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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches

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Mansfeld:
In der Fachwelt spricht man seit der 90er inzwischen von einem Transformationsprozess - Strukturen des weströmischen Staates verschwinden teilweise, teilweise werden sie von nichtrömischen Fürsten in ihr eigenes Herrschaftssystem eingebaut - bestes Beispiel sind die Franken, deren Könige sich anfangs auch als reichsrömische Militärführer definieren. Bzw. ab einem gewissen Zeitpunkt propagieren sie eine Fortsetzung des römischen Herrschaftssystems durch sie. Gleichzeitig bekämpfen sie aber auch andere Machthaber mit dem gleichen Herrschaftsanspruch wie z.B. Syagrius.

Und die hochmittelalterlichen Kaiser sahen sich durchaus weiterhin als römische Kaiser an, und das ist nicht alleine der karolingischen tradition geschuldet.

Andererseits sind viele für einen weströmischen Bürger des frühen 4. Jahrhunderts vertraute Institutionen und Autoritäten um 600 einfach nicht mehr da, oder so umgewandelt (Diözesen sind auf einmal Einheiten der katholischen Kirche und Bischöfe üben Amtsvollmachten von spätrömischen Beamten aus), daß er sie nicht wiedererkennen würde.

Ersetzt Untergang durch Transformation, und dann hat man nicht mehr diese Widersprüche. Der Untergangsgedanke ist eh ein typischer Topos der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, die hat den ein wenig zu oft verwendet, weil sie zwnagsweise in nationalstaatlichen Kategorien ihrer eigenen Zeit gedacht haben.

Gabriel Flavius:

--- Zitat von: \'Goltron\',\'index.php?page=Thread&postID=192406#post192406 ---Von daher kann die Frage nach den Ende des Westreiches in meinen Augen auch nur eine politische sein denn ein Staat ist nun einmal vor allem ein politisches Konstrukt und kein wirtschaftliches. Und da finde ich 476 als Jahr immer noch sehr passend. Die Reichsinsignien werden nach Konstantinopel zurückgeschickt weil man sie im Westen nicht mehr braucht. Man unterstellt sich direkt dem Ostkaiser. Niemand von Bedeutung widerspricht dem, im Gegenteil: Odoaker wird sogar in Rang und Titel anerkannt.
--- Ende Zitat ---

Ich denke mal wenn ein Staat seine Sigel abgibt kommt es einer Auflösung gleich. Und wenn Ostrom  Odoaker als neuen Regenten von  Italien anerkannt hat ist damit vieles klar. Würde spontan auch sagen dass das West römische Reich so um 476 n.Chr aufgehört hat zu existieren.  Aber ich schlisse mich da Goltron Meinung an. Das der Untergand des Weströmischen Reiches ein schleichender Prozess war. Die Umstrukturierung des Heeres. Dazu kommt noch die Auflösung des Römischen Heeres. In der Spätantike gab es quasi kein stehendes römisches Heer, sondern mehr Söldner die auch schnell mal die Seiten gewechselt haben. Auch innere Unruhen im Reich haben mit Sicherheit zum Untergang beigetragen. Dazu noch der Drück an den Grenzen mit Einfälle von Goten und Hunnen ins Reich.

Das sind mit Sicherheit alles zusammen Prozesse die letztendlich das Reich geschwächt haben und über längere Zeit zum Untergang geführt haben. Ich persönlich vermute aber auch das die Spaltung in Ost und West mit einer der ersten Schritte waren die das Römische Reich schwächten. Denn damit war auch die Einheit weg.

Tumbertor:
Hi,

neuerdings wurde der transformatorische Ansatz ( Übergang und kein Untergang ) wieder in Frage gestellt.

Dazu sollte man \"Der Untergang des Römischen Reiches\" von Bryan Ward-Perkins lesen.

Ein Kritik zu dem Buch :

\"Bryan Ward-Perkins unternimmt es, das in den letzten Jahrzehnten in der historischen Forschung erarbeitete Bild der Spätantike und des Frühmittelalters zu revidieren. Er möchte der traditionellen (bekannteren) Ansicht, daß der Untergang des weströmischen Reichs eine gewaltige Kulturkatastrophe war, gegen neuere, kulturgeschichtlich inspirierte Deutungen eines geradliningen Übergangs wieder zur Geltung verhelfen. (...)

Vornehmlich durch die Auswertung von Keramik-Funden stellt Ward-Perkins fest, daß die hochspezialisierte spätantike Wirtschaft teils schlagartig zusammenbrach, teils auch langsam niederging. In einigen Teilen des weströmischen Reichs fielen die Lebenverhältnisse auf einen prähistorischen Stand zurück, der noch unter dem vor der römischen Eroberung lag. (...)

Das Ende des Roms war ein schmerzhafter Einschnitt mit dramatischen Folgen. Ward-Perkins wendet sich gegen eine Geschichtssicht, in der Misserfolge und Katastrophen wegdiskutiert werden.\"

Gruß

WCT:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-3-022.pdf

Von der Fachwelt wurde das ganze jedoch eher verworfen.

severus:

--- Zitat --- Auch wenn ich den Post von Greymouse sehr interessant finde beginnt er
etwas am Thema vorbeizureden was die nachfolgenden Poster auch sehr
konsequent fortsetzen.
--- Ende Zitat ---
Das Problem besteht darin, für uns eine Zäsur festlegen, die keinesfalls aus der Zeit selbst stammt, sondern lediglich eine Setzung unsererseits ist. Unter einem gewissen Blickwinkel bietet sich tatsächlich die Absetzung des Romulus Augustulus an. Es ist nämlich endgültig das Ende des Prinzipats im Westreich. Mehr aber auch nicht. Zäsuren wählt man anhand der Geschichte, die erzählt werden soll.


--- Zitat --- Das Ende des Roms war ein schmerzhafter Einschnitt mit dramatischen
Folgen. Ward-Perkins wendet sich gegen eine Geschichtssicht, in der
Misserfolge und Katastrophen wegdiskutiert werden.
--- Ende Zitat ---
Ich hab die Argumentation Ward PErkins weiter oben schon angedeutet. Meines Erachtens baut er aber einen Popanz auf. Nämlich, dass die Kritiker des tradierten Bildes vom Untergang des Römischen Reiches den Zusammenbruch von Handel und Wandel und von Zivilisation negiert hätten. Sein Befund bleibt aber den Beweis von Kausalität zwischen dem Befund eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs im 5.Jh. und dem Ende des Reiches schuldig. Dies sind erstmal Korrelationen.

Die Ursachen für den Zusammenbruch können aber auch schlicht darin liegen, dass auf dem Boden des Westreiches massive Machtkämpfe getobt haben. Waren diese Machtkämpfe nun ursächlihc durch das Ende des Reiches verursaht oder war deas Ende des Reiches nur ein Symptom?

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