Epochen > Altertum
Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
Thaddäus:
@WCT: Keine Bewertung kann objektiv sein - ob moralisch oder nicht. Kein Mensch wird jemals wirklich objektiv Urteilen können. Wir können versuchen möglichst Objektiv zu sein - aber das war es auch schon. Es ist auch nur eine Eigenart des aktuellen Zeitgeistes, dass man diese Art der Bewertung als \"richtig\" ansieht. Wie Du schon geschrieben hast, sahen es die Menschen vor 100 Jahren anders und werden es in 100 Jahren sicherlich auch wieder anders sehen. Vielleicht wird dann auf rein emotionaler Ebene bewertet ;) ...
Wie ich in dem Post zuvor geschrieben habe, kann ich Dir gewissermaßen auch nur Recht geben, dass es eine Trennung zwischen Fakten und ihrer Bewertung geben muss. Jedoch obliegt es uns doch auch durchaus, die Fakten und die Erkenntnisse daraus zu bewerten - Fakten allein sagen dann doch leider nicht viel aus, wenn man sie nicht auch in Zusammenhänge bringt, auswertet und eben auch bewertet. Sonst dürften sich unsere Erkenntnisse darin erschöpfen, dass beispielsweise an Ort A eine Tonscherbe gefunden wurde. Wie sie dahin gekommen ist, warum sie da liegt, was die Menschen damit angestellt haben ... das sind doch alles Bewertungen und gehen über die reinen Fakten hinaus! So zu tun, als ob die Arbeit als Historiker eine reine Sammlung von Daten und Fakten ist, halte ich für falsch. Die Interpretation der Fakten ist doch ein sehr essentieller Bestandteil der Arbeit als Historiker und dieser Teil ist wohl immer durch Bewertungen bestimmt und kann daher auch nicht absolut Objektiv sein. Nicht ohne Grund kommen immer wieder Debatten zu Themen, die schon hundertmal geführt wurden, weil jemand die Fakten nun anders interpretiert.
Ich möchte daher Deine Aussage deutlich erweitern - wie ich oben geschrieben habe. Jede Bewertung und Interpretation von Quellen ist Subjektiv. Man kann nur versuchen, bei der Bewertung und Interpretation möglichst objektiv zu sein.
So zu tun, als könnte man daher das Ende des römischen Reiches wertneutral betrachten, ist dann doch eigentlich von vornherein zum scheitern verurteilt.
Bitte versteht mich nicht falsch - ich nehme bewusst eine stärkere Haltung zu meinem Standpunkt ein, als ich vielleicht wirklich vertrete. Eine Wertneutralität halte ich einfach für unmöglich und rein auf faktischer Ebene lässt sich fast keine Erkenntnis gewinnen. Interpretation und Bewertung ist immer nötig und es liegt in der Natur des Menschen, dass diese Dinge subjektiv vonstattengehen.
severus:
Ich glaube, wir reden tatsächlich aneinander vorbei. Meiner Ansicht nach bezieht sich die Transformationstheorie weniger auf konkrete Ereignisse als vielmehr auf die Wandlung des Begriffs Römisches Reich. Und diese Wandlung fand in der gesamten Geschichte des Römischen Reiches statt. Dies zu untersuchen, hat nichst mit Verschleierung unangenehmer Fakten zu tun. Es ist notewendige Begriffsklärung. Denn man muss versuchen, herauszufinden, was die Zeitgenossen in der Zeit un unter dem Römischne Reich verstanden haben.
Das stellt in keinster Weise in Abrede, unter welchen Bedingungen neue Herschaften auf dem Gebiet des weströmischen Reiches errichtet wurden. Hat man es mit literarischen Quellen zu tun, die über die Geschehnisse berichten, so hat man insbesondere in der antiken Geschichtsschreibung mit Topoi zu kämpfen, die sich beinahe seit Anbeginn der Historiographie immer wieder finden lassen. So zum Beispiel, den Topos von den tatkräftigen GErmanen udn den verweichlichten Römern, denen der Gemeinsinn abhanden gekommen sei. Die sich lieber dem Trunke und den Ränken hingaben, als für das Gemeinwesen zu streiten. Es gab kaum einen Historiker aus der Antike, der wesentliche Konflikte innerhalb der Res Publica erfasst und begriffen hätte. Und genau solche blinden Flecken, die daraus resultieren, dass die Geschichtsschreiber zur privilegierten Oberschicht gehörten und die Konflikte im Volke zwar wahrnahmen aber nicht erklären konnten, füllten die Historiker mit solchen Topoi von habsüchtigen Individuen, die nur ihrem Eigennutz fröhnten. Das geht schon bei Sallust los, setzt sich fort bei Tacitus usw. Genau solche Topoi, wenn man sie für bare Münze nimmt, legen aber den Schluss nahe, dass es einen Untergang gegeben habe.
Und gerade spätantike Texte triefen nur so, vor solchen Topoi. Das hat damit zu tun, dass man als Autor seine Gelehrtheit durch möglichst viele versteckte Literaturzitate zum Ausdruck brachte. Man kann als moderner Historiker nun die Sicht der Quellen übernehmen, wie es Mommsen et al getan haben oder man kann die Texte dahingehend abklopfen, was reine Fiktion, was bloßes Literaturzitat ist und was der wahre Kern der Aussage ist.
Thaddäus:
@ Severus:
Ich habe es mir doch gedacht, dass wir tatsächlich aneinander vorbei reden. geht es Dir lediglich um den Begriff \"Römisches Reich\" - stimme ich der vollkommen zu. Ein Begriff kann wirklich nicht untergehen.
Wenn ich jedoch lese \"Der Untergang des römischen Reiches\" - dann sehe ich darin alles was damit im Zusammenhang steht. Und das, was im 2. Jahrhundert als römisches Reich bezeichnet werden kann, ging sicherlich im Laufe der nächsten Jahrhunderte zugrunde. Der Begriff hat sich stark gewandelt - und es fand eine Transformation statt. Das was aber mal das Reich war, ist meiner Meinung nach untergegangen ....
kann man sich so irgendwie einigen? :D
Thaddäus:
ach ja .. und was die Interpretation von Quellen angeht, haben wir wohl auch die gleiche Sichtweise... Ich finde es aber sogar interessant, was man andersherum aus den Topoi für Rückschlüsse ziehen kann (wenn man sie als solche erkennt).
Thaddäus:
\"Die Transformation des Begriffes Römisches Reich\" - damit kann ich leben ;)
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