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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
Hanno Barka:
Wie Rio schreibt ist es sehr oft die Interpretation/ Rezeption einer Schlacht, die sie bedeutsam (oder auch nicht) erscheinen lässt. Oft werden Schlachten für einen bestimmten Verlauf der Geschichte verantwortlich gemacht, obwohl ein kausaler Zusammenhang zumindest zweifelhaft ist, oft wird durchaus kausalen Folgen keine Bedeutung beigemessen. Die Frage ist dann auch noch wie genau sich die betreffende Schlacht dann ausgewirkt hat.
Dürnkrut und Jedenspeigen wird vor allem als die größte Ritterschlacht in Europa gesehen, anderseits gelangte durch diese Schlacht Österreich in den Besitz der Habsburgfamilie, die sich damit vorerst unter den \"großen\" Fürstenfamilien des Reichs etablieren konnte und damit die Grundlage für die Hochzeit von Maximilian und Maria von Burgund 200 Jahre später bildetet, aus der in Folge das Habsburgimperium erwuchs. Kausaler Zusammenhang? Irgendwie schon, aber erst nach 200 Jahren wirklich spürbar...
Schlacht von Lissa: Die hatte zwar keine politischen Konsequenzen, aber beeinflusste die Schiffsbauingineurstechnik extrem. 20 Jahre lang rüsteten alle großen Flotten ihre Schiffe mit (sinnlosen) Rammspornen aus, die meisten Marinen hatten sogar Schiffe im Einsatz, deren Haupteinsatzzweck das Rammen war, und die nur geringe Geschützbewaffnung aufwiesen (um dadurch schneller zu sein). Niemand erkannte, daß das erfolgreiche Rammanöver Tegetthoffs mit dem er die Re d\'Italia versenkte, ein purer Zufallstreffer war und die Panzerschiffe zu dieser Zeit weder schnell noch wendig genug waren, um einen Gegner erfolgreich rammen zu können.
Gettysburg und Lee\'s Invasion in Pensylvania: Gettyburg wurde während des Bürgerkrieges sowohl im Süden als auch im Norden als knapper Sieg der Konföderierten gesehen, da Meade am 4. Tag (den heute viele einfach ignorieren) nicht angriff. Die vorherrschende Interpretation war damals, daß Lee der Union wieder mal die Schnauze blutig geschlagen und ihr den Schneid abgekauft hatte. Man war im Süden generell mit der Invasion sehr zufrieden, denn sie hatte ihr Primärziel, den Norden vom Territorium der CSA fern zu halten erfüllt. Es schmerzte mehr, daß sich Maryland nicht der Konföderation angeschlossen hatte, als daß die Unionsarmee bei Gettysburg nicht \"schwer\" geschlagen wurde. Man war mit dem Resultat sogar so zufrieden, daß man Longstreets Corps nach Westen verlegte, wo es bei Chickamauga eine entscheidende Rolle spielte, da man in Richmond sicher war, daß der Norden im Osten in diesem Jahr keine größeren Operationen mehr starten würde. Und während die Schlacht von Gettysburg heute zum Allgemeinwissen gehört, kennen nur meist Geschichtsinteressierte die zeitgleiche Schlacht von Vicksburg, deren militärische Auswirkungen ungleich größer waren.
Erst nach dem Krieg wurde Gettysburg zum Wendepunkt des Bürgerkriegs stilisiert, zuerst von den Vertretern des Lost Cause und später dann von der Mehrheit der Geschichtsschreiber. Seitdem ist es die Highmark der Konföderation ;)
Bei vielen Schlachten ändert sich die Interpretation auch im Lauf der Zeit, ich denke bedeutende Schlacht ist das geschichtliche Pendant zum geographischen Begriff Kontinent. Irgend ist man sich ja einig, daß es sie gibt und jeder verwendet den Begriff. Allerdings gibt es keine exakte wissenschaftliche Definition was ein Kontinent nun ist und dementsprechend hat unser Planet fünf, sechs oder sogar sieben Kontinente - je nachdem wo man zur Schule gegangen ist :D
Maréchal Davout:
Vieles wurde hier schon richtig herausgestellt.
Insgesamt darf man die militärische Einzelentscheidung in der Schlacht auch nicht überbetonen. Oftmals wird der Ausgang einer Schlacht als Wendepunkt für irgendetwas gesehen, nur weil er mit einer größeren Entwicklung in ein Narrativ gestellt wird. So evtl. auch in Pappenheimers Beispiel?
--- Zitat von: \'Pappenheimer\',\'index.php?page=Thread&postID=268624#post268624 ---Poltawa finde ich auch recht bedeutend. Schweden wurde danach für immer aus dem Mächtekonzert unfreiwillig verabschiedet.
--- Ende Zitat ---
Bin da kein Fachmann.
Oft sind aber auch größere wirtschaftliche, auf Rohstoffen, Geographie, Populationsdynamiken und Handel beruhende Faktoren für ein Absinken oder Aufsteigen von Mächten, Nationen etc. verantwortlich. Mit einer Schlacht lässt sich so ein Wandel auch zeitlich so trügerisch schön auf einen Punkt bringen. Wenn man sich nur auf Kriegsgeschichte und keinen weiteren Blick in der Militärgeschichte konzentriert, könnte man manche größeren Zusammenhänge vielleicht auch übersehen. Es gibt natürlich auch, wie hier schon genannt, Schlachten, wo an dem Tag tatsächlich direkt politisch-militärisch viel entschieden wurde. Oft wäre allerdings eine größere Dynamik ohnehin in eine Richtung weitergegangen, ob an einem Tag X nun dies oder das passiert wäre.
Poliorketes:
Hanno, Dein Beispiel mit Gettysburgh trifft es sehr gut - im Rückblick etscheint die Schlacht als der Wendepunkt, was aber für Zeitgenossen anders aussah. Umgekehrt ist es z.B. mit Chalons/Katalaunisvhe Felder. Ein Riesenfanal, obwohl eigentlich die Ausgangslage sich kaum geändert hat, Attilas Tod im Folgejahr war der eigentliche Wendepunkt. Oft ist es ja auch so, das eine eigentlich zweitrangige Schlacht durch den Tod eines Herrschers erst Bedeutung erlangt, weil sein Reich anschließend auseinanderbricht oder im Bürgerkrieg versinkt.
Poldi:
--- Zitat von: \'emigholz\',\'index.php?page=Thread&postID=268635#post268635 ---Ich denke Poldi muss da einfach etwas genauer werden.
--- Ende Zitat ---
Nun, in dem von mir gelesenen Bericht über die Schlacht von Cannae stellt der Autor diese als bedeutend dar.
Zitat: \"...Niemals werden in Europa an einem einzigen Tag in einer einzigen Schlacht so viele Männer sterben wie in Cannae - nicht einmal in Verdun oder Stalingrad. Kein Duell auch wird jemals die Strategen so lange militärisch beeinflussen. Noch General von Schlieffen plant den deutschen Angriff auf Frankreich 1914 nach dem Modell von Cannae, noch der US-General Norman Schwartzkopf nennt für die Invasion des Irak im Golfkrieg von 1991 Hannibal als Vorbild...\"
Man mag sich darüber streiten ob diese Aussage nicht etwas zu dick aufgetragen ist, Tatsache ist aber, daß Canae bis heute wie auch Waterloo als Sinnbild für die totale Niederlage steht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist sicherlich auch die Perspektive aus der man das Ereignis betrachtet. So wird mit Sicherheit die Schlacht von Borodino in der russischen Geschichtsschreibung einen anderen Stellenwert einnehmen als in der englischen wo aus dieser Epoche sicherlich Vitoria, Trafalgar und natürlich Waterloo bedeutender sein werden.
Hanno Barka gibt ein gutes Beispiel mit Gettysburg und Vicksburg. Gettysburg ist viel bekannter, ja gilt als die Schlacht des amerikanischen Bürgerkriegs, aber hatte diese Schlacht wirklich so einen entscheidenden Einfluß?
Dürnkrut und Jedenspeigen mag die größte Ritterschlacht Europs gewesen sein, aber wer kennt diese Schlacht denn heute noch (abgesehen von Fachleuten)?
Was irritiert ist vielleicht der Begriff \"bedeutend\" denn den kann man völlig unterschiedlich interpretieren. Aber das war auch meine Absicht. So kann jeder eine Schlacht nennen und begründen warum diese aus seiner Sicht bedeutend war (geniales taktisches Manöver, neue Waffentechnik, unvorhergesehenes Ereignis etc.)
Pappenheimer:
--- Zitat von: \'Maréchal Davout\',\'index.php?page=Thread&postID=268647#post268647 ---Insgesamt darf man die militärische Einzelentscheidung in der Schlacht auch nicht überbetonen. Oftmals wird der Ausgang einer Schlacht als Wendepunkt für irgendetwas gesehen, nur weil er mit einer größeren Entwicklung in ein Narrativ gestellt wird. So evtl. auch in Pappenheimers Beispiel?
--- Zitat von: \'Pappenheimer\',\'index.php?page=Thread&postID=268624#post268624 ---Poltawa finde ich auch recht bedeutend. Schweden wurde danach für immer aus dem Mächtekonzert unfreiwillig verabschiedet.
--- Ende Zitat ---
Bin da kein Fachmann.
Oft sind aber auch größere wirtschaftliche, auf Rohstoffen, Geographie, Populationsdynamiken und Handel beruhende Faktoren für ein Absinken oder Aufsteigen von Mächten, Nationen etc. verantwortlich. Mit einer Schlacht lässt sich so ein Wandel auch zeitlich so trügerisch schön auf einen Punkt bringen. Wenn man sich nur auf Kriegsgeschichte und keinen weiteren Blick in der Militärgeschichte konzentriert, könnte man manche größeren Zusammenhänge vielleicht auch übersehen. Es gibt natürlich auch, wie hier schon genannt, Schlachten, wo an dem Tag tatsächlich direkt politisch-militärisch viel entschieden wurde. Oft wäre allerdings eine größere Dynamik ohnehin in eine Richtung weitergegangen, ob an einem Tag X nun dies oder das passiert wäre.
--- Ende Zitat ---
Poltawa ist aus zwei Gründen eine Entscheidungsschlacht.
1. Der schwedische König setzte bis dahin - und wenngleich auch später - auf eine extrem aggressive Kampfweise. Mit der Aufstellung und den Verschanzungen fanden die Russen bei Poltawa das offensichtlich beste Mittel bei evtl. schlechteren Truppen der Taktik der Schweden die Stirn zu bieten. Nummerische Übermacht hatte sich ja sowohl bei den Polen und Sachsen als auch bei den Russen nicht als ausreichend erwiesen.
Eine Methode zu suchen die qualitative Unterlegenheit irgendwie taktisch auszugleichen finden wir dann auch später, wenn der Maréchal de Saxe sich bei Fontenoy verschanzt oder Daun ähnliches durch eine geschickt gewählte Stellung bei Kolin tut. (Auch Wallensteins Lager bei Nürnberg geht in die Richtung. Obwohl persönlich nicht anwesend gewesen, hatte er aus Tillys Fehlern bei Breitenfeld und Rain am Lech gelernt. Gustav Adolf musste daran gehindert werden die überlegene Artillerie auszuspielen.)
2. Karl verlor damit seine kampferprobten und auch in der schwedischen Taktik erfahrenen Soldaten. Die waren ja auch ein Faktor bei allen Schlachten zuvor gewesen. Welche Infanterie sonst hält solange durch feindliches Feuer einzustecken im Vertrauen darauf, dann den Feind zu überrollen?
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