Allgemeines > Bücher, Filme, Publikationen
Mit dem Degen in der Faust - Mantel- und Degenfilme Alt und Neu
Pappenheimer:
--- Zitat von: Maréchal Davout am 22. Januar 2020 - 16:27:04 ---Bei Jan de Lichte habe ich die ersten sechs Folgen ausgehalten. Gepackt hat es mich aber bisher nicht.
Thematik ist erstmal interessant: Gesetzlose in den Wäldern, die
vom korrupten
Stadtpatriziat verbannt wurden, Heimkehrer aus den schlesischen Kriegen wie Jan, der bei den Österreichern kämpfte. Ein neuer Polizeichef mit Anstand in der Stadt, der es nicht leicht haben wird...
Vollbärte bei den Patriziern sind hier schon komisch. Ich frage mich auch, wie lange man noch Barockperücken getragen hat, als eigentlich schon anderes Mode war. Die hohen Herren werden denn auch sehr verkommen dargestellt, geben dadurch aber wahre Bösewichte ab. Ganz lustig finde ich, wie Ideen der Aufklärung als rationalistische Legitimation für unmenschliche Pläne und Machenschaften herangezogen werden. Vermute, du wirst es nicht mögen... ich guck nochmal weiter (immer beim Anmalen)...
--- Ende Zitat ---
Bei 1747 fiel mir natürlich v.a. Rocoux und Laffeldt ein. Die Niederlande waren damals sowas von im Eimer. Die Unzufriedenheit mit der Oligarchie führte zu ziemlich turbulenten Zeiten. Ich denke, da passt so eine Story prinzipiell gut rein.
Die Perücken der Richter/Ratsmitglieder wirken handwerklich ulkig. Recht aufwendige und füllige Perücken sind aber bei Staatsmännern und Richtern noch bis in die 1770er zu sehen.
Anton von Maron, offenbar als Akademiemitglied: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Anton_von_Maron?uselang=de#/media/File:Anton_von_maron,_autoritratto,_1789.JPG
Beispiel der Republikanischen Regierung in Basedows Elementarwerk (1774): https://commons.wikimedia.org/wiki/Elementarwerk,_Kupfersammlung?uselang=de#/media/File:Chodowiecki_Basedow_Tafel_33_b.jpg
Beispiel der monarchischen Regierung (1774): https://commons.wikimedia.org/wiki/Elementarwerk,_Kupfersammlung?uselang=de#/media/File:Chodowiecki_Basedow_Tafel_33_c.jpg
Noch besser, die Gegenüberstellung vor Gericht bei Basedow:
Der Richter mit Gelehrtenperücke, die Gerichtsschreiber (oder sowas) mit kleineren Perücken und der Angeklagte, der die Strafe bezahlt mit Peruque en bourse: https://commons.wikimedia.org/wiki/Elementarwerk,_Kupfersammlung?uselang=de#/media/File:Chodowiecki_Basedow_Tafel_34_a.jpg
Die einfacheren Leute tragen die Peruque courte - auf Deutsch "Stutzperücke".
Ich denke, dass sich Richter und hohe Staatsmänner meistens einfach ein würdiges Auftreten geben wollten. Mit den Allonge-Perücken unterm Sonnenkönig haben diese Perücken auch soviel gemein wie heutige Kavalleriesäbel (etwa bei der Garde Republicain in Frankreich) mit einem Säbel des 18.Jh.. Die Funktion ist dieselbe und es gibt Ähnlichkeiten, aber die Perücke folgt auch der Mode und verändert sich leicht. Es gibt da ein paar gute amerikanische Bücher, die sich mit der Evolution der Perücken in der Zeit beschäftigt haben.
Bärte sind halt ein No-Go, bzw. sie sehen hier halt einfach nur dämlich aus. Solche langen Vollbärte gab es ja - versteht mich nicht falsch. Man erkennt sie auf zeitgenössischen Gemälden beispielsweise an Einsiedlern oder Juden in Straßenszenen wie bei Bellottos Dresdenansichten.
Maréchal Davout:
Ha, jetzt wird es mal wieder herrlich differenziert - gefällt mir gut! Details kenne ich zu Perücken (noch) nicht! Nur kenne ich eben diese auftoupierten, hohen Barockperücken, die sehr offen und fluffig wirken im Vergleich zu den schmaleren Perücken in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, die hinten auch ein Schwänzchen mit Schleife hatten.
Niederlande im Eimer: Ja, das ist ein schönes Setting für Abenteuer, Ungerechtigkeit am Rande rechtsfreier Räume... Die Last durch französische Besatzung wird auch thematisiert.
Pappenheimer:
Ich habe jetzt mal in die erste Episode reingelinst.
"De Bende van Jan de Lichte" - Episode 1
BEL 2017
Regie: Robin Pront, Maarten Moerkeke
Darsteller: Matteo Simoni, Stef Aerts, Tom van Dyck, Charlotte Timmers
Handlung: Flandern ist 1747 von den Franzosen besetzt. Diese zwingen die Provinzverwaltung zu hohen Abgaben, verstehen sich aber privat mit ihnen und feiern Feten, während das Land unter der Lust stöhnt.
Derweil wird Jan de Lichte eher zufällig durch Straßenräuber aus den Händen seiner Häscher befreit. Er darf sich eigentlich in Aalst nicht blicken lassen. Dort begegnet er einer Wahrsagerin mit der in den Wald geht. Dort muss er sich gegenüber den Straßenräubern durchsetzen...
Derweil ist der neue Polizeichef de Baru in Aalst angekommen. Er sieht sich gleich zahlreichen Hindernissen gegenüber, denn sein Vorgänger hat furchtbar gehaust. Obendrein schließt ihn die High Society von ihrem Kreis aus.
Du hast schon recht, Maréchal, dass das Setting eigentlich cool ist. Der historische Hintergrund ist megaspannend und so Kriegszeiten sind ein guter Vorwand, der mächtige Räuberbanden und Gesetzlosigkeit auf den Straßen erklärt. Auch der Konflikt zwischen Besatzern und Einheimischen ist doch sehr ergiebig. Sehr gut gefällt mir der Charakter von Baru und wie er versucht sich einen Überblickt zu verschaffen und seine Magd ausfragt.
Das Design erinnert schwer an "Turn" mit nem Mix aus modernen Looks und ein paar bemerkenswert gut recherchierten Facetten. Da ist z.B. dieser an Assassin's Creed erinnernde Mantel und auch diese Super-Kämpfer-Bewaffnung von de Lichte und dann ne Wahrsagerin mit so ner Art Larp-Verkaufsstand auf dem Markt von Aalst ;D . Aber dann im Hintergrund wieder richtig gut uniformierte Franzosen - wenngleich die Uniformen nach Gardes Francaises ausschauen. Die Logik bleibt natürlich allenthalben auf der Strecke. Als der de Lichte in die riesige Falle fällt, fragte ich mich: haben die Räuber nen Bagger oder nix besseres zu tun als mitten im Wald ne Falle anzulegen? Wie wahrscheinlich ist das denn dass da jemand zufällig reinfällt. Auuua! Dann dieser Mystery-Quatsch - naja, muss wohl dazu gehören. Witch-Hunter lässt grüßen.
Ich werde mir wohl wie bei "Turn", "Harlots" und der "Versailles"-Serie ein paar Folgen reindrehen bis es mir zu langweilig wird.
Darsteller ***
Bilder ***
Story *
Fechtszenen **
Darkfire:
--- Zitat von: Pappenheimer am 10. Dezember 2019 - 12:08:21 --- dass er mit Lady de Winter verheiratet war.
--- Ende Zitat ---
...das muss wohl passen, es kam bei Richard Lesters Musketiere auch vor.
Pappenheimer:
--- Zitat von: Maréchal Davout am 22. Januar 2020 - 19:08:21 ---
Niederlande im Eimer: Ja, das ist ein schönes Setting für Abenteuer, Ungerechtigkeit am Rande rechtsfreier Räume... Die Last durch französische Besatzung wird auch thematisiert.
--- Ende Zitat ---
Kann es sein, dass die Produzenten eigentlich selber nicht wissen, wann und wo das spielen soll? Ich habe gestern Folge 2 gesehen. Da war von den "States of the Nederlands" die Rede.
Äh, soll die Handlung nicht in der Nähe von Brüssel spielen? Der Polizeichef wurde ja auch aus Brüssel geschickt. Aber wenn von Brüssel die Verwaltung ausgeht, dann handelt es sich ja garnicht um die Generalstaaten der Niederlande sondern um die Österreichischen Niederlande. Letztere machen dann auch den Goldenen Vlies am Bürgermeister plausibel. Generell ist aber die Krux, dass von einer bereits so langen französischen Besetzung die Rede ist. Nun braucht man nur mal schauen, wann die Invasion der Franzosen in Wallonien war. Das war 1745 nach der Schlacht bei Fontenoy. Mit der Eroberung von Tournai wurde die erste bedeutende Grenzfestung genommen.
Die Jahre des Krieges zuvor als sich der Kriegsschauplatz vom Main in die Niederlande verlegte, passierte nicht viel. Dem Vorschlag den Fokus auf die Niederlande zu legen, wurde ja vom König erst nach der Eroberung von Freiburg zugesprochen.
Was freilich sehr verwirrend für die Produzenten und falls es Historische Berater gab auch für die ist, das ist, dass die sogenannten Barrierefestungen an der französischen Grenze nicht etwa von österreichischen Truppen sondern von niederländischen besetzt war. Ein Fakt, der nach dem Frieden von Utrecht und Baden zu viel Ärger auf österreichischer Seite geführt hatte.
Wie dem auch sei. Von wem wurde nun de Baru geschickt? Von den Franzosen? Brüssel ist 1746 nach einer Belagerung in die Hände der Franzosen gefallen. Aber sieht de Baru nach einem französischen Polizisten aus? Nicht wirklich.
Ähnlich skurril dann auch das Straßenbauprogramm. Obwohl es in Folge 1 kurz angerissen wird und in Folge 2 sogar auf neue Bautechnik hingewiesen, scheint es doch so zu sein, dass die Filmleute keine Ahnung von Straßenbau haben.
Wie war Straßenbau organisiert? Im 18.Jh. setzten sich nämlich diejenigen durch, die fanden, dass Straßenbau als Arbeitsfron der Anlieger keinen Sinn ergab, weil es die Baumaßnahme nur hinauszögerte. Obendrein war der Modus wer wie lange an der Straße zu bauen hatte viel zu kompliziert war. Also ging man dazu über Straßen wie heute auch durch Facharbeiter bauen zu lassen. Insbesondere bei gepflasterten Straßen ergibt das auch unbedingt Sinn. Die Sache ist hier in der Serie, dass das Projekt von dem Bürgermeister eines Provinzkaffs angeschoben werden soll. Wie soll denn das funktionieren? Die bauen bis zur Stadtgrenze und das war's? Straßenbau selbst in Deutschland und in den Reichskreisen wurde zentral geregelt. Entweder die Straßenbaubehörde eines größeren Staates - meinetwegen Sachsen - hatten eine eigene oder der Reichskreis regelte das. So ein Bauprojekt wie in der Serie ergibt einfach keinen Sinn von daher.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln