dass die Kleinen kämpfen konnten.
Den ökonomischen Aspekt der Kriegsführung kann man gerade in den napoleonischen Kriegen sehr gut sehen. Da wurden gerade in Frankreich und Russland die elitär aus Gedienten ausgewählten wertvollen Alten Garden aufgespart wo es nur ging, häufig zu Lasten der Linientruppen.
Eine schönes Beispiel für die Situation Plänkler in Deckung vs. Linienformation ist die Schlacht bei Auerstedt 1806. Da marschierten die Preußen in Linie auf und begannen ihr Feuer. Taktisch zweckmäßig wäre aber ein direkter Bajonettangriff gewesen. Hier ist man sogar von der friderizianischen Praxis abgewichen. Ich schätze, dass wir uns in diesem Zusammenhang ein etwas irreführendes Bild von den friderizianischen Grenadieren machen. Das war schon eine Art Allroundelitetruppe, nicht nur für schwierige Einsätze an vorderster Front, Sturmangriffe, Erstürmen von Schanzen, Häuserkampf etc., sondern auch auf Vorposten und als Plänkler. Ausgewählt wurden wohl nicht nur einfach die größten Leute, sondern es wurde auf umfassende Qualitäten als Soldat geachtet. Geführt wurden sie nicht selten von königlichen Flügeladjutanten. Später war das natürlich anders, wo die Inflation der Elitekompanien das Konzept der Elitetruppe stark verwässerte.
Zu Turniermechanismen kann ich nichts sagen, ich bin Historiker, mein Einstieg ins Figurenhobby erfolgte nicht übers Spielen und etliche Regeln finde ich vor den historischen Hintergrund schon recht fragwürdig, weshalb ich Hausregeln so gerne mag.
Grüße
Gunter
Riothamus:
Ich sag\' es ungern, aber die Preußischen Grenadiere waren, trotzdem die \'langen Kerls\' Grenadiere waren, nicht die größten, sondern die kleinsten Soldaten des Regiments. (Olaf Groehler, Das Heerwesen in Brandenburg und Preußen von 1640 bis 1806, Das Heerwesen, Berlin 2001, S.75.) Das kam daher, dass sie ja ursprünglich Granaten werfen und andere Sonderaufgaben versehen sollten. Da wäre es eine Verschwendung gewesen, die größten Soldaten aus der Feuerlinie zu nehmen.
Unter Friedrich dem Großen wurden sie wohl nach Einführung gesonderter Grenadierkompanien aus allen Größen genommen, aber Erfahrung und Eignung sollte bei ihnen vor der Größe berücksichtigt werden. Bei dem Bataillon Grenadiergarde mögen auch unter ihm andere Zustände geherrscht haben.
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