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Autor Thema: Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen  (Gelesen 8334 mal)

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tattergreis

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #45 am: 26. Januar 2016 - 02:50:16 »

Ich möchte nochmals anmerken, dass ich niemals von einer absoluten immerwährenden situationsübergreifenden Überlegenheit der Linie über die Kolonne überzeugt war und ich IIRC dies hier auch nicht als axiom verwendet habe.

Ist auch müßig, ich hab mit Preußen in Kolonnen gegen Dirk gewonnen :D

Das bild vom bajonettfechten bei ortenburg bezieht sich m.E. auf die nachnapoleonische Zeit. Und Taktiken der Antike müssen nicht im 18. Jahrhundert klappen. Das Edit 2 verstehe ich nicht.

cheers
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Zusatz von 1752: „Die Hauptregel im Kriege bei allen Kämpfen und Gefechten besieht darin, daß man sich selbst in Flanke und Rücken sichert, dem Feinde aber die Flanke abgewinnt. Dies geschieht auf verschiedene Weise, läuft aber alles auf eins hinaus.“

Riothamus

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #46 am: 26. Januar 2016 - 03:24:28 »

Da Du gepostet hast, während ich gerade die PN beantworten wollte, antworte ich hier:

1. Glückwunsch.

2. Dann habe ich Dich falsch verstanden. Im anderen Thread hatte ich das eh schon halb vermutet.

3. Dann muss ich morgen nicht mehr nachsehen, aber auf das Bild kommt es für die Argumentation nicht an.

4. Die Vergleiche dienen der Illustration, um nicht ausführlich das Gemeinte erklären zu müssen. Dementsprechend sollte man die Vergleiche auch als Hinweis verstehen, nicht als ein \"Das war genauso wie bei Pharsalos!\" oder so. Und die Physik hat sich nicht geändert. ;)

5. Mit dem EDIT2 wollte ich ausdrücken, dass es eben doch vorkam, dass es zum Handgemenge kam. Und dann wurde bei Erfolg eben die Linie von einer Kolonne durchbrochen. Die Frage, wie häufig es zum Nahkampf kam, ist meines Wissens unentschieden. Immer wenn ich Literaturangaben folgte, landete ich bei Memoiren und nicht bei Auswertungen von Gefechten. Das muss nichts heißen; ich bin dem nicht systematisch nachgegangen. Seltener als meist gedacht wird es gewesen sein. Sonst wären die Erwähnungen unverständlich. Und daher kommt ja auch zu einem Gutteil das Bestreben eines martialischen Aussehens der Soldaten und der Uniformen. Aber ein \"meist\" schließt ein Vorkommen nicht aus. Im Gegenteil, um \'meist\' sagen zu können, müssen beide Fälle vorgekommen sein.

Und jetzt werde ich noch versuchen etwas Schlaf zu kriegen.
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Gruß

Riothamus

tattergreis

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #47 am: 26. Januar 2016 - 03:36:47 »

ein bsp Nahkampf kolonne gegen linie ist  bei ortenburg waffen der revolutionskriege seite135  ;)

Das Bspbild bajonettfechten bezieht sich allerdings auf den Kampf zw. Infanteristen, das Bild des Kampfes Lancier (in Zwergenform :D  ) gegen Inf hab ich nicht gefunden

was ich ja immer predige ist die Kernaussage Moral über Formen, weshalb ich den Moraltest als save bei BP in gewisser weise ok finde (figurenumkippen finde ich aber noch besser, eben old school  :thumbup:  ). Nur den 2+ save von Garde in Kolonne bei BP ist dann doch etwas OP.

Gute Nacht!
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Zusatz von 1752: „Die Hauptregel im Kriege bei allen Kämpfen und Gefechten besieht darin, daß man sich selbst in Flanke und Rücken sichert, dem Feinde aber die Flanke abgewinnt. Dies geschieht auf verschiedene Weise, läuft aber alles auf eins hinaus.“

Davout

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #48 am: 27. Januar 2016 - 21:21:36 »

Da will ich doch auch noch meinen Senf dazugeben. Es gab und gibt nun zwar den Begriff der \"Angriffskolonne\", ABER diese Formation sollten eigentlich nicht zum unmittelbaren Angriff auf den Gegner dienen, sondern nur die Annäherung erleichtern. Die wesentlichen Vorteilel von Kolonnen auf dem Schlachtfeld war, dass sie wegen ihrer im Vergleich zur Linie geringeren Breite leichter zu manövieren waren und man daraus schneller ein Karree improvisieren konnte. Deutliche Nachteile hatte man dagegen durch die weit geringere Feuerkraft und die erhebliche Anfälligkeit gegen Artilleriebeschuss. Deswegen sollte nach der Annäherung in Kolonne vor der Aufnahme des eigentlichen Kampfes in der Regel immer zuerst in Linienformation übergegangen werden. In der Praxis kam einem häufiger einfach der Gegner zuvor oder die eigene Truppe war für so eine Formationsänderung zu schlecht ausgebildet. Die häufigere Anwendung der Kolonnenformation hatte auch zur Folge, dass die Bataillonsstärker größer werden konnten, da der Kommandeur eine Masse von 1000+ Menschen in einer etwa quadratischen Aufstellung leichter mit seiner Stimme führen kann als eine auseinandergezogene Linie.

Thema Plänkler:
Das Problem damit war einfach, dass sie letztlich kein Gefecht entscheiden konnten. Man rang lange um ein sinnvolles Maß an Plänklern, da ein übermäßiges Ausschwärmen in offene Formationen doch nur sinnlos die eigenen Verluste in die Höhe trieb.
Beispielsweise hatte die preußische Führung um 1806 eine im Grunde irrige Meinung über die französische Infanterie, deren Anteil an leichter Infanterie als recht hoch eingeschätzt wurde. Dabei gab es in Frankreich weder ein eigenes Reglement noch eine übergreifende besondere Ausbildung der leichten Infanterie. Dem gegenüber hatten die Preußen selbst in ihren Füsilieren eine wirkliche eigene Infanterie, sogar mit speziellen Waffen, in Gestalt der Jäger besaßen sie Elite-Scharfschützen. Ausschlaggebend war dann aber doch eher die Strategie und die taktische Kriegserfahrung der französischen Seite.

Um mit noch einem weiteren Mythos aufzuräumen: die französische Armee der Revolutionszeit und des Kaiserreichs hatte sehr wohl gezogene Schusswaffen. Diese wurden jedoch nicht massiert eingesetzt und dienten die meiste Zeit als Ausrüstung der Chargen bei den Voltigeuren. Man konnte also durchaus von französischen Büchsenschützen weggepustet werden. Selbst im mittleren Kaisserreich waren noch gewisse Quanitäten an diesen Waffen verbreitet.

Grüße

Gunter
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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #49 am: 28. Januar 2016 - 11:35:05 »

@ Goltron

Diese Diskussion und sogar weitergehend die Erprobung von Kolonnen gab es ja schon um die Mitte des 18.Jh.. Man muss da nur - vielleicht für Dich überraschend - resümieren, dass die Ergebnisse meistens eher vernichtend für die Kolonne waren. Davout hat ganz richtig das Problem mit den höheren Ausfällen erwähnt. Überhaupt haben sich solche Massierungen von Truppen auf einem Fleck nie ausgezahlt, sondern waren eine üble Falle. Man sieht das an Höchstätt, einer der wohl am besten erforschten Schlachten der ersten Hälfte des 18.Jh.. Die Franzosen warfen, da sie eine Überflügelung oder eine Einnahme ihrer angeblichen Schlüsselpositionen befürchteten, Einheiten um Einheiten bspw. nach Blindheim hinein. Der weitaus überwiegende Teil der Männer kam nie zum Feuern, bekam aber den Kugelregen der feindlichen Artillerie ab, während nur die vorderen der Verteidiger schießen konnten. Als Blindheim aufgab, zeigte sich, dass es viel mehr Gefangene gab, die gemacht wurden, als Truppen der Engländer je den Ort angegriffen hatten(!). Und auch in der Offensive erwies sich die Kolonne als sehr anfällig. Wenn man massiv vorging und der Verteidiger punktuell nachgab, wurde die \"Kolonne\" eventuell von allen Seiten bestrichen, wenn die Verteidiger in Linie, wo diese nicht eingedrückt wurde, einschwenkten.
Wenn man räumlich getrennt angriff, wie es bei Fontenoy passierte, muss diese Attacke gut koordiniert sein, was aber mit den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten und durch das Geländer, aber auch anderen Faktoren misslingen kann. Auch muss man bedenken, dass die Tagesstunden begrenzt sind. Deswegen haben wir nicht selten früh am Morgen schon Angriffe, damit die ganze Armee ausreichend Zeit hatte, die Schlachtordnung aus dem Angriff heraus zu entwickeln. Bei Lauffeld, 1747, versuchten die Franzosen auch, vielleicht vergleichbar eher mit Freiberg 1762 als mit Torgau 1760, durch konzentrierte Angriffe an verschiedenen Stellen rasch Schlüsselpositionen zu erobern. Ich glaube, die britischen Zeitgenossen sprechen da auch von gewaltigen \"Columns\" (https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Lauffeld#/media/File:Batalla_de_Lawfeldt_1147.jpg). Die enormen Verluste der Franzosen rangen ihren Gegnern immerhin ziemlich Respekt ab.
Die leichten Truppen bildeten auf den großen Schlachtfeldern eine Randerscheinung, welche nach meiner Erfahrung - ich kann mich auch irren - praktisch nie schlachtentscheidend wirkten. Der Kampf der Preußen gegen die leichte österr. Infanterie um den Loboschberg bei Lobositz 1756 mag typisch sein. Dass leichte Infanterie in dem unübersichtlichen Gelände eingesetzt wurde, trug selbst vor Ort Garnichts zum Ausgang bei. Die Preußen konnten auch mit normaler Linieninfanterie die auf das kleine Gefecht spezialisierten Plänkler aus den Weinbergen vertreiben. Wirklich sinnvoll ließen sich die leichten Truppen also in der Kriegsführung des 18.Jh. im großen Maßstab, also die Generalschlachten, offenbar garnicht integrieren. Ihre Stärke war die Übermannung von kleinen, schwach besetzten Vorposten, die Erbeutung von Fourage, Aufbringung von Schiffen und Booten (für wichtige Flussübergänge feldzugsentscheidend!). Im Kleinen waren diese Truppen hoch effizient und konnten mit ihren Nadelstichen dem großen Feldzug auf ihre Weise eine ganz andere Wendung geben, da die großen, schwerfälligen Heere enorm von der Versorgung etc. abhängig waren.

Wenn der Nahkampf die Schlachtfelder gerockt hätte, wäre man sicher nicht von den Piken abgekommen. Vielleicht hätte man sie auf 3m - immernoch länger als eine Muskete - gekürzt, aber wäre doch offensiv damit erfolgreich gewesen.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1453978265 »
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Goltron

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #50 am: 28. Januar 2016 - 13:26:15 »

Nein, ich halte das gar nicht für überraschend. Tatsächlich deckt sich das genau mit meiner Meinung: Eine Kolonne die auf Infanterie in Linie ohne Unterstützung zumarschiert wird einfach zusammengeschossen. Ich bin deshalb auch zu dem Schluß gekommen das die \"Angriffskolonne\" als Kampftaktik erst sinnvoll nutzbar war als man sie in Verbindung mit Infanterie im zerstreuten Gefecht als Schirm und ggf. Artillerie zur Aufweichung der Linie eingesetzt hat. Wobei ich den Vorteil der Kolonne auch vorallem darin sehe mehr Truppen auf weniger Raum an den Feind heranführen zu können. Das die Kolonne vor dem eigentlichen Gefecht wieder zur Linie umformiert wurde ist mmn umstritten, mir erscheint es auch schwer vorstellbar das in Musketenreichweite des Gegners zu tun.

Eine weitere Frage wäre aber ob leichte Infanterie in dieser Rolle im 18.Jhd. nicht oder nur kaum eingesetzt wurde weil man diese Möglichkeit nicht erkannte oder weil die Technik der Schusswaffen das nicht zuließ (oder weil andere Gründe die Rekrutierung von solchen Truppen nicht ermöglichte).
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Pappenheimer

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #51 am: 28. Januar 2016 - 13:55:23 »

Zitat von: \'Goltron\',\'index.php?page=Thread&postID=213219#post213219

Eine weitere Frage wäre aber ob leichte Infanterie in dieser Rolle im 18.Jhd. nicht oder nur kaum eingesetzt wurde weil man diese Möglichkeit nicht erkannte oder weil die Technik der Schusswaffen das nicht zuließ (oder weil andere Gründe die Rekrutierung von solchen Truppen nicht ermöglichte).
Die leichte Infanterie scheint mir gegen sich gehabt zu haben, dass sie schwer zu führen war. Noch schwerer war sie offensichtlich in das Gesamtkonzept der Lineartaktik mit sehr unterschiedlicher Anzahl von Bataillonen pro Brigade integrierbar. Die Hauptkritik, die bei den mit ihren Panduren im Österr. Erbfolgekrieg enorm erfolgreichen Österreichern, auftaucht, ist eben die mangelnde Disziplin. Franz von der Trenck war ein sehr erfolgreicher Anführer, der obwohl mehrfach hintereinander für seine Tapferkeit nach Wien für Beförderung vorgeschlagen immer wieder hintenangesetzt wurde, weil er für viele Insubordinationen und Plünderungen berüchtigt war. Was davon auf sein Konto oder das seiner Soldaten ging, ist offenbar umstritten. Fakt ist, dass sich die leichte Infanterie eben als Vorhut oder Schirm der Haupttruppen damals durchaus bewährte. Ich spiele ja Szenarien, die auf Berichten über solche Kampfweisen 1742-44 beruhen. Die Befehlshaber der leichten Truppen mussten oftmals vor der eigentlichen Armee auf eigene Faust Entscheidungen treffen, während der x-beliebige Generalfeldwachtmeister beständig mit seinem Generalfeldzeugmeister oder gar Feldmarschall Rücksprache halten konnte. Dieses Agieren auf eigene Faust war nötig, führte aber praktisch laufend dazu, dass die Kommandeure der leichten Infanterie in Gegensatz zu ihren Oberkommandeuren kamen. Mit zu enger Bindung in das normale Heer aber, verloren die leichten Truppen rasch an Schlagkraft (man denke an die Umformung der Panduren vor dem SYW). Ein Teufelskreis. Außerdem entwickelte sich erst im 18.Jh. die Strukturierung der Armee. Im Siebenjährigen Krieg kamen selbstständig agierende Divisionen auf, deren Kommandeuren vom Oberkommando ausreichende Freiheiten zugestanden wurden. Zuvor war der wichtigste Verband die Brigade von denen mehrere einen Flügel bzw. das Zentrum bildeten. Diese Flügel, idealerweise anfangs im Österr. Erbfolgekrieg (wie bei Mollwitz)  wie im English Civil War (!) noch überwiegend oder ausschließlich aus Kavallerie bestehend, wurden von einem höheren General oder Feldmarschall kommandiert. Die vor der Linie eventuell agierenden Vorposten waren m.E. überwiegend nicht mehr als das, was wir schon in den Schützen finden, die 1632 in der Schlacht bei Lützen vor der Linie postiert wurden.

Die Vorteile der österr. lt. Inf. wurden ja auch in Frankreich begriffen und man versuchte sie zu kopieren. Wenn man sich aber anschaut, dass die sozusagen \"Blaupause\" Gschrey im direkten Aufeinandertreffen auf die österr. Konkurrenz den Kürzeren zog - praktisch immer, soweit mir geläufig, dann versteht man die große Hürde, die einer effizienten leichten Infanterie im Wege stand. Der Schützenschwarm integriert in ein taktisches Konzept wie in der Napoleonik scheint mir ein Ergebnis praktisch jahrhundertelanger Experimente und Erfahrungen. Kontrollierbar, weil in die Brigade oder sogar ins Bataillon integriert (die franz. lt. Inf. der Koalitionskriege ließ z.B. bisweilen nur die ersten beiden Glieder tiraillieren), aber doch beweglich.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1453986071 »
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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #52 am: 28. Januar 2016 - 16:32:45 »

Ja, das deckt sich mit meinen Vorstellungen. Das Problem mit der mangelnden Disziplin der Plänkler wird in dem Buch von Martin Guddat zur preußischen Infanterie auch öfters erwähnt. Die Frage ist hier aber natürlich auch ob dieser Mangel nur im Auge der Befehlshaber dieser Zeit existierte und die leichte Infanterie auch im 18.Jhd. Leistungsfähiger gewesen wäre, ob sich das Problem später durch ein höheres Augenmerk auf Ausbildung und Ansehen erledigt hat oder ob es einen möglicherweise gesellschaftlichen (höheres Nationalbewusstsein?) oder technischen (genauere Musketen?) gibt. Fände ich durchaus interessant wenn da jemand tiefe Einblicke hat.

Die Österreicher scheinen ihren Vorteil bei den leichten Truppen gegenüber den Franzosen in den napoleonischen Kriege aber abgegeben zu haben. Zwar werden gerade die Jäger und Grenzer durchaus immer wieder Lobenswert erwähnt, aber erstere waren zu wenige und letztere wurden oft falsch eingesetzt. In einem Osprey zur österreichischen Infanterie ist öfter die Rede davon das diese zu stark gedrillt wurde und dieser Mangel trotz Anstrengungen von Erzherzog Karl auch nicht ganz beseitigt werden konnte. Andersrum habe ich aber auch schon von der Disziplinlosigkeit der französischen Truppen gelesen.
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Pappenheimer

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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
« Antwort #53 am: 28. Januar 2016 - 17:01:14 »

Die Frage ist jetzt, was Du mit Disziplinlosigkeit meinst. Napoléon erwartete von seinen Untergebenen oftmals das Unmögliche, wie eben dass sie praktisch von Wasser und Luft lebten - d.h. nicht versorgt wurden, aber auch nicht stehlen sollten*. Disziplinlosigkeit heißt für mich aber primär, wenn man sich gegen die Disziplin vergeht, auch wenn es eine andere Option gäbe. Nehmen wir den Sturm auf eine Stadt. Wenn es keine Gründe gab, dass es in ein wildes Plündern überging, dann war das i.m.A. Disziplinlosigkeit. Disziplinlos war es allerdings evtl. auch, wenn ein Regiment aufgefordert wurde sich zurück zu ziehen, aber stur blieb. Das ist übrigens auch ein Aspekt, der mir in den letzten Jahren aufgefallen ist. Die sozialistische Geschichtsschreibung behauptet immer, man habe damals die Fuchtel gebraucht, weil die Soldaten unmotiviert waren. Dabei habe ich unzählige Beispiele gefunden, wo aus freien Stücken Todesverachtung gezeigt wurde, auch aus Gruppenzwang. Die Ehre allein scheint schon Antrieb genug gewesen zu sein und das trifft nicht nur auf die Offiziere, sondern eben auch auf die Mannschaften zu. Den größten Schwachsinn habe ich in der einen Austerlitz-Doku gehört, dass der Nachteil der Österreicher ein Mangel an Motivation und eine falsche Einstellung des Offizierskorps gewesen sei. Dabei finden sich gerade bei den Österreichern vielzählige Beispiele, wo einfache Soldaten bis hin zur Zivilbevölkerung und das nicht nur in Tirol Aggressoren zurückwarf und eben den angeblich, weil freiheitlich gesonnenen, Franzosen in nichts nachstand. Von daher hätte es bestimmt auch nicht am nötigen Zusammenhalt gemangelt.

* Das fanden zum Glück für uns Künstler wie Seele so malerisch, dass bevorzugt unterversorgte, plündernde Franzosen im 1. Koalitionskrieg dargestellt wurden. Die Ursachen für die schlechte Versorgung trotz kurzer Nachschublinien liegt auf der Hand: Korruption der Regierung (Directoire), Kapitalflucht (Emigration des Adels), wirtschaftlicher Niedergang (eigener Schuss ins Bein: Verteufelung der Seidenkleidung - wenn man selber Marktführer in der Seidenindustrie in Europa ist! :wacko:  )...
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