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historical wargaming - was formt unser Bild?

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Barbarus:
Dann mal schnell zusammengefasst meine Meinung, und diesmal ist\'s wirklich nur meine Meinung:

1. Alles was gewesen sein könnte, nenne ich \"historisch korrekt\". Ich brauch keinen Augenzeugenbericht oder irgendeinen anderen Beweis, dass eine Schlacht etc. stattgefunden hat. Wenn zwei Völker in relativer Nähe und zeitgleich existierten, halte ich eine Schlacht zwischen denen auf nem Spielfeld für \"historisch korrekt\".
Die Möglichkeit dafür bestand und nur weil wir keinen Beweis dafür haben, heißt es nicht, dass das nicht geschehen ist.

2. Gleichzeitig fällt sowas natürlich in die \"what if\"-Kategorie. Und auch die ist in meinen Augen \"historisch\". Solang etwas wahrscheinlich ist und passiert sein könnte, find ich den Begriff \"historisch\" passend.

3. Wer Schlachten, deren Verlauf wir kennen, 1 zu 1 nachspielt, ist in meinen Augen einfach nur ein seltsamer Freak. Das hat mit Spiel nix zu tun und ich rall nicht, wo da der Spaß sein soll.

4. Medien, besonders Filme und Serien, beeinflussen meine Sicht auf Geschichte nicht so sehr, würd ich sagen. Aber ich empfinde sie, wenn sie gut gemacht sind, als Inspiration und bekomme Lust auf bestimmte Szenarien.
Besonders gut find ich es, wenn ein Film oder eine Serie es schafft, ein \"Zeitgefühl\" zu vermitteln. Dieses Gefühl, dass man sich in eine andere Zeit versetzt fühlt und den Eindruck gewinnt, man wüsste, wie die Menschen zu der Zeit tickten... natürlich geht das nicht wirklich, aber ihr wisst sicher was ich meine.
Wenn ein Film oder eine Serie das schafft, dann hab ich in 9 von 10 Fällen anschließend Bock das aufm Tisch zu spielen. Daraus entsteht dann also fast immer ein Projekt.

Riothamus:
Historisch, ich muss es nochmal sagen, ist es nicht, eine Rekonstruktion anzufertigen, wie es war. Das geht nämlich gar nicht, wie man schon lange erkannt hat. Strebt man so etwas an, erweckt man nur den Anschein von Historizität. Es geht bei der Geschichtswissenschaft allgemein um Erkenntnisgewinn zur Vergangenheit.

Das Nachspielen eines bestimmten Ereignisses mit demselben  Ergebnis als Ziel ist damit nur eine Möglichkeit, ein System von Regeln zur Simulation zu testen. Es zeigt aber nicht, wie es wirklich war. Wollte man das, bliebe man dabei hängen, dass nur das geschehene Ereignis historisch ist, nicht die Rekonstruktion und schon gar nicht die Simulation. Der Erkenntnisgewinn kann im Ausprobieren dessen gesucht werden, was sonst noch möglich wäre. Von einer anderes getroffenen Entscheidung bis hin zu anderer Truppenzusammenstellungen. Das sucht nicht nach der Rekonstruktion von Ereignissen, sondern nach der Funktionsweise von Mechanismen.

Darum müssen für eine Simulation auch nicht alle Aspekte berücksichtigt werden, was schon das ursprüngliche Kriegsspiel nicht schaffte und den Praktikern dennoch als gutes Hilfsmittel zur Ausbildung galt. (Im Gegensatz zu dem, was geschrieben wurde, ging es H.G.Wells ausdrücklich darum, zu zeigen, wie unkontrollierbar der Erfolg des Krieges ist, weshalb er sich von dem in der Britischen Armee üblichen Kriegsspiel entfernen konnte.) Einige Vereinfachungen gehen heute auch auf mathematische Zusammenhänge und eine Abkehr von der Theorie der Vernichtungsstrategie zurück. Zum Übergang von Simulation zu reinem Spiel möchte ich mich hier nicht äußern, da es das Thema des Threads endgültig sprengte und es sich dabei um eine breite Skala handelt, auf der diese Abgrenzung rein individuell vorgenommen wird. Zudem hatten wir diese Erkenntnis schon in einer anderen Diskussion.

Zudem ist \"historisch\" ein weites Feld, wie ich schon darzustellen suchte. Welcher Teil soll historisch sein? Kann durchaus eine sinnvolle Frage für historisches Spiel sein. Hier wird teilweise so diskutiert, als ob wir alle im Historismus, der oben beschriebenen Haltung, dass historisch sei, was so rekonstruiert wurde, wie es war, verhaftet seien. Dies ist aber schon deshalb nicht möglich, weil immer eine Menge Abschätzungen, Raten und ausgesprochene sowie nicht ausgesprochene Voraussetzungen herangezogen werden müssen. Dazu ist die Frage, was unter \"wahr\" verstanden wird vom Zeitgeist abhängig. Und wie Pedivere schon schrieb, kommt oft noch Propaganda und der politische Wunsch einer bestimmten Wahrheit hinzu. Um es aber noch einmal klar zu sagen:

Eine im buchstäblichen Sinn \"historisch korrekte Darstellung\" ist nicht möglich, was eine der wichtigsten Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft der letzten 200 Jahre ist. Ähnlich wie Pedivere und Barbarus sehe ich da das Streben nach Authenzität als Art der Annäherung als Ausweg, wenn es um eine Darstellung geht. Beim zitierten \"was wäre, wenn\" unterscheide ich. Mitunter sind natürlich Gedankenexperimente zum Erkenntnisgewinn notwendig. Ein \"Was wäre, wenn Hannibal auf Rom marschiert wäre?\" mit stillschweigender Voraussetzung einer Einnahme Roms ist etwas Anderes als ein \"Welche Möglichkeiten hätte es gegeben, wenn Hannibal auf Rom marschiert wäre?\". Da ist natürlich der Übergang zur Simulation fließend. Und auf der anderen Seite zur Fantasy.

Wie beurteile ich dabei Filme? Ganz einfach: am Anspruch. Wenn da auf \"historische Korrrektheit\" abgestellt wird, ist da die Frage, wie gut die Annäherung gelungen ist und wie die Ereignisse eingeordnet werden. Wenn gesagt wird \'eine Fantasy-Version von xy\' oder \'eine Romanverfilmung\' ist es ein anderer Anspruch als \'von xy inspiriert\' oder \'mit den Augen von z gesehen\' oder \'vor dem Hintergrund\' oder \'Nachstellung eines historischen Ereignisses\'.

Dazu, was beim Wargaming \'historisch\' sein kann, hatte ich schon viel geschrieben.

Der prägendste Film für mich ist in dem Zusammenhang Spartacus. Unser Geschichtslehrer nahm die Schlachtszenen auseinander. Aufgrund von Vertretungen hatte er ihn zeigen können und in derselben Woche hatten wir die letzten Stunden vor den Ferien bei ihm. Dazu kannte ich einen Text zur Entstehung der fraglichen Szenen und eine weitere Interpretation. So etwas heilt einen \'historische Filme\' als \'historisch\' zu betrachten. Wie schon gesagt, bei der Beurteilung gehe ich vom Anspruch des Films aus (natürlich möglichst auf dem Hintergrund der Entstehungszeit betrachtet). Filme -egal wie historisch- können natürlich auch der Inspiration dienen.

(Zwei Anmerkungen zur Diskussionskultur:

Die Behauptung, dass Pazifisten eher Fantasy- oder Science Fiction- Regeln spielen ist schlichtweg unwahr und beleidigend, zumal hier der Gegensatz von Soldatentum und Pazifismus aufgestellt wird. Meiner Erfahrung nach sind Soldaten und ehemalige Soldaten in der überwältigenden Mehrheit Pazifisten.

Die Verwendung von Emoticons hilft manches Missverständnis durch wegfallende Gestik, Mimc und Tonfall zu vermeiden. Dazu hat man sie erfunden, wie hier wohl fast jeder wissen wird.)

Darkfire:
Eine Anmerkung zu Riothamus:
\"(Zwei Anmerkungen zur Diskussionskultur:

Die Behauptung, dass Pazifisten eher Fantasy- oder Science Fiction- Regeln spielen ist schlichtweg unwahr und beleidigend, zumal hier der Gegensatz von Soldatentum und Pazifismus aufgestellt wird. Meiner Erfahrung nach sind Soldaten und ehemalige Soldaten in der überwältigenden Mehrheit Pazifisten.

Die Verwendung von Emoticons hilft manches Missverständnis durch wegfallende Gestik, Mimc und Tonfall zu vermeiden. Dazu hat man sie erfunden, wie hier wohl fast jeder wissen wird.)\"

Zum ersten verwehre ich mich hier mal gegen den Angriff...der vielleicht jetzt auch nicht ganz der \"Diskussionskultur\" entspricht. Und zum anderen, wie Du auch richtig schreibst, sind Smiley (ich finde Emoticons als Begriff schrecklich) dazu da um Missverständnisse zu vermeiden...wenn der Leser sie natürlich beachtet. Leider sind Sie Dir wohl entgangen, wie Du an der unten zitierten Textstelle siehst:


\"Wer nun was für eine Art von Tabletop betreibt ist dem persönlichen Gusto überlassen....\"Patzifisten\" ziehen eher Fantasy oder SF vor ;)\"

Mit dem Zwinkersmiley habe ich wohl ausgedrückt, das ich das ironisch meine, also in keiner Weise herabwürdigend oder beleidigend

Auf Entschuldigung wartend  ;)  (Achtung Smiley!!)
Darkfire

Und jetzt weiter mit der normalen Diskussion

Riothamus:
Tut mir leid. Das kommt davon, wenn Diskussionen so lang werden, dass bestimmte Aussagen nur noch schwer zu finden sind.

Dafür zeigt es den Sinn von Smileys.  :whistling:

newood:
Ich denke viele von uns haben den einen oder anderen nachstehend genannten
Film mehr oder weniger in Erinnerung und wurden somit auch ein Stück von der
Story und den Bildern beeinflusst.

Bei mir waren das

Kampf um Rom (1968) ... die riesigen Mauern und die Massen an Soldaten
Ben Hur (1959)  ... natürlich die Seeschlacht
Kleopatra (1963)  ... natürlich die Seeschlacht
Lawrence von Arabien ... der Sturm auf Akaba und der Überfall auf den Zug
Die Wikinger  ... die Nummer mit dem Baumstamm war schon cool
Die Luftschlacht um England
Waterloo ... die Masse an Soldaten
Tora, Tora, Tora
Die Brücke am Kwai
Der Rote Baron
Rorkes Drift ... auch wenn man heute weiß das Bromhead und Chard vorher nur durchschnittliche Offiziere waren
Die Kanonen von Tobruk
Taxi nach Tobruk
Der längste Tag
Steiner I
Die Wildgänse     ... unbedingt
Die Hunde des Krieges  ... unbedingt
Die grünen Teufel  
Apocalypse Now
Full Metal Jacket
Platoon
Die Brücke von Arnheim
Der letzte Befehl
Gettysburg
Der Soldat James Ryan
Der schmale Grad
Letters from Iwo Jima
Flags of our Fathers  
Hacksaw Ridge

Da ich kein guter Maler und Bastler bin und bestimmt auch nicht vor einem Spiel
tief in die Geschichte eintauche, kann ich hier wenig mitsprechen.

Ich halte es aber für ganz natürlich, wenn Spieler mit Blick auf die spektakulären
Szenen dieser Filme Lust auf eine Epoche bekommen und der eine oder andere für
sich auch hier einen höheren Anspruch ableitet, weil er mehr über die Epoche und
über den Verlauf des Gefechtes weiß.

Ich finde es gut, wenn es solche Spieler unter uns gibt und ich höre gerne von dem
was sie wissen. Insofern lese ich hier immer gerne wenn ein Spieler etwas zum Hinter-
grund schreibt. Mich spornen diese Beiträge an selbst erneut nachzulesen und das bis-
herige Spektrum zu erweitern.  

Ich habe all diese Filme in erster Linie zur Unterhaltung und als Vorlage für Szenarien
genutzt.

Übrigens, dass Kriegsspiel von von Reiswitz und Little War\'s von Wells sind nicht die einzigen
Goodies, schaut doch mal nach

    Sham Battle
    How to Play with Toy Soldiers
    von 1929

Ich denke auch hier haben wir es mit einem Frühwerk zu tun, dass allerdings die Techniken des
ersten Weltkrieges mit berücksichtigt.

Der belgische Club Schield & Friend hat das Spiel mal vor Jahren für sich entdeckt und eine
Vorstellung mit Spielbericht im Internet veröffentlicht.

mfg
newood

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