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Es war einmal...ein Kriegsspiel
Kniva:
--- Zitat ---Ah, verstehe: es gibt sie nicht und wenns sie doch gibt, läßt du sie nicht gelten
--- Ende Zitat ---
Ich lasse Deine \"Beispiele\" deshalb nicht gelten, weil sie nicht greifen.
Du erwähnst Napoleon.
Wo genau hat er als Untergebener konkrete Befehle mißachtet?
Das hat er erst, als er eine Stellung erreicht hatte, in der er sowohl militärisch als auch in gewisser Weise politisch unangreifbar war - zudem konnte er sich darauf berufen, Oberbefehlshaber einer Armee und damit eines Kriegsschauplatzes (Italien) zu sein. Und streng genommen hat er im Grunde keinen Befehlen wirklich zuwider gehandelt.
Du erwähnst Rommel.
Den einzigen Befehl, den er am Ende dann ignoriert hat, war der \"Zum-Siege-oder-zum-Tode\"-Befehl Hitlers vom Oktober 1942. Den hat er am 4. November durch seinen Rückzugsbefehl von der Alameinfront ausgehebelt.
Warum ich dieses Beispiel nicht gelten lasse liegt daran, dass Hitler Rommel zu diesem Zeitpunkt gar nicht hätte entlassen können. Er war der poulärste Heerführer der Wehrmacht, ein enger Bekannter - ja Freund vielleicht sogar - von Goebbels und von der Propaganda entsprechend hochgejubelt.
Andere Heerführer hatten diesen Rückhalt nicht, und entsprechend wurden zahlreiche Feldmarschälle und Generale zwischen Dezember 1941 und März 1942 entlassen, WEIL sie Hitlers Haltebefehl während der Winterkrise im Osten ignoriert hatten. Einer kam sogar tatsächglich vors Kriegsgericht, ein anderer (wenn ich nicht irre) ins Strafbataillon.
Was ich sagen wollte: In Deiner Darstellung klang es so, als sein ein Militärapparat eine Organisation, in der jeder macht, was er will, und wo Befehle von oben nach Gutdünken der Untergebenen ausgeführt werden.
Wir sind uns doch wohl einig, dass dem NICHT so ist. Es mag in Einzelfällen vorgekommen sein, dass auch in der Napoleonischen Ära mal ein kleinerer Dienstgrad meinte, schlauer sein zu müssen als sein Vorgesetzter - und damit vielleicht sogar recht hatte. Aber bitte, solche Fälle dürften unter 100.000 ein mal vorgekommen sein. Und diese Fälle sollten eben NICHT das vorherrschende Vorbild sein für \"Kriegsspiel\".
Dem steht nicht entgegen, dass bei \"Kriegsspiel\" die Untergebenen Eigeninitiative zeigen sollen und müssen. In unserem Fall hat Tattergreis das ja hervorragend vorexerziert: Den Befehl, die Brücke zu nehmen und zu halten, hat er strikt befolgt. Alles andere oblag SEINER Entscheidung, schlicht deshalb, weil er vor Ort, sein Vorgesetzer (ich) weit weg war. Zudem hatte er selbst keinen Überblick, was am anderen Abschnitt geschah. Entsprechend hat er reagiert, wie es ihm vor Ort richtig erschien.
Ich gehe davon aus, dass er - sobald ich selbst einen Überblick über die Lage bei ihm erhalten und ihm neue Befehle erteilt hätte - meine weiterführenden Befehle befolgt hätte.
Ich glaube, DAS macht Kriegsspiel aus: das Kommunizieren zwischen Befehlshaber und Untergebenen, das Im-Nebel-des-Krieges-Herumgestochere - und nicht die Frage, wie ich meinen Vorgesetzten umgehe... ;)
Gruß
Kniva
DonVoss:
--- Zitat ---Den einzigen Befehl, den er am Ende dann ignoriert hat, war der \"Zum-Siege-oder-zum-Tode\"-Befehl Hitlers vom Oktober 1942. Den hat er am 4. November durch seinen Rückzugsbefehl von der Alameinfront ausgehebelt.
--- Ende Zitat ---
Bei so nen Aussagen is es immer besser Formulierungen zu benutzen wie: \"...meines Wisens nach...\" ... ;)
Rommel hat nämlich ne Menge mehr Befehle missachtet, meines Wissens nach. Das fing an seinem erste Tag in Afrika an, wo er übrigens noch ein kleines Licht war. Statt nur Aufklärung wie befohlen zu machen, startete er eine veritable Mini-Offensive, die die Engländer (hatten viele Truppen nach Griechenland abgben müssen) auf dem falschen Bein erwischte.
Seine bekannteste Befehlsverweigerung war die des afrikanische Kommissar-Befehls, der die sofortige Ermordung brit. Kommandotruppen und ähnlich zweifelhaft uniformierter Kräfte vorschrieb. Wurde einfach vom kompletten Afrika-Korps ignoriert.
Rommels ganzes Verhalten war in Afrika war aus Kriegsspielsicht ziemlich unmöglich. Er gab seine Verlustzhalen falsch an, rechnete den Gegner stark, trickste mit dem Spritbedarf, verschleierte eigene Angriffszeiten etc. Das führte dazu, dass bis spät in 1941 die brit. Aufklärung (Ultra) kaum einen sinnvollen Beitrag in Afrika leisten konnte. Rommels Funkprüche waren zu dieser Zeit fast alle gefälscht.
Naja, er wäre wohl auch aus anderen Gründen kein besonders geeigneter Kandidat für die unteren Ebenen des Kriegsspiel.... :thumbsup:
Zu dem Thema Kommissar-Befehl gibts auch nen schönen Wiki-Artikel.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kommissarbefehl
Selbst in so einer straff organisierten Truppe wie der Wehrmacht gibts da Befehlsverweigerer (die nicht bestraft werden), Offiziere die Eingben machen, den Befehl auszusetzen, Befehlsignoranten u.s.w. Zum Schluss wird der Befhl einfach ausgesetzt.
--- Zitat ---Andere Heerführer hatten diesen Rückhalt nicht, und entsprechend wurden zahlreiche Feldmarschälle und Generale zwischen Dezember 1941 und März 1942 entlassen, WEIL sie Hitlers Haltebefehl während der Winterkrise im Osten ignoriert hatten.
--- Ende Zitat ---
Soll das jetzt ein Beleg dafür sein, dass es keine Ausheblung von Befehlen gab? Oder geht es dir darum, dass die immer bestraft wurden?
Außerdem würde ich nicht entlassen sagen. Guderian wurde z.B. wieder zurückgeholt und immerhin Chef des Generalstabes. Hoepner hatte Pech, das an ihm ein Exempel statuiert werden sollte.
Trotzdem sind diese Beispiele für mich gerade der Beweis, das es nicht immer so reibungslos läuft wie vom Befehlshaber gewünscht.
Meine Kernaussage:
Militärische Organisationen, egal welcher Größe und egal auf welcher Ebene, bilden komplexe zwischenmenschliche Strukturen, bei denen Reibungsenergien entstehen.
Sie sind nicht zu vergleichen mit einem Uhrwerk, bei dem jedes Rädchen bedingungslos ins andere greift.
Es gibt Verräter, Trunkenbolde, Karrieristen, unfähige Stümper, Feiglinge, Draufgänger, Zögerer und einfach Truppführer, die ihre Jungs nicht sinnlos in den Tod führen wollen.
Von daher fand ich Tattergreis Entscheidung plus Erklärung sehr stylisch. Hätte im Nachspiel vielleicht vom Oberfehlshaber sanktioniert werden müssen. Aber das grundsätzliche Verhalten (Wollte meine Truppen nicht einem zu gro´ßen Risiko aussetzen...) finde ich sehr stimmungsvoll und im Geiste des Spiels.
Was ich nicht sagen wollte: Jeder macht was er lustig findet und ignoriert alle Befehle.
Cheers,
DV... :)
tattergreis:
Wellinton hatte den Befehl gegeben, Quatre-Bras zu räumen, aber irgendein Kommandeur hat den Befehl einfach nicht befolgt. Stonewall Jackson hat in der 7-Tage-Schlacht kaum das getan, was ihm befohlen wurde. Wobei die Befehle von Lee zu höflich waren, genauso wie Gneisenaus Mitteilungen an Bülow vor Ligny. Gibt schon ein paar Beispiele, wobei gerade höhere Dienstgrade manchmal seltsame Befindlichkeiten an den Tag legen.
zu unserem KS
--- Zitat ---Alles andere oblag SEINER Entscheidung, schlicht deshalb, weil er vor Ort, sein Vorgesetzer (ich) weit weg war. Zudem hatte er selbst keinen Überblick, was am anderen Abschnitt geschah. Entsprechend hat er reagiert, wie es ihm vor Ort richtig erschien.
--- Ende Zitat ---
Ich liebe Aufträge
Die Frage sei erlaubt, ob es nicht doch richtig gewesen wäre, energischer nach vorn zu gehen. Ich war meinem Gegner numerisch überlegen (irgendwann doppelte Anzahl an Btl und Schwadronen + Ari), ein energischer Vorstoß hätte im Nachhinein wohl zum Rückzug von Sharkus Truppen geführt. Was dann passiert wäre, wenn ich auf die Truppen vom Dr. Puppenfleisch getroffen wäre, ist ne andere Sache. Mein Alptraum war ja von Anfang an der Verlust der Brücke in meinem Rücken und ne überlegene Streitmacht am Ende des Flaschenhalses meiner Vormarschrichtung. :skull:
Was man bemerkt, ist die Schwierigkeit der Koordination. Im nächsten Spiel sollten wir Fahnensignale verabreden. 8o winke, winke
Vom Sockel gehauen hat mich die Mitteilung, dass die Division in 20 min angekommen wäre :girl_witch: . Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht nachts oft schreiend aufgewacht in Sorge um meine rückwärtigen Verbindungen. Wenn ich ein Szenario entworfen hätte, wäre auf jeden Fall noch eine überlegene Feindtruppe überraschend aufgetaucht :assassin_1: Oder die Kürassiere wären weggeritten :D ;) War denn der Versuch der Vernichtung der Feindkräfte nicht etwas zu ambitioniert? Hätte es nicht gereicht, mit viel Pulvereinsatz den Gegner von der Steinbrücke wegzudrücken? Wäre allerdings viel langweiliger gewesen (wahrscheinlich hat Zieten deshalb meinen Vorschlag abgelehnt :rolleyes: )
Vom Schlachtverlauf her haben wir also für den Preis einer Batterie und einer Schwadron 2 Übergänge bekommen Der Gegner hat ne Schwadron verloren, aber nur geringe Verluste an Infanterie. Ich denke, wir haben keine Orden, aber wenigstens ne Flasche Fusel verdient.
cheers
xothian:
... ich seh schon, das spiel ist immer noch am laufen ... clausewitz vielbeachtete \"Reibung\" ist in vollem gange unter den akteuren :) ;)
in diesem sinne verliert euren konsens nicht aus den augen
ein kriegsspiel muss man \"ueben\", es geht sehr viel von der kompetenz und verantwortung des \"umpires\" aus
und um zu ueben(befehle richtig schreiben, karten richtig lesen .. ) braucht man eine hoehere frequenz an spielen
das heisst lieber klein halten und zeitlich bzw. am besten oertlich begrenzen (alle teilnehmer mit karten und papier in verschiedene raeume/ecken ueber einen nachmittag einsperren ;)
etc etc ..
Der ganze Krieg setzt menschliche Schwäche voraus, und gegen sie ist er gerichtet :smiley_emoticons_prost:
cheers chris
Kniva:
@Tattergreis:
--- Zitat ---Die Frage sei erlaubt, ob es nicht doch richtig gewesen wäre, energischer nach vorn zu gehen. Ich war meinem Gegner numerisch überlegen (irgendwann doppelte Anzahl an Btl und Schwadronen + Ari), ein energischer Vorstoß hätte im Nachhinein wohl zum Rückzug von Sharkus Truppen geführt.
--- Ende Zitat ---
Das erfahre ich erst JETZT???? Du bist mit sofortiger Wirkung rückwirkend degradiert, kommst wegen Feigheit vor dem Feind vors Kriegsgericht und wirst - als schlimmste Strafe - den Sold der letzten zwei Jahre zurückzahlen!!! :cursing:
--- Zitat ---Vom Sockel gehauen hat mich die Mitteilung, dass die Division in 20 min angekommen wäre
--- Ende Zitat ---
20 Minuten, nachdem Major Widor unter heldenhaftem Einsatz seines Lebens die Steinbrücke eingenommen und Malzone besetzt befreit hat. Die Nachricht über die jüngste Entwicklung war übrigens schon auf dem Weg zu Dir. :D
--- Zitat ---Oder die Kürassiere wären weggeritten
--- Ende Zitat ---
Ja, von Deiner arg bedrängten Truppe weg zu Widor, um dort den Sieg zu feiern .... :laugh1_1: :mosking_1:
--- Zitat ---Vom Schlachtverlauf her haben wir also für den Preis einer Batterie und einer Schwadron 2 Übergänge bekommen Der Gegner hat ne Schwadron verloren, aber nur geringe Verluste an Infanterie. Ich denke, wir haben keine Orden, aber wenigstens ne Flasche Fusel verdient.
--- Ende Zitat ---
He - wir haben unseren Auftrag VOLL erfüllt, einen glorreichen Sieg errungen und den Ösis gezeigt, wo der Hammer hängt!!!! Habe mich selbst ob meines genialen Planes zu \"Herzog von Malzone\" und \"Fürst von Repultano\" ernannt!!!! :dance3:
@DonVoss:
--- Zitat ---Rommel hat nämlich ne Menge mehr Befehle missachtet, meines Wissens nach. Das fing an seinem erste Tag in Afrika an, wo er übrigens noch ein kleines Licht war. Statt nur Aufklärung wie befohlen zu machen, startete er eine veritable Mini-Offensive, die die Engländer (hatten viele Truppen nach Griechenland abgben müssen) auf dem falschen Bein erwischte.
Seine bekannteste Befehlsverweigerung war die des afrikanische Kommissar-Befehls, der die sofortige Ermordung brit. Kommandotruppen und ähnlich zweifelhaft uniformierter Kräfte vorschrieb. Wurde einfach vom kompletten Afrika-Korps ignoriert.
--- Ende Zitat ---
Gleichwohl war er Hitlers Liebling und Vorzeigegeneral - sprich: Er konnte sich das leisten.
Mit Guderian hast Du recht; auch v. Rundstedt und v. Bock wurden später wieder eingesetzt. Was aber nichts daran ändert, dass IHRE Befehlsverweigerung Konsequenzen hatte, wenn auch nur vorläufig. Darüber hinaus BRAUCHTE Hitler diese Leute, so dass er dauerhaft sie (vorerst) nicht ausschalten konnte.
Darüber hinaus diskutieren wir über Ungehorsam auf höchster Ebene. Ich sage noch einmal, dass mit Sicherheit auch auf unterer Ebene Ungehorsam vorkam - nur war er nicht die Regel (gleiches gilt für Tattergreis\' Beispiele bezüglich Stonewall Jacksons als auch den Herzog von Oranien bei Quatre-Bras). Und sollte daher nicht bei einem Teilnehmer von \"Kriegsspiel\" sofort im Vordergrund stehen.
--- Zitat ---Militärische Organisationen, egal welcher Größe und egal auf welcher Ebene, bilden komplexe zwischenmenschliche Strukturen, bei denen Reibungsenergien entstehen.
Sie sind nicht zu vergleichen mit einem Uhrwerk, bei dem jedes Rädchen bedingungslos ins andere greift.
Es gibt Verräter, Trunkenbolde, Karrieristen, unfähige Stümper, Feiglinge, Draufgänger, Zögerer und einfach Truppführer, die ihre Jungs nicht sinnlos in den Tod führen wollen.
--- Ende Zitat ---
Ich stimme Dir da zu. Nur auf DER Grundlage \"Kriegsspiel\" zu spielen, verurteilt m. E. das Ganze zum Scheitern. Denn dann brauchst Du wirklich keinen Befehlshaber mehr, wenn sich jeder Untergebene darauf beruft, er sei eben Karrierist o. ä.
Ich sage es nochmal: Meiner Ansicht nach machst Du die Ausnahme zur Regel. Natürlich sind Armeen kein Uhrwerk - aber sie sind eben auch kein loser Haufen, wo es zwar Befehlshaber gibt, die aber keinerlei Macht ausüben können und die auf das \"Wohlwollen\" ihrer Untergebenen angewiesen sind.
Aber wie Du ja selbst schreibst:
--- Zitat ---Was ich nicht sagen wollte: Jeder macht was er lustig findet und ignoriert alle Befehle.
--- Ende Zitat ---
Ich denke, wir können diese Diskussion an dieser Stelle auch beenden.
Stattdessen sollten wir darüber nachdenken, wie wir \"Kriegsspiel\" wieder neu beleben, und zwar so, dass es allen - auch und gerade dem Spielleiter - Spaß macht.
Gruß
Kniva
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